Award-Kritik:
Johannes Krempl: "Große Agenturen sind gedopt"
Gäbe es Dopingkontrollen in der Werbung, müssten die Agenturen einen Großteil ihrer Medaillen der letzten zehn Jahre zurückgeben, wettert Glow-Chef und ADC-Mitglied Johannes Krempl.
Gäbe es Dopingkontrollen in der Werbung, dann müssten die Agenturen einen Großteil ihrer Medaillen der letzten zehn Jahre zurückgeben, schimpft ADC-Mitglied Johannes Krempl. "Deutsche Agenturen gewannen allein in diesem Jahr 85 Medaillen in Cannes. Größtenteils mit Arbeiten, die man hierzulande nie gesehen hat", kritisiert der Chef der Berliner Agentur Glow.
"Die Agenturen, die es sich leisten können, haben eine Award-Maschinerie perfektioniert, die schon beim Recruitment anfängt und beim peniblen Aufpäppeln der Einsendevideos noch lange nicht endet", schreibt Krempl in einem Beitrag, den er am Mittwoch (24.10.) an die Werbefachpresse schickte. Dieses System ähnele dem "ausgeklügeltsten, professionellsten und erfolgreichsten Dopingprogramm" (Zitat US-Antidopingagentur) von Lance Armstrong im internationalen Radsport.
Nach Krempls Ansicht wird selbst der Nachwuchs gezielt falsch ausgebildet, um dieses System am Laufen zu halten. "Die Miami Ad School füttert die Maschinerie gezielt mit Abgängern, die genau für den Awardbetrieb ausgebildet sind – weniger für die Werberealität." Dabei gehe es darum, einzelne Höchstleistungen für eine Zielgruppe von einem Dutzend Jurymitgliedern zu erzielen. "All das wäre nicht schlimm, würden auf die Art nicht der Wettbewerb verzerrt und unglaubliche Kosten erzeugt, die letztlich die Kunden zahlen."
Der Abstand der Top-Agenturen in den Kreativrankings zum Hauptfeld sei "rein virtuell". Von 2800 oder 3500 Kreativpunkten auf kundenrelevante Kreation zu schließen, das werde immer schwieriger, da Awardkreation nicht auf Basis von realen Kundenbriefings entstehe.
Mit Jean Remy von Matt rege nun ausgerechnet "einer der größten Doper der Werbegeschichte", so Krempl, eine Ausstiegsdebatte an. Dabei nimmt er Bezug auf dessen Ankündigung, dass Jung von Matt künftig nur noch alle zwei Jahre an Kreativwettbewerben teilnehmen wolle. Dies werde nicht funktionieren, prophezeit Krempl: "Award-Doping macht man ganz oder gar nicht."
"Beim Award-Doping gibt es jedes Jahr mehr und mehr Gewinner. So inflationär viele, dass ein Cannes-Löwe nichts mehr Wert ist", wettert der Berliner Kreative, der selbst viele Preise gewonnen hat - darunter auch Gold in Cannes. Es müsse schon ein Grand Prix sein, "um überhaupt mit Bild in eine deutsche Fachzeitschrift zu kommen." Die Dosis müsse immer mehr erhöht werden, um vorn mitzuschwimmen. "Das System explodiert, weil es mit immer spektakuläreren, immer teureren Einsendungen gefüttert werden muss."
Dabei gebe es allerdings nicht nur Gewinner, sondern auch einen großen Verlierer: die Kunden. Doch immer mehr Auftraggeber würden mittlerweile erkennen, dass die "hochgezüchteten Agenturkreativen ihren normalen Kommunikationsaufgaben nicht gewachsen sind."
Und hier finden Sie Krempls gesamten Text zum Nachlesen - angehängt als PDF.