Jochen Rädeker: „Es gibt immer Mitglieder, die kritisieren, wir seien nicht mehr so witzig wie früher“
ADC-Vorstandssprecher Jochen Rädeker will neue Zielgruppen aus der Wirtschaft erreichen. Das jetzige ADC-Festival sieht der Stuttgarter als Auftaktveranstaltung dafür an. Im Gespräch mit W&V-Redakteurin Kerstin Richter erläutert Rädeker, wie er Unternehmen klar machen will, dass es der Wirtschaft gut tut, wenn Kreative mehr Einfluss und Macht bekämen.
ADC-Vorstandssprecher Jochen Rädeker will neue Zielgruppen aus der Wirtschaft erreichen. Das jetzige ADC-Festival sieht der Stuttgarter als Auftaktveranstaltung dafür an. Im Gespräch mit W&V-Redakteurin Kerstin Richter erläutert Rädeker, hauptberuflich Mitinhaber der Design-Agentur Strichpunkt, wie er Unternehmen klar machen will, dass es der Wirtschaft gut tut, wenn Kreative mehr Einfluss und Macht bekämen.
Herr Rädeker, der Club erklärt, Ideen seien das Geld von Morgen, Kreative gar die Vorboten einer neuen Ökonomie. Klingt gut, aber welches Unternehmen hat denn erkannt, dass Kreativität Mehrwert bietet?
Ich will kein Einzelbeispiel nennen. Aber viele Unternehmen, die in der Krise als erstes an Marketing und Kommunikation gespart haben, gerieten dann weiter in Schieflage. In dem Moment, in dem man auf kreative Kampagnen verzichtet, auf ausgefeiltes Design und auf die Pflege einer Marke, schadet das weiter der wirtschaftlichen Entwicklung. Sicherlich stehen wir in Deutschland nicht vor einer neuen Wirtschaftskrise, aber wir sprechen zumindest von einer neuen Finanzkrise. Und dennoch verhalten sich die Unternehmen anders als 2008/09. Sie investieren mehr ins Marketing, weil sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. Weil sie festgestellt haben, dass Kommunikation einen Wertschöpfungsbeitrag leistet.
Daher auch die vielen Unternehmensvertreter, die auf dem Kongress sprechen?
Wir versuchen einige Denkmodelle im Diskurs mit Kreativen und der Wirtschaft unterzubringen. Wir haben viele Anmeldungen, die nicht rein aus der Kreativbranche kommen. Das Thema ist spannend, und wir werden unserem Auftrag gerecht, Kreativität zu fördern. Nicht nur uns selbst zu beweihräuchern.
Bislang war der ADC-Gipfel ein Klassentreffen der Kreativen. Kommen dieses Jahr mehr Besucher aus Kundenkreisen?
Wir haben ja schon 2011 gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung Frankfurt Rhein Main eine Vernissage für Politik und Wirtschaft etabliert. Die war gut besucht. Dieses Jahr gibt es dafür wie auch für den ADC-Kongress mehr Anmeldungen dafür. Wir sind in Frankfurt nun mal an einem sehr wirtschaftsstarken Standort. Auch Leute, die in der Wirtschaft und im Finanzssektor tätig sind, fühlen sich von Referenten wie David Bosshart, dem CEO des r Gottlieb Duttweiler Instituts, angezogen.
Versucht der Club nicht einen gefährlichen Kurs? Einerseits die ADC-Mitglieder im Boot behalten zu wollen, andererseits neue Zielgruppen anzusprechen?
Wir haben nicht vor, zum Wirtschaftsclub zu werden und werden auch nicht unsere Mitgliederstruktur komplett ändern. Aber wenn man mit Hilfe des Kongresses, der Ausstellung und der Gala auch in andere Branchen hineinkommt, kann das nur für jeden positiv sein. Klar finden sich bei 600 Mitgliedern immer drei oder vier, die kritisieren, der ADC sei nicht mehr so witzig und locker wie früher. Mag alles sein. Aber wenn der ADC als die sichtbarste Marke im Bereich der Kreativität sich auf die Fahnen schreibt, nur Kreative zum Verbrüderungsumtrunk einzuladen, dann haben wir etwas falsch gemacht.
