Großbritannien:
Pitch-Kultur: Audi macht sich unbeliebt
Aus dem Pitch um den britischen Kreativetat ist jetzt auch M&C Saatchi ausgestiegen. Zahlreiche Agenturen waren erst gar nicht zu dem Wettbewerb angetreten - und haben dafür auch einen nachvollziehbaren Grund.
Im Pitch um den britischen Kreativetat von Audi sind nur noch die Publicis-Agentur Bartle Bogle Hegarty (BBH), der langjährige Etathalter des deutschen Autoherstellers, sowie die britische Engine Group vertreten. In der vergangenen Woche hat sich laut der Fachzeitschrift Campaign auch M&C Saatchi aus dem Wettbewerb verabschiedet. Mitte Mai hatte bereits VCCP das Handtuch geworfen.
Mit dem Wettbewerb, der im April begann, hat sich Audi in der britischen Agenturszene keine Freunde gemacht. Zahlreiche Agenturen waren erst gar nicht angetreten.
Nach erfolgreichen Chemistry Meetings waren beispielsweise auch Mullen Lowe London und Mother eingeladen worden. Doch beide Agenturen winkten ab. Im Vorfeld des Wettbewerbs hatte Audi zudem Leo Burnett London, Lucky Generals, Ogilvy sowie Saatchi & Saatchi London angesprochen. Sie alle entschieden sich aber gegen eine Teilnahme.
Procurement-Abteilung hat den Hut auf
Einer der Gründe: In dem laufenden Auswahlprozess hat nicht so sehr das britische Marketingteam von Audi das Sagen, sondern die Procurement-Abteilung der Konzernmutter Volkswagen in Wolfsburg. Und das heißt: Kosten sollen eingespart werden.
Denn Volkswagen muss nach den Millarden-Geldbußen infolge des Dieselskandals den Rotstift ansetzen – und da geraten für gewöhnlich die Marketingkostens zuerst ins Blickfeld.
Einen anderen Grund, überhaupt einen Pitch anzusetzen, sehen viele Agentur-Manager in Großbritannien denn auch nicht. Denn selbst in den Augen der Konkurrenten macht BBH einen ausgezeichneten Job für den Autobauer. Tatsächlich gehört Audi zu den Gründungskunden der Agentur und die Zusammenarbeit dauert nun schon 37 Jahre.
In dieser Zeit hat die Agentur zahlreiche unvergessliche Audi-Spots kreiert und den Slogan "Vorsprung durch Technik" entwickelt. Erst im vergangenen Jahr hatte BBH zudem den Grand Prix bei den IPA Effectiveness Awards gewonnen.
Ärger über den Pitch
Dan Cullen-Shute, Gründer und CEO der Agentur Creature of London, machte denn auch schon vor Wochen seinem Ärger über den Pitch in einem Beitrag für den Branchendienst The Drum (Registrierung erforderlich) Luft. Titel seines Artikels: "Why agencies shouldn’t pitch for Audi’s UK ad account."
"Angenommen (und es ist eine realistische Annahme)", so Cullen-Shute, "dass die Beziehung (zu BBH) noch immer gut ist, dann haben wir hier eine Marke, die gerade ihren Agenturpartner seit fast 40 Jahren durch einen achtmonatigen Pitch-Prozess schickt, der von der Procurement-Abteilung geleitet wird. Das ist ein Prozess, an dem teilzunehmen jede Agentur in London sich weigern sollte."
Agenturen, die sich an einer derart offenkundigen Kostensenkungsmaßnahme beteiligten, so Cullen-Shute weiter, würden für einen kurzzeitigen Gewinn die langfristige Stabilität und sogar das Wachstum der Branche gefährden. "Wir halten diesen Pitch für eine schlechte Sache und wir wollen damit nichts zu tun haben", so Cullen-Shute.
Hier eine der jüngsten Arbeiten von BBH für Audi, ein Spot, der erst im März gelauncht wurde und auf Youtube schon drei Millionen Mal aufgerufen wurde: