Cannes-Trends of the Day:
In Cannes geht der Genderwahnsinn weiter - zum Glück
Beobachtungen, Einblicke, Unterhaltsames – jeden Tag berichtet W&V aus Cannes über die interessantesten Trends. So zeichnen sich bei den Awards harte Zeiten für Charity und ein Ende des Technik-Wahns ab. Beim Thema Gender bewegt sich Cannes in die richtige Richtung.
Beobachtungen, Einblicke, Unterhaltsames – jeden Tag berichten Conrad Breyer und Daniela Strasser für W&V über die interessantesten Trends aus Cannes. Viel Spaß beim Lesen!
Marke schlägt Gutmenschentum
Für die deutschen Löwengewinner mag das zwar nicht gelten – aber Cannes will wieder verkaufen. Harte Zeiten für Charity. Große Marken machen große Kampagnen, wenn ein tieferer Sinn dahinter steht. Ein gutes Beispiel dafür ist der Grand Prix in der Kategorie Print & Publishing, der McWhopper, das Friedensangebot von Burger King an McDonald’s. Ein großer Hype war das zum International Day of Peace, der sich dann aber bezahlt machte, nun auch in Cannes.
Technik-Overload - zurück zur Natur
Facebook, Twitter, Snapchat, What's App - es gibt 1000 Möglichkeiten, mit unseren Mitmenschen zu kommunizieren. Schweden aber hat verstanden: Wir können sprechen! Mit "The Swedish Number" hat das Fremdenverkehrsamt des Landes eine beispiellose One-to-One-Markenkampagne lanciert, die in Cannes den Grand Prix in der Kategorie Direct gewonnen hat. "Was ist direkter als miteinander zu sprechen?", fragt Jurypräsident Rob Reilly. So wahr. "The Swedish Number" folgt einem Trend: In einer techniküberladenen Welt sehnt sich der Verbraucher offenbar wieder nach echtem Kontakt, nach einfachen Kommunikationsmitteln, nach Natürlichkeit. Schon der ADC hatte das im April für dieses Jahr als Trend proklamiert, die Sehnsucht nach Haptik, etwas Echtem. Warum sonst sollte die Outdoormarke REI in die Berge laden, statt ihre Kunden am Black Friday zum Einkaufen in die Läden zu locken? Ein genialer Marketingtrick. In Cannes gibt es einige Arbeiten, die den Trend bestätigen, am Montag jedenfalls.
"The Swedish Number" - im Selbstversuch
Der Genderwahnsinn geht weiter – zum Glück
Rechtspopulisten in ganz Europa packt ein! In Cannes könnt Ihr mit Eurem Geschwätz nicht punkten. Das Festival will geschlechtsspezifische Stereotype, testosterongetriebene Ungerechtigkeiten aller Art abbauen, zumindest in der Werbung. Dafür hat Cannes vor einem Jahr die Glass Lions for Change eingeführt. Und die konzentrieren sich längst nicht nur auf Frauen, "die am meisten marginalisierte und verletzlichste Gruppe in unseren Gesellschaften weltweit", wie Jurypräsidentin Madeline Di Nonno, CEO vom Geena Davis Institute for Gender in Media, sagt. Sechs Preise gab es in diesem Jahr, darunter einen Grand Prix für Unilever in Indien. Dieser Kunde hat sich weit nach vorne gewagt und für seine Teemarke Brooke Bond Red Label eine Musikband gegründet, der ausschließlich Transgender angehörten. "Über Nacht haben wir die Einstellungen der Menschen zu diesem Thema verändert", sagt Di Nonno.
Ob das der Deutschen Bahn auch gelingt? Sie wagt sich in ihrem neuen Online-Spot "Der Fan" ebenfalls an ein Tabu.
Auch Cannes wandelt sich: 40 Prozent der Jurymitglieder sind inzwischen Frauen. Das Ziel: fifty- fifty. Das ist gut so. Denn: Cannes predigt oft genug Veränderung und löst sie nicht ein. Schön, dass es jetzt passiert. Jedem sei auch zur Nachlese nochmal der Vortrag "Sex, Lies und Advertising" von Madonna Bagger ans Herz gelegt. Wer die Geschichte dieser Frau gehört hat, die alles verloren hat und sich trotzdem für Werbung einsetzt, wer da nicht wenigstens kurz nachdenken muss, der darf sich ruhig oberflächlich nennen. Cannes bewegt sich in die richtige Richtung, was die eigenen Ziele angeht.
Die Unternehmensberatungen kommen
IBM, Deloitte, Accenture kapern die Werbewelt. Sie kaufen eine Agentur nach der anderen auf und wissen: Je wichtiger die Customer Experience wird in der Kommunikation, desto wichtiger werden Prozesse und Strukturen für die Kunden, die sich verändern, neu aufstellen müssen. Für Unternehmensberatungen ein Kerngeschäft. "Unsere Zeit ist längst gekommen", sagt Anatoly Roytman, Europachef von Accenture Interactive auf der Terrasse des Majestic. Dort hat ihn W&V getroffen. Die Consulting-Firma hat sich in Cannes eingerichtet, betreibt einen Stand im Palais des Festivals, stellt zwei Jurorinnen, es gibt Accenture-Seminare. Der Fremdling will aber kein Spaßverderber sein. Ein 3D-Scanner im Untergeschoss des Palais dreht Videos von Cannes-Besuchern und lässt sie auf einer Riesenleinwand tanzen. Accenture kann auch Innovation.