Gastbeitrag:
"Praktikanten machen uns das Leben schwer"
Mindestlohn hin, Mindestlohn her: Brauchen wir überhaupt so viele Praktikanten? Nein, findet W&V-Leser Heinrich Kürzeder und erklärt, warum ihn Praktikanten nerven.
Überall ist die Klage zu hören, dass aufgrund des Mindestlohns Praktikumsstellen in der Branche gestrichen werden. Unser Gastautor Heinrich Kürzeder sieht das anders: Aus seiner Sicht wäre es ein Segen, wenn die Agenturen endlich weniger Praktikanten beschäftigen würden. Kürzeder ist Inhaber der Redneragentur 5 Sterne Team aus Dillingen an der Donau.
Von Heinrich Kürzeder
In der aktuellen W&V-Titelgeschichte kommt das Bedauern darüber zum Ausdruck, dass durch den gesetzlichen Mindestlohn viele Praktikumsstellen gestrichen werden. Meine Sicht auf die Dinge ist eine etwas andere. Kurz gesagt: Ich setze meine allergrößten Hoffnungen darauf, dass die Agenturen in Zukunft endlich nicht mehr so viele Praktikanten beschäftigen.
Wir sind eine Redneragentur und der Hauptfokus liegt dabei natürlich in der Kundenberatung. Wir sorgen dafür, dass unsere Kunden Redner bekommen, die zur Zielgruppe, zur Zielsetzung und zum jeweiligen Budget passen. Dafür garantiere ich mit über 15 Jahren Erfahrung in der Rednerbranche.
Doch leider bekommen wir von Eventagenturen fast ausschließlich Anfragen von Praktikanten. Diese haben keinerlei Erfahrung oder Hintergrundwissen. Ganz oft heißt es schon nach der ersten, einfachen Frage: "Da muss ich meinen Kollegen fragen." Häufig bekommen wir von den Praktikanten auch völlig wirre Anfragen. Oder wir bekommen von der gleichen Agentur verschieden formulierte Anfragen von verschiedenen Praktikanten für ein und denselben Event. Ohne detaillierte Angaben ist es aber nicht möglich ein ordentliches und zielgruppenorientiertes Angebot zu erstellen.
Am Ende läuft es darauf hinaus, dass wir möglichst viele verschiedene Redner vorschlagen sollen, damit der Kunde eine möglichst große Auswahl hat. Doch dann passiert folgendes: Der Praktikant googelt wie wild und fragt gleich bei mehreren Agenturen mehrere Redner an. Der Projektmanager hat dann oft 50 oder mehr Vorschläge und steht jetzt vor dem gleichen Problem, als wenn er selbst gegoogelt hätte und braucht sehr viel Zeit, seine Vorschläge für den Kunden auszuwählen. Hätte der Projektmanager gleich mit uns telefoniert, hätten wir in einem zehnminütigen Telefonat drei bis fünf Redner gefunden, die perfekt zu seinem Event und seinem Kunden passen.
Zu allem Überfluss verlangen die Praktikanten dazu noch stets, dass alle Redner reserviert werden. Ein irrer Zeitaufwand für uns. Oftmals sind die Agenturen sogar noch im Pitch und sagen uns gar nicht, welche Redner sie überhaupt ins Angebot nehmen. Das heißt, wir reservieren Redner, die dem Endkunden in Wirklichkeit niemals vorgeschlagen werden.
Die Agenturen glauben, Geld zu sparen, aber tatsächlich vernichten sie mit dem Einsatz der Praktikanten sowohl ihre eigene als auch unsere wertvolle Zeit. Meine große Hoffnung ist, dass es durch die Einführung des Mindestlohns weniger Praktikanten geben wird, die Eventmanager direkt mit uns telefonieren und somit die Agenturen und wir viel Zeit sparen werden.
Diese eingesparte Zeit können die Eventmanager bestimmt dafür verwenden, selbst ihren Kaffee zu kochen.