Agenturen, die es sich wirtschaftlich erlauben können oder wollen, investieren locker zwischen 300.000 und 700.000 Euro ins Award-Geschäft. Das kann nicht richtig sein. Denn mit Gold-Ideen schmeißt man das Wertvollste, was Agenturen produzieren können, einfach dem Kunden hinterher, der sich noch nicht mal dafür interessiert. Weil er das Gefühl hat: Kostet mich nix, ist also nichts wert. Vor dem Hintergrund der Diskussion um den Beitrag von Agenturarbeiten für Unternehmen ist das ein weiterer Minuspunkt auf der Wertschätzungsskala.

Hinzu kommt, dass durch die Gold-Ideen-Maschinerie wertvolle Ressourcen in der Agentur verheizt werden. Mitarbeiter, die neben dem ohnehin schon harten Tagesgeschäft am Abend und Wochenende, Ideen produzieren, die der Kunden nicht bestellt hat, oft nicht haben will und vielleicht gerade mal toleriert, dass die Arbeit für Wettbewerbe einmal irgendwo geschaltet wird. Oft kann der Kunde diese kreativen Spitzen nach innen gar nicht verkaufen. Auch weil es dafür nie ein Briefing gab. Und möglicherweise auch nie ein Problem.

Es geht hier nicht darum, beleidigte Leberwurst zu spielen, weil wir in den letzten Jahren nicht soviel bei Awards gepunktet haben. Im Gegenteil: Wir finden Awards gut und wenn wir aus unserer Sicht gute, auf realen Aufgaben basierte Arbeiten haben, reichen wir diese auch ein. Sonst aber nicht. Wäre es nicht eine gute Maßnahme für alle Agenturen auf einen solchen Pfad wieder zurückzufinden?

Natürlich bieten wir Kunden auch Ideen an, die er nicht gebrieft hat, von denen wir aber glauben, dass sie ihm ein bestimmtes Problem lösen. Aber: Unsere Kunden zahlen uns ein Honorar für diese Extra-Ideen, sonst werden sie eben nicht realisiert. Wäre es nicht für unsere gesamte Branche besser, man würde das Geld für Award-Rankings in die reale Arbeit für Kunden stecken? Dann hätten wir die Chance auf Konzepte, die den Alltagscheck bestehen müssen, auf die Ziele des Kunden einzahlen und das Qualitätsniveau von Werbung insgesamt anheben. Wir hätten Mitarbeiter, die sich über die wirklichen Probleme von Unternehmen den Kopf zerbrechen, anstatt über angenommene, die der Kunde selbst gar nicht sieht.

Ich bin fest davon überzeugt, dass sich lieber heute als morgen zig Agenturen aus dem aufgepumpten Award-Business verabschieden würden. Doch sie fürchten schlechte Schlagzeilen, Missachtung der Branchenkollegen und von jungen Talenten ignoriert zu werden, wenn sie im Award-Ranking nicht ganz oben stehen.

Selbst die Agenturen, die sich für ein Jahr aus den Wettbewerben verabschiedet haben, sind alle wieder zurück. Auch hier plaudere ich gerne mal aus dem Nähkästchen. Bei uns bewerben sich nicht weniger Talente als zu den Zeiten, als wir ganz oben in den Rankings waren. Denn für junge Leute zählt zum Beispiel heute das Arbeitsklima in einer Agentur viel mehr, als für Awards zu schrubben.

Wenn wir uns alle auf richtige Aufgaben fokussieren, haben wir mehr Zeit für unsere Kunden und für bezahlte Aufträge. Die Wettbewerbe wären ein echte Leistungsschau des Potentials von Agenturen, die dann vermutlich auch mehr Kunden interessieren würde. Beim diesjährigen ADC waren jedenfalls kaum Auftraggeber zu sichten. Würden sie aber bezahlte Arbeiten zu sehen bekommen, die sich im richtig harten Marktumfeld wirklich bewährt haben, hätte ein Besuch von Werbefestivals für Kunden einen echten Lerneffekt.

Die Diskussion um Gold-Ideen führen wir seit Jahren. Geändert hat sich de facto nichts.  Im Gegenteil. Die Award-Industrie wächst und wächst und führt unsere Branche immer mehr ad absurdum. Ich wünsche mir Awards für Arbeiten, die zu Recht gewinnen, für die Kunden gezahlt haben und von Kreativen umgesetzt wurden, die das Geschäft ihres Kunden durchdringen und passgenaue Lösungen entwickeln. Dann erfährt Kreation auch wieder die Wertschätzung, die sie verdient. Und das ist besser als jeder Gold-Löwe. Sagt auch mein Kreativ-Kollege Florian Grimm.

W&V-Kolumnist Benedikt Holtappels ist Mitgründer und Geschäftsführender Gesellschafter von Grimm Gallun Holtappels (GGH) in Hamburg. Seine Agentur arbeitet u.a. für Ikea, Seat und Unilever.