Pressearbeit:
Krisen-PR: "VW hat aufgeholt"
Vor rund einem Jahr hat Jérôme Cholet die Pressestelle der McCann Worldgroup übernommen. W&V Online hat ihn über seinen Einstieg in die Werbung und die Krisenkommunikation bei VW befragt.
Vor rund einem Jahr hat Jérôme Cholet die Pressestelle der McCann Worldgroup, die die beiden Kreativagenturen McCann und MRM//McCann vereint, übernommen. Zuvor war er beim Hamburg Ballett John Neumeier und bei den Grünen in Hamburg für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. W&V Online hat ihn über seinen Einstieg in die Werbung und die Krisenkommunikation bei VW befragt.
Möchten Sie aktuell mit den Presseverantwortlichen von VW tauschen?
Die Kommunikation bei VW hatte krasse Anlaufschwierigkeiten. Aber in einem so großen Unternehmen, in dem selbst die Gesamtverantwortlichen behaupten, nicht über die Vorgänge in den USA informiert gewesen zu sein, ist Pressearbeit natürlich extrem schwierig. Und die Journalisten – gerade im Online-Zeitalter – machen natürlich mächtig Druck. Als Pressesprecher muss man immer zwischen Schnelligkeit und Sorgfalt abwägen. Das ist ein Dilemma, für das es meist nur wenig Verständnis gibt. Jetzt aber hat VW aufgeholt: Konsequenzen gezogen, Transparenz versprochen und sich zudem für die Fehler entschuldigt. Nun bedarf es einer Strategie, die Aufarbeitung des Falls zu kommunizieren und dann in die Tat umzusetzen. Krisen sind immer ein Anlass, nicht nur aufzuholen, sondern über sich und die Konkurrenz hinauszuwachsen. Ich denke, das schafft VW gut und drücke den Kollegen die Daumen.
Wie bewerten Sie die Krisenkommunikation von VW? Was lernen Sie persönlich für Ihre Arbeit dazu?
Schon als Kind sagten meine Eltern immer: ehrlich währt am längsten. Ich kann Journalisten verstehen, die schnell abliefern müssen und gebe in ähnlichen Situationen auch ganz klar an, was ich zum derzeitigen Stand nicht weiß, welche Anstrengungen wir jedoch unternehmen, bald geprüfte Informationen abzuliefern. Das ist für mich der authentischste und beste Weg. Journalisten sind unsere Kollegen und sie haben ihre Deadlines, aber keine Verpflichtung, Müll zu schreiben. Gerade komme ich vom Kommunikationskongress des Bundesverbandes der Pressesprecher, auf dem Professor Storck von der Quadriga Hochschule Berlin gesagt hat, wir müssen mehr Kommunikationsmanager sein als staubige Pressesprecher. Wir wollen Kommunikation und wir wollen ein faires Miteinander, das bedeutet Stärken hervorzuheben, aber auch Schwächen zu benennen und zu vermitteln, dass man Letztere erkannt hat und daran arbeitet.
Vor kurzem haben News Aktuell und Faktenkontor eine Infografik veröffentlicht: Womit Chefs ihre Pressesprecher am meisten quälen. Hand aufs Herz: Was nervt Sie am meisten?
Pressesprecher sind immer nur so gut, wie ihre Geschäftsführer und Mitarbeiter es zulassen und Journalisten ihnen eine Chance geben. Sie müssen selbstbewusst – auch gegenüber ihrem CEO – zu ihrer Expertise stehen, sich für ihre Strategien und ihre Inhalte einsetzen und manchmal auch über das Überzeugen hinaus Druck machen. Genau diese Möglichkeiten werden mir hier bei der McCann und bei der MRM//McCann von allen Seiten gegeben – das war aber auch Vorbedingung meinerseits, um den wirklich sehr geliebten Job beim Hamburg Ballett aufzugeben. Aber ich bekam mehr Freiheit und konnte Pressearbeit auf dem neuesten Stand machen.
Sie haben im vergangenen Jahr die Presseabteilung von McCann aufgebaut. Ihre Learnings?
Ganz einfach: erstens, Sie brauchen einen Chef, der vertraut. Zweitens, Sie brauchen Kollegen aus allen Abteilungen, die ihnen eifrig zuspielen und sich Zeit für Pressearbeit nehmen – neben ihren eigentlichen Jobs. Drittens faire Journalisten. Viertens ein PR-Team, das quantitativ viel leistet, aber in der Qualität sehr sorgfältig ist und richtig was rocken will. Und dann brauchen sie in der Werbung Kunden, die sich auf gemeinsame Pressearbeit von Agentur und Kunden einlassen.