Vorsicht, Glosse!:
Was Thomas Strerath gerne schreiben würde
Als angeblich neutraler "Kleinaktionär" von Mercedes hat sich der künftige Jung-von-Matt-Vorstand Thomas Strerath seinen Ärger über die Etatvergabe an André Kemper und Tonio Kröger von der Seele geschrieben. Was Strerath wirklich gemeint haben könnte, steht in dieser Glosse.
Als angeblich neutraler "Kleinaktionär" von Mercedes hat sich der künftige Jung-von-Matt-Vorstand Thomas Strerath bei den Kollegen von "Horizont" seinen Ärger über die Etatvergabe an André Kemper und Tonio Kröger von der Seele geschrieben. Was Strerath wirklich gemeint haben könnte, steht in dieser Glosse.
Ich, der größte Kleinaktionär
Ich bin Thomas Strerath, der Meinungsmacher von Deutschland, der Worttreiber unseres Landes, ja, der eigentliche Bundespräsident, auf den sogar Joachim Gauck ob meiner selbst!bewussten Wortwahl aufschaut. Ich liebe mich.
Aber manchmal muss ich mich ärgern. Ich ärgere mich insbesondere über die schwache und unkritische Berichterstattung in Teilen unserer Fachpresse (ja, ich bin ja vorsichtig), weil sie nicht meiner Meinung ist. Ich bin ein Freund der Meinungsfreiheit, aber nur dann, wenn ich damit einverstanden bin, was gemeint wird. Grundsätzlich. Und beim Mercedes-Pitch habe ich eine starke Meinung, eine echte Meinung, bei der es mich wundert, dass Teile der Fachpresse (ja, ich bin ja vorsichtig) nicht dieser Meinung sind, obwohl es doch nur diese eine, nämlich meine Meinung geben kann.
Ich schreibe als Kleinaktionär von Mercedes, ich habe mir doch glatt eine Aktie für 69 Euro geleistet, eine von 1,07 Milliarden Stück. Ich schreibe als - wenn ich meine genialen Worte selbst zitieren darf - "wacher Bürger mit dem naiven Glauben, Einfluss über Meinungsäußerung nehmen zu können". So wie es mir immer gelungen ist und immer gelingen wird. Etwa, als ich 1989 mit meinen Worten die Berliner Mauer fallen ließ. Oder als ich vor ein paar Jahren an Weihnachten in meinem Tunesien-Urlaub am eiskalten Strand saß und mir den arabischen Frühling wünschte. Auch mein Boykottaufruf zum Deichmann-Pitch, mein Rücktrittsgesuch für Papst Benedikt und sogar Udo Jürgens Hit "Aber bitte mit Sahne" gehen auf mich, den wachen Bürger naiven Glaubens, Einfluss über Meinungsäußerung nehmen zu können, zurück.
Und nein, ich schreibe weder als CEO von Ogilvy (bin ich nicht mehr), noch als Vorstand von Jung von Matt (bin ich noch nicht) und auch nicht als Vize-Präsident des GWA. Ich schreibe als Meta-Ebene, als Richter und Henker, nein, nicht als Gott jeglicher Religionen, sondern, viel besser, als das wahrste Ich aller Zeiten.
Ich richte über Mercedes und Jens Thiemer, weil er mich abgerichtet hat. Obwohl ich gemeinsam mit Jean-Remy auf der Durchreise nach München in Stuttgart mit Thiemer lecker essen war, habe ich mit Mercedes nichts zu tun. Und mit dem Pitch schon gar nicht. Denn ich bin unantastbar, weil ich ich bin.