Die waren entsprechend entzückt über das bunte Presse-Leckerlie ("Hamburgs verrückteste Werber", "Hamburgs Kult-Illustratoren") zum Auftakt einer Reihe mit zeitgenössischem Grafik-Design im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Rocket & Wink durften die Reihe eröffnen, ihre Werke sind noch bis zum 1. Dezember dort zu sehen.

W&V Online mag Menschen mit Masken und hat Gereon Klug ein paar Fragen zur Ausstellung, ihrer Arbeit und außerdem eine Thesen-Überprüfung geschickt. Hier sind die Antworten des Trios: 

Erst 2011 wurde Rocket & Wink gegründet und jetzt die erste Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Und dann gleich der Auftakt, als schräger Appetizer für die Presse. Wie fühlt sich das an, wenn 100 eigene Werke im Museum hängen?

Famos! Das Museum für Kunst und Gewerbe ist zwar alt, aber offensichtlich nicht im Geiste. Unsere Werke gehen nach der Ausstellung ja auch in den Besitz des MKG über, das übrigens die größte Plakatsammlung der Welt beherbergt. Insofern ist es schon eine Ehre, derart museumsreif zu sein. Hätten wir Eltern, wären sie stolz.

Schon mal da gewesen im Museum, ohne Maske, um Reaktion der Leute zu beobachten? Quasi inkognito vom Inkognito? Und wenn ja - was erlebt?

Nein. Leider nein. 

Die Ausstellung soll offenbar ihren Beitrag dazu leisten, dass Grafikdesign in Deutschland stärker als Kunst wahrgenommen und auch gehandelt wird. Wo sehen Sie das eigene Werk am liebsten: ADC, Museum oder Kunstgalerie mit zahlungskräftigen Kunden?

Überall. Wir wichten das nicht so, wie viele Grafikdesign gerne wichten würden. Wir spielen mit dem Standbein und stehen auch auf dem Spielbein. Am liebsten sehen wir unsere Werke, wenn sie ihre Wirkung am zwingendsten entfalten. Das kann in einem kommerziellen Umfeld sein, kann aber auch im Kunstzusammenhang stattfinden. Egal, 96, 88!

Die Kunst des Grafikdesign in Deutschland: Wer ist wegweisend, welche aktuellen Arbeiten sollte man kennen?  

Wir interessieren uns momentan eher für Moosabbau im eigenen Garten (Wink) und Moosparasitenpflanzung in fremden Gärten (Rocket) als für Grafikdesign in Deutschland. Das klingt despektierlich, ist aber nicht so gemeint.

Print soll ja angeblich bald sterben. Wie läuft es denn so mit „Whatever“? Und aus Ihrer Sicht - Arbeiten für Digital oder Print/Plakat: Was macht den Künstler glücklicher?

Unser monothematisches Magazin „Whatever“ gibt es klassisch auf dem Holzmedium, weil wir Fans von haptischen Dingen sind und die Spürung eines hochwertigen Drucks ebenso sehr schätzen wie Leser, denen an tiefen Farben und wertigem Papier gelegen ist. Digital hat andere Vorteile: Leute ohne Briefkasten in Neuseeland können unsere Sachen ihren Freunden in Kanada schicken, ohne dass sie Treibstoff verbrauchen lassen.

Wie läuft das im Kundenkontakt mit der ganzen Maskerade? Muss da auch Dr. Klug ran oder weiß Fritz-Kola mehr...?

Marken fragen uns glücklicherweise nicht nach Stangenware oder vorformatierter Kreation. Sie fragen uns, weil wir gern – egal, ob wir über die Agentur gebucht werden oder direkt von der Marke – mit ihnen das inspirierende Pendel weiter ausschlagen lassen als gewohnt. Wenn uns in einem Meeting dereinst mal endlich ein maskierter Wahnsinniger gegenüber sitzt, wird’s interessant.

In der Selbstbeschreibung steht: „Für Kunden, die eine zart-zitternde Nektaraufnahme eines haselnussgroßen Kolibris an einer Riesenlobelie ebenso schätzen wie ein wuchtiges Aufstoßen eines Mammuts, das soeben ein fettiges Gericht aus Elvis` Kochbuch vertilgte.“ Und – welche ihrer Arbeiten kommt diesem Ideal am nächsten?

Die Fritz-Kola Plakate „wach/müde“ hatten dieses Ideal auf beiden Seiten, finden viele. Sie waren einfach und wirkungsmächtig und für Großplakatwerbung auch ungewöhnlich leicht und feinsinnig.

Rocket & Wink beim Award-Sammeln.

Für welche Kunden arbeiten Sie aktuell? Wo und wann kann man die Arbeiten sehen?

Mit Max Herre entwickeln wir Artwork für seine MTV-Unplugged-Veröffentlichung, auf der anderen Seite schrauben wir für Görtz und Jägermeister und die Warner Brüder Spezialkreationen. Wir begleiten momentan die Premium-Teppichmarke Miinu bei ihrem Relaunch für 2014. Dann will Fritz-Kola neue Ideen, wir schreiben ein Kochbuch, das den Kochbuch-Markt herausfordert, treten in Japan auf und treffen uns, unsere kreative Haut auf Kante gespannt, mit branchenfernen Leuten und wirklichen Chefs.

