Es gibt einen Mann, der hat sie, die Geschichten, die wir alle gerne hören. Er arbeitet in einer Fachabteilung und wird erst ganz zum Schluss gefragt. Vielleicht schaut er auch den ganzen Tag auf einen Bildschirm. Aber sein Bildschirm ist kein iPad. Was ihm entgegenleuchtet, ist nicht die Timeline von Twitter oder der neue Unternehmensblog, sondern eine Software, die anzeigt, wie viel Hektoliter Komponentenrohstoff noch in dem Silo für Produktionsstraße IV ist und welche Temperatur in Echtzeit darin herrscht. Der Mann weiß, was Eisbären wünschen. Wenn er im Neuen Jahr Müllers Text zur Freigabe bekommt, wird er sagen: Die haben doch keine Ahnung. Warum fragt mich keiner?

Die Furcht vor der Fachabteilung ist unter Kommunikationsleuten weit verbreitet – und beruht durchaus auf Gegenseitigkeit. Ihr wird oft die Schuld gegeben, wenn Abstimmungsprozesse langwierig und unbefriedigend sind. Manchmal werden Agenturen beauftragt, die Kommunikation mit den betreffenden Gewerken zu moderieren. Das war schon immer so und ist ja auch gut so: Der Ingenieur tickt eben anders als der Pressemensch.

Allerdings verhilft die digitale Transformation Nischenthemen zu unverhoffter Konjunktur. Für eine zentral aufgehängte Unternehmenskommunikation ist dies eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Denn die Themen liegen weit unterhalb der Wahrnehmungs- und Kenntnisschwelle. Das gewählte Beispiel mit Marketingmann Müller und seinem Fachbeitrag ist natürlich falsch: Herr Müller schreibt Beiträge, die Formulierungen enthalten wie "schließt strategische Allianz im Asia-Pacific-Raum", "legt Geschäftsbericht vor" und "übernimmt Schirmherrschaft für Nachhaltigkeitsinitiative". Die Auswertung von Fachinformationen für sehr spezielle Publikationsbedürfnisse (genau: "Content Marketing!") steht nicht in seiner Job Description und hat dort auch nichts verloren.

Zu wessen Aufgaben aber solcherlei zählt, ist weitgehend unbekannt. Wer spezifische Inhalte braucht (und die Bedürfnisse werden tendenziell steigen) wird neue Wege innerhalb seiner Organisation brauchen – und die sind steinig. Sonst entsteht einfach nur "Content" und nichts, was den Aufwand lohnt. Denn Content ist allenfalls King, guter Content aber ist King Kong.

* Benjamin Minack ist Mitgründer und CEO der Berliner Digitalagentur Ressourcenmangel, die zur Hirschen Group gehört. Vorher verantwortete er Marketing und Business Development bei Zeit Online in Hamburg.


Autor: W&V Gastautor:in

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