Im Wettbewerb dominieren immer noch klassische Medien. Aber sie sind rückläufig. Muss man nicht den Wettbewerb neu aufstellen, um auch Produkt-Innovationen oder technologische Neuerungen zu bewerten?
Es wird eine Grenze geben, wie viele Kategorien ein Wettbewerb verträgt. Auf der anderen Seite ist es in einem diversifizierten Markt notwendig, einzelne Medien in Bezug auf ihre jeweilige Ausrichtung in ihrem jeweiligen Umfeld anzuschauen. Der ADC hat daher g Ganzheitliche Kommunikation als Königsdisziplin eingeführt. Wenn man sich die Gewinner der letzten Jahre ansieht, so haben die Arbeiten am höchsten gepunktet, die unterschiedliche Kanäle bespielt haben. Wichtig ist es für den ADC nicht, den Wettbewerb zu verändern, sondern andere Kanäle zu nützen, um das komplexe Thema Kommunikation zu erklären. Da können wir noch nachlegen.
Das heißt konkret? Neue Kongresse, Vorträge?
Wo wir sicher Nachholbedarf haben, ist unsere Website. Wir haben als ADC ein gigantisches Reservoir an Wissen über Kreativität. Wir haben zigtausende von Kreativarbeiten archiviert, Trends, die wir auswerten können. Damit gehen wir zu wenig in die Öffentlichkeit. Ich glaube, der größte Konkurrent des ADC-Wettbewerbs ist nicht irgendein anderer Wettbewerb, sondern beispielsweise Blogs. Es ist für uns sehr wichtig, dem Nachwuchs in der Branche bewusst zu machen, dass es zwar eine tolle Sache ist, wenn eine Arbeit in einem Blog besprochen wird, aber dass es sich dann in der Regel um eine Einzelmeinung handelt. Dem ADC kann und wird es in Zukunft gelingen, mit der geballten Power von 350 Top-Juroren Arbeiten zu bewerten. Aber die und die Learnings daraus, müssen wir auch über andere Kanäle zugänglich machen. Das wird uns in den kommenden Monaten ebenfalls beschäftigen, neben dem großen Thema, wie Kreative mehr Einfluss in der Wirtschaft gewinnen.
Solange es nicht bewiesen werden kann, wie Kreativität wirkt, dürfte das schwer fallen. Sind von ADC-Seite Studien zu dem Thema geplant?
Wir werden sicher kein Kreativitätsbarometer einführen. Die beste Studie für Messbarkeit von Kreativität ist der ADC Wettbewerb. 350 kompetente Juroren beurteilen über 8000 Exponate. Am Ende werden fünf Prozent mit einem Nagel ausgezeichnet. Das ist eine gigantische Selektion. Andere Maßstäbe sind vielleicht eher auf intellektueller Ebene zu setzen, beispielsweise durch Kongressformate, einen stärkeren Dialog mit der Wirtschaft.
Das klingt sehr unverbindlich.
Wir werden einen weiteren Kongress durchführen. Und wir wollen das ganze Jahr über Impulse setzen – nachdem wir das Stadium „der ADC diskutiert mit sich selbst, über sich selbst“ erfolgreich abgeschlossen haben. Außerdem sind wir dabei, das Festival neu auszuschreiben. Auch in diesem Kontext gibt es Möglichkeiten, an der einen oder anderen Schraube zu drehen. Man kann beispielsweise Dinge, die auf eine Woche konzentriert sind, entzerren. Wir werden jedenfalls in den nächsten Wochen Spannendes erzählen können.
Mehr zum diesjährigen ADC-Festival lesen Sie auch im aktuellen Heft (W&V Nr. 19/2012).