Branchenthemen wie OWM-Schelte und GWA-Krise: Interessiert das unter der Maske?

Als Zaungäste betrachten wir dies so gern wie der Patient die Klatschpresse im Wartezimmer. Aber dann fliegen wir doch lieber wieder gern auf die blühende Seite der Wiese, wo Milch und Honig fließen und uns zu gut schmecken, als dass wir uns mit Vereinsunbill auseinandersetzen wollen.

Ziemlich beeindruckend, Spektrum und Zahl der Arbeiten und Kunden für ein Zwei-Mann-Team. Wie groß ist die Horde freiberuflicher Helfer im Hintergrund? Gibt es einen Agenturpartner? Wink-Praktikanten oder Rocketson-Azubis?

Wir haben zwei tolle Praktikantinnen, die uns aushelfen. Ansonsten liefern wir so professionell geil ab, weil wir zugegebenerweise durch die harte Agenturschule mit dem traditionell dort sehr ergebnisorientierten Arbeitsethos gegangen sind.

Wie läuft das mit der Zusammenarbeit zwischen dem „Wissenschaftler“, dem „Naturgeschöpf“ und dem Manager Dr. Gereon Klug. Wer ist das Alpha-Tier oder glaubt es zu sein?

Das einzige Gerangel unter uns ist das Gerangel um die täglich frische „erste Klinke“. Wer zuerst morgens da ist, hat das Recht, die anderen ganztags zu unterjochen und ihnen die Farben und Worte eigenmächtig zu verstellen.

Wie kann man sich den kreativen Prozess bei Rocket & Wink vorstellen? Wer macht was besonders gern oder ungern?

Wo der eine anfängt aufzuhören, hört der andere auf anzufangen. Das ist das Schöne! Sie lieben und hauen sich und haben übrigens beide ein Faible für To-do-Listen, auf denen sie schon die Überschrift durchstreichen.

Und nun zur Identität. Wir nehmen mal nicht an, dass ausgerechnet die W&V es schafft, die Masken zu lüften und das eiserne Schweigegebot zu brechen, deshalb wollen wir auch gar nicht fragen. Stattdessen bitten wir um eine Art Thesen-Überprüfung.  Bitte kennzeichnen, was der Wahrheit am nächsten kommt:

a) Rocket & Wink sind in Wahrheit zwei bekannte und preisgekrönte Kreative aus großen Agenturen,  die sich dort nicht so richtig verwirklichen können und sich deshalb dieses Alter Ego schufen, um endlich das machen zu können, was ihnen gefällt, aber nicht erkannt werden wollen, weil sonst ihre Altersvorsorge verfällt.

Ja, stimmt!

b) Dr. Gereon Klug ist nicht nur Texter, sondern in Wahrheit der Künstler und Grafik-Designer und Rocket & Wink sind nur schlechtbezahlte Studenten, die als Frontschweine herhalten müssen – so wie bei Milli Vanilli.

Haha, lustig, die Idee gefällt Dr. Klug sehr! Und Rockmilli und Winknilli gar nicht!

c) Optik: Mit ihren wahren Gesichtern hat es halt nicht geklappt mit der Karriere.

Schon wieder richtig!

d) Rocket & Wink ist das Hobby von Daft Punk.

Glauben wir nicht, die sprechen ja kein Deutsch, wie sollen wir dann deren Hobby sein?

e) Das Duo und ihr Sprachrohr sind Werbeprofis und wissen, dass sich gute Kunst mit einer guten Geschichte noch besser verkauft.

Das ist sicher richtig, was Sie da sagen.

f) 2011 startete auch Pandabär Cro. Das war irgendwie niedlich und inspirierend.

Wir sind nicht niedlich, Wink hat zum Beispiel stets eine Kratzbürste in der Hosentasche, Rocket scribbelt nur auf Sandpapier. Cro ist tatsächlich die erste Maske im Pop, die mit Niedlichkeit arbeitet. Bislang waren Maskierte in der Musik immer böse und gefährlich. Da kann man mal drüber nachdenken! Außerdem haben wir das erste "Whatever"-Magazin bereits 2010 gemacht. Und wie heißt die neue Single von Cro? "Whatever". Tatsächlich.

Rocket & Wink in Aktion kann man unter anderem hier sehen: "The Coloured Wheel Tracks"

The Coloured Wheel Tracks from Rocket & Wink on Vimeo.


Autor: Frauke Schobelt

koordiniert und steuert als Newschefin der W&V den täglichen Newsdienst und schreibt selber über alles Mögliche in den Kanälen von W&V Online. Sie hat ein Faible für nationale und internationale Kampagnen, Markengeschichten, die "Kreation des Tages" und die Nordsee. Und für den Kaffeeautomaten. Seit 2000 im Verlag W&V.