Oliver Klein von Cherrypicker:
"Die Branche braucht ein Wir-Gefühl und ein Wir-Auftreten"
Beim Effie-Kongress kommen heute die Präsidenten der Verbände GWA, DDV, BVDW, GPRA und OMG zu einer Podiumsdiskussion zusammen. Für Cherrypicker-Chef Oliver Klein ein willkommener Anlass, seine Wünsche an die Verbandsvertreter zu formulieren.
Beim Effie-Kongress kommen die Präsidenten der Verbände GWA, DDV, BVDW, GPRA und OMG zu einer Podiumsdiskussion zusammen. Für Cherrypicker-Chef Oliver Klein ein willkommener Anlass, seine Wünsche an die Verbandsvertreter zu formulieren. Sein Ziel ist es, gerne auch zusammen mit ähnlich Gesinnten, eine Diskussion im Sinne der Sache in Gang zu setzen.
Meine drei Wünsche an die Agenturverbände
von Oliver Klein
Wunsch 1: Eine gemeinsame Interessenvertretung für alle Agenturen schaffen
Es gibt nicht den Agenturmarkt. Die Agenturbranche ist sowohl in ihrer Innen- als auch in ihrer Außenwirkung sehr stark zersplittert und in Einheiten oder kleinen Grüppchen organisiert. Es gibt beispielsweise Werber, die keine Werber mehr sein wollen. Es gibt PRler, die ihre Rolle im Content Marketing zum Teil noch suchen. Es gibt Dialoger, die sich teilweise in Richtung digital oder integrierte Kommunikation entwickelt und damit in ihrer Urform weitestgehend aufgelöst haben. Es gibt Eventler, die sich als "Live" bezeichnen und Designer, die mehr für Branding und Marke stehen wollen. Und neben weiteren Gruppen gibt es die Digitalen, die es in kurzer Zeit so wohl nicht mehr geben wird, weil digital über kurz oder lang überall integriert sein wird.
Hinter diesen Interessengruppen stehen jeweils unterschiedliche Agenturverbände, die für sich aber nur einen Bruchteil aller Agenturen in ihrem Bereich zu ihren Mitgliedern zählen. Aus meiner Sicht braucht es dringend eine Institution, einen Verband, eine Interessenvertretung, in der sich alle Agenturen wiederfinden und von der sie sich alle repräsentiert fühlen. Die Branche braucht ein WIR-Gefühl und ein WIR-Auftreten. Warum? - Damit auch mein zweiter und mein dritter Wunsch in Erfüllung gehen können.
Wunsch 2: Die Reputation und den Wertbeitrag von Agenturen steigern
Seit Jahren beklagen sich die Agenturen, dass sie von Kunden nicht ernst genommen und von ihnen nicht angemessen vergütet werden. Aber warum ist das so? Die Agenturbranche schafft es seit Jahren nicht, Kunden und deren Vorstände davon zu überzeugen, dass Agenturen einen hohen und meist essenziellen Wertbeitrag für Unternehmen und Marken leisten. Fakt ist, dass Agenturen heute für Unternehmen systemrelevante Leistungen erbringen. Kein nennenswertes, werbungtreibendes Unternehmen ist ohne Einsatz von Agenturen heute noch wettbewerbsfähig und keine Marke kann ohne die Unterstützung von Agenturen entstehen oder überleben. Leider wird derzeit nirgendwo dieser Beitrag der Agenturbranche ermittelt, belegt oder öffentlich kommuniziert. Eine Lösung könnte sein, diesen Wertbeitrag und die Wichtigkeit unserer Agenturbranche bei Kunden, aber auch bei Verbänden und in der Politik zu verdeutlichen. Wenn Agenturen es schaffen, in aufmerksamkeitsstarken Kampagnen für Handwerks- oder Versicherungsverbände zu werben, sollte es für die Branche ein Leichtes sein, dasselbe auch in eigener Sache zu tun.
Macht eine Kampagne und werbt für die Werbung. Ein sehr gutes aktuelles Beispiel, das so etwas durch viele Agenturen gemeinsam funktionieren kann, ist derzeit die Initiative "Feuer & Flamme" in Hamburg. Hier machen viele Agenturen gemeinsam, hoch engagiert und pro bono einen wichtigen Job für Hamburg und ganz Deutschland. - Natürlich reicht eine Kampagne allein nicht aus. Um Unternehmen und Marken vom wirklichen Wertbeitrag überzeugen zu können, eignen sich zum Beispiel sehr gut reale "Best Cases". Nicht nur in Richtung Effizienz, wie der GWA-Effie dies seit Jahren sehr gut macht, sondern mit Kennziffern, die auch für die Finanzmärkte, -vorstände und Vorstandsvorsitzenden relevant sind.
Wunsch 3: Die Branche für den Nachwuchs attraktiv machen
Wir arbeiten, auch wenn es etwas vulgär klingen mag, in der "geilsten" Branche, die es gibt. In keiner Branche gibt es mehr Quereinsteiger, mehr Karrierechancen, mehr Teamwork und mehr Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen. Die Agenturbranche ist ein Schmelztiegel von Talenten und Individuen. Doch die heutige Jugend hat diese Branche bei der Berufswahl oft nicht mehr auf dem Radar. Junge Berliner Startups, Technologie-Unternehmen oder vielleicht auch die direkte Selbstständigkeit erscheinen vielen Anfang- bis Mittzwanziger oftmals interessanter und relevanter für ihre Berufswahl sowie für ihre Work-Life-Balance. Agenturen werden heute zumeist eher als Ausbeuter gesehen, bei denen man zu wenig Geld verdient und bis spät in die Nacht arbeiten muss. Dieses Bild hat die gesamte Branche selbst gezeichnet und dies gilt es schnellstmöglich zu ändern.
Wenn es unserer Branche nicht gelingt, den heutigen Nachwuchs zu gewinnen, systematisch auszubilden und zu binden, wackelt das Geschäftsmodell Agentur mittelfristig. Nur durch frisches Blut, frische Denke und neue Impulse können Kreativität und Wirtschaftlichkeit beibehalten werden. Nur wer jetzt ausbildet, sichert sich sein mittleres Management von morgen. Dieses Problem kennen wir und hatten es direkt nach der New Economy 2002 schon einmal, mit Auswirkungen bis heute. Kein Nachwuchs = kein Geschäftserfolg – so einfach lautet die Formel.
Daher wünsche ich mir von einem Verband (o.ä.) der gesamten Agenturbranche Initiativen und Maßnahmen, die dem Nachwuchs aufzeigen, wie toll unsere Branche heute und auch in Zukunft weiterhin ist. Gemeinsam können wir das schaffen!
Es würde mich sehr freuen, wenn meine drei Wünsche und Hoffnungen an die Präsidenten der Agenturverbände in Erfüllung gehen und zur Diskussion beziehungsweise zum weiteren Austausch darüber beim heutigen Treffen anlässlich des GWA Effies 2015 beitragen können.