Der Gegensatz zu dem Auto, mit dem für Dünzen seine Werbekarriere begann, könnte größer nicht sein: Mercedes steht für Luxus, der Ecell für technischen Fortschritt. Der Lada Niva dagegen überzeugt mit eben jenen Werten, die der junge Kreative in seinen Spots so genial auf den Punkt bringt: Er ist total robust, wird noch nahezu unverändert so gebaut wie vor 30 Jahren - und kommt mit einfachster Technik buchstäblich überall hin.

Bevor wir Ihnen die Filme zeigen, die der Detailreichtum eint, macht ADC-Vorstandsmitglied Hans-Peter Albrecht Ihnen noch ein bisschen den Mund wässrig: "Die Lada-Filme sind beinah erschreckend perfekt", sagt der Profi. "Das beginnt schon einmal damit, dass er ganz bewusst den Markenkern gesucht und gefunden hat. Russische Unverwüstlichkeit."

Vorhang auf für "Roscosmos I-III".

Das ist, kaum zu glauben, ein reines Hochschulprojekt. Spielfilmstudent Dünzen belegte das Aufbaufach Werbefilm bei Professor Christian Köster an der Hochschule für Fernsehen und Film HFF. "Professor Köster hat keinerlei Berührungsängste zum Werbefilm, ganz im Gegenteil", attestiert ihm Albrecht. Kösters Vorgaben für die Arbeit: Werbung für eine Marke machen, die keine oder besonders schlechte Werbung macht. Und: etwas bislang ungesehenes zu produzieren. Wie kommt man da auf den Lada Niva? "Ich finde Lada sympthisch und so ganz anders als die jetzt so beliebten SUVs", sagt Dünzen und man merkt, seine Haltung spiegelt sich darin wider. Die schlichte Technik führte den jungen Regisseur schnell zum USP des Produkts und zum Thema seiner Spots: "Die Nasa hat für Hunderttausende Dollar einen Kugelschreiber entwickeln lassen, der im Weltraum funktioniert", erzählt er, "Die russische Raumfahrtbehörde Roscosmos hat den Astronauten einfach einen Bleistift mitgegeben."

Diesen Kontrast von Hightech zu Zweckmäßigkeit hat Florian Dünzen auf SUVs und den Niva übertragen. Und so, wie er darüber redet, klingt es so, als sei alles Übrige fast selbstverständlich. Für schöpferische Geister wie ihn ist es wohl genau das. Robustheit lässt sich natürlich optimal darstellen, wenn das Auto einen Raketenstart, eine Kollision mit einem Satelliten, den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre aushalten kann.

Zwei Tage Dreh, sechs Monate Postproduktion: zu den Dreharbeiten und zu Florian Friedrich Dünzens Zukunftsplänen S. 2

An den Details im Film kann man deutlich erkennen, wie viel Recherche in den drei kurzen Filmen steckt. Gehört dazu, sagt Dünzen. "Man ist schnell weg vom Fenster, wenn die Details nicht authentisch aussehen." Das Logo der Raumfahrtmission auf dem Auto, die Anzüge (aus Baumarktzutaten von Dünzens Freundin geschneidert), auch die Sprache, wegen des Mini-Budgets alles selbst gemacht. Getextet hat Dünzen, der nicht nur Regie führt, sondern auch Drehbücher und Konzepte schreibt, erst mal auf Deutsch, na klar. Eine georgische Kommilitonin hat alles übersetzt - die Schauspieler, beide sind Muttersprachler, haben gemeinsam mit dem Studententeam die Dialoge weiterentwickelt.

Um dann zwei Tage vor allem in einem grün ausgekleideten Studio in einem Auto zu sitzen. Fast alle Aufnahmen entstanden vor der Greenscreen - und wurden anschließend ein halbes Jahr lang am Computer mit Modellen und Hintergründen kombiniert und auf alt getrimmt. Auch der Lada. Den Schrottplatzwagen haben Dünzen und sein Team so schön hergerichtet und weiß lackiert - und ihm am Computer wieder ziemlich zerstört. Das Modell musste ja mitgenommen aussehen nach dem Raumausflug. "Wir haben keinen Lackporno gedreht", sagt Florian Dünzen, "sondern das Auto als Gebrauchsgegenstand dargestellt." Ja, Lackporno ist sicher kein Vorwurf, den sich "Roscosmos I-III" gefallen lassen muss.

Die Zukunft

Spaß hat es gemacht, das merkt man Dünzen an. Aber kann er sich auch eine Karriere in der Werbung vorstellen? Nun, zumindest zusätzlich zur Spielfilmregie: "Werbung ist spannend", sagt der Kreative, "kurze Projekte, schnelle Umsetzung: Das ist eine schöne Spielwiese." Spielfilm drehe man ja schließlich normalerweise nur einen im Jahr. Werbung sei dazu eine gute Ergänzung - und gute Schule, vor allem aufgrund der exakten Längenvorgabe, die eine präzise Inszenierung erfordere, um die Geschichte ökonomisch und unmissverständlich zu erzählen. "Was erzählt jedes einzelne Bild?", fragt Dünzen und beantwortet das am Beispiel des Mercedes-Films: Jemand kommt abends nach Hause. Das kann man im Detail zeigen, er fährt vor, steigt aus, schließt den Wagen ab, geht zur Tür ... oder in zwei Sekunden erzählen: Wir hören die Tür zufallen, sehen das Licht angehen - voilà.

"Werbung ermöglicht mir die künstlerische Freiheit für Spielfilme", sagt Florian Dünzen, der für das Brötchenverdienen schon einen Partner gefunden hat: Ab sofort vertritt den jungen Regisseur in Deutschland die Produktion Big Fish, Berlin. Das dürfte Hans-Peter Albrecht freuen, der gegenüber W&V Online erklärt: "Ich hoffe, Florian bleibt uns hier erhalten. Die Anfragen aus England sind schon da. Und man soll es nicht glauben: zu Recht. Die Tommies haben so einen Nachwuchs nicht zu bieten."


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.