Gastbeitrag von Sascha P. Pfeiffer:
"Der Chef will was Virales": Die Kundensicht-Edition
Agenturmanager André Gebel hat mit seinem bitterbösen W&V-Text "Der Chef will was Virales" am Freitag für Furore gesorgt. Jetzt kontert Sascha Pfeiffer vom Elektronikhändle-Verbund Expert mit einer "Kundensicht-Edition".
Unternehmen sind beeindruckt von Namen auf Cola-Dosen und Liechtenstein bei Edeka. Eine simple Idee, die zur Marke passt und Menschen Freude macht: das ist die Aufgabe für die Agentur. Das Resultat ist meist ein Missverständnis zwischen Auftraggeber und Dienstleister sowie etwas, das niemals funktionieren kann. Woran liegt das? Social-Media-Experte Sascha P. Pfeiffer hat den vielbeachteten Text "Der Chef will was Virales - wie große Ideen klein werden" von André Gebel einmal überarbeitet und draus die "Kundensicht-Edition" gemacht.
Etwas Gutes wollen und nur das Schlechte machen können
von Sascha P. Pfeiffer*
1. Akt: Der Chef will etwas Neues
Der Marketingchef fordert Verbesserungen. Von seiner Agentur, der aktuellen Werbelinie und seinen eigenen Mitarbeitern. Anhand der Kampagnen der "Anderen" sieht er, dass es offenbar ein Leichtes ist, Virales zu schaffen. Er ist beeindruckt von den Klickmillionären.
2. Akt: Junghans übernehmen Sie!
"Warum haben wir nicht so etwas?" Eine Frage, die oft mit einem eigenen Schuldeingeständnis daher kommt. Verkrustete Strukturen, fehlendes Verständnis für das Thema und kein direkter Kontakt zur Zielgruppe. Die neue Kampagne soll eine Chance bekommen. Junior Marketing Managerin Junghans soll ran. Mit eigenen Ideen war sie dem Marketing-Chef schon früher aufgefallen und betreibt darüber hinaus einen kleinen erfolgreichen Youtube-Kanal. Kurzum: Die perfekte Person für diesen Auftrag, die dann auch direkt anfängt, die Anforderungen des Unternehmens in ein Briefing zu stecken. Um nicht alte Fehler zu wiederholen, folgt noch der Hinweis: "Denken Sie frei".
3. Akt: Im Kreativdepartment ist die Hölle los
Gar nicht so einfach für abgestumpfte Kreativdirektoren jetzt auf Hochtouren zu kommen. Die Vergangenheit ist aber reich an Kampagnen, die andere Kunden schon längst abgelehnt haben: Der Kompost. Danach noch einmal kurz Joe La Pompe fragen und das Ganze an die eigenen Juniors und Praktikanten weitergeben. Das ganze aber bitte mit Eile und langen Überstunden, da man sich bei der genannten Deadline verschätzt hat.
4. Akt: Ganz großes Kino
Gleich drei schwarze Limousinen fahren am Hauptsitz des Kunden vor. Ein Geschäftsführer, zwei Creative Directors. Unterwegs ist man die Präsentation der Untergebenen noch einmal durchgegangen, per Konferenzschaltung. Junior Marketing Managerin Junghans merkt schnell, dass man eigentlich nicht mit ihr, sondern mit den "Entscheidern" gerechnet hat. Den wichtigen Personen, nicht einem Beirat aus zweieinhalb Jahren Berufserfahrung. Doch das hat natürlich auch Vorteile. Es kann ja auch nicht die Aufgabe der Agentur sein, auf Umsetzungsprobleme, technische Machbarkeit und das Fitting zum Unternehmen zu achten. Der Kunde bekommt das, was er bestellt.
5. Akt: Das wird so nichts
Junior Marketing Managerin Junghans präsentiert dem Marketingchef die ersten Ergebnisse. Diesem wird schnell klar, dass das so nicht funktionieren kann. Neben offensichtlichen Fehlern in der Umsetzungsstrategie passt die Kampagne überhaupt nicht zur im Briefing ausführlich beschriebenen Firmenkultur und -struktur. Er bekommt das Gefühl einer recycleten Idee und sagt: "Da müssen wir aber nochmals ran".
6. Akt: Operation am offenen Herzen
Nachdem die Agentur auch beim zweiten Anlauf das mit der Kultur und Struktur nicht ganz versteht, sieht der Marketingchef seine Felle davonschwimmen. Die Kampagne, zu der die erste "große" Rechnung schon vorliegt, droht zu scheitern. Die Agentur wird immer mehr zum Bittsteller für eine Idee, deren Umsetzung teurer und aufwändiger zu werden droht, als es die Junioren und Praktikanten am Tag vor der Deadline um 23.17 geahnt hatten.
7. Akt: Der Todesstoß
Der Chef ist genervt. Von der Agentur, von Junior Markting Managerin Junghans und ganz besonders von seinem eigenen Fehler. Das Angebot: für die geleistete Arbeit eine einzige Frechheit. Mehr als das Jahresbudget. Also lautet die Devise: Notfallplan. Machen wir es doch wie immer. Ein Sofortgewinnspiel. Was Kleines halt.
* W&V-Gastautor Sascha P. Pfeiffer ist Vorstand beim Bundesverband Community Managment und Social Media Manager beim Elektronikhändler-Verbund Expert AG.