Das gilt gleichermaßen für den Einkauf in Unternehmen. Da steht die Qualitätsprüfung ganz oben auf der Agenda. Da werden aufwändigste Anforderungen an die Qualität gestellt. Mal ist die Belastbarkeit wichtig, mal Lebensdauer, Zuverlässigkeit oder Ausfallhäufigkeit. Dafür gibt es TÜV, DIN und ISO 9001.

Die Ausnahme von der Regel

Doch eine einzige Ausnahme - wie immer - bestätigt die Regel. Kommt es zum Einkauf von Werbeplätzen, sind wir wie ausgewechselt. Da kommt es dem Mercedes-fahrenden, Boss-tragenden, auf Bio-Produkte schwörenden Einkäufer plötzlich nicht mehr auf Qualität an. Beim Mediaeinkauf geht es um den Rabatt und um den Preis. Um den TKP, den Cost per GRP, den Cost per Lead und Order. Der Grund dafür ist einfach: Die Qualität ist angeblich nicht messbar - ihr Einfluss auf die Wirkung angeblich nicht nachweisbar.

Wenn dem tatsächlich so wäre, käme das einem Media-GAU gleich. Denn hier geht es nicht um ein Hemd, ein Polo-Shirt oder den Wochenend-Einkauf in Höhe von 120 Euro oder um ein Auto für 120.000 Euro. Hier geht es um Millionen, für manchen Einkäufer gar um Milliarden. Nur bei Marketing-Investitionen in schwindelerregender Höhe soll es nicht um Qualität gehen? Media soll der einzige (!) Wirtschaftsbereich der Welt sein, bei dem es ausschließlich um den Preis geht? Das kommt Ihnen auch lächerlich vor?

Bei Schrauben gilt mehr Qualität als bei Media

Natürlich muss die Qualität messbar sein. Wir sind erst dann in unseren Entscheidungen abgesichert, wenn wir die Qualität auch quantifiziert haben. Manche Schrauben (deren Einkauf aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund gern mit Media verglichen wird) haben eine "Umstempelgenehmigung" nach EN 10204 3.1, andere nicht. Siehe da: Für den Schraubeneinkauf gelten also höhere Qualitätsstandards als beim Einkauf von Anzeigen, Spots und Bannern.

Im Mediabereich erheben wir Werbeträgerkontakte, die nichts weiter sind als äußerst fragwürdige Kontaktwahrscheinlichkeiten. Es sind nicht einmal echte Werbemittelkontakte. Beim Fernsehen kann es passieren, dass ein einziger GfK-Panel-Teilnehmer für acht Prozent Quote sorgt. In der "Zeit" schreibt Klaus Raab daher ganz richtig: "Die Quote ist ein Instrument der Werbewirtschaft, nicht der Qualitätskontrolle". Qualität? Sucht man hier vergebens.

Bei Online, dem messbarsten aller messbaren Mess-Medien, sind wir inzwischen an den Punkt gelangt, wo darauf hingewiesen werden muss, dass "sichtbare" Werbung eine höhere Aufmerksamkeit erzielt als nicht sichtbare. Was Sie jetzt womöglich für einen Treppenwitz halten, ist dem amerikanischen Ad Contrarian durchaus ernst. Sichtbarkeit, so möchte man den Onlinern zurufen, ist so etwas wie die Vorstufe zur Qualitätsdiskussion. Das Online-Medium ist aber wohl noch zu jung für Qualität. Hier muss man noch mit dem Holzhammer arbeiten. Drew Bradstock von Google hielt es neulich für nötig darauf hinzuweisen, dass wer Bewegtbild zum TKP von fünf US-Dollar einkauft, wahrscheinlich auf Betrugsseiten reinfällt.

Werden Werbekunden erst einmal auf Qualität angesprochen, reagieren sie kleinlaut oder verschreckt. Stefan Niggemeier beschreibt in seinem Blog den Shitstorm um das "Knallportal" bunte.de, das jüngst die Frage stellte: "Ist ihre kleine Harper zu dick?" (Gemeint war die Tochter der Beckhams.) Matthias Schindler fragte daraufhin Oetker, Werbekunde bei bunte.de, ob sich die Grundsätze des Unternehmens im Einklang finden mit dem Umgang mit den Persönlichkeitsrechten von minderjährigen Kindern durch die Bunte. Oetker antwortete, man sei von Ethik geprägt, würde Platzierungen in Big Brother ablehnen und würde künftig bunte.de "kritisch begleiten". Aber von selbst draufgekommen wären sie nicht.

Ist Qualität womöglich erstrebenswert?

Überhaupt, Promi Big Brother. Der fragwürdige Sat.1-Trash fuhr zwar Super-Quoten ein, wurde von den Werbekunden jedoch links liegen gelassen. Sie machten einen großen Bogen um die Sendung. Ein bisschen P&G (sonst sehr um Ethik bemüht), kein Otto, kein Unilever. Sie wollten mit ihren Marken nicht dabei sein, als "Richter Gnadenlos" Ronald Schill blankzog. Also muss am Thema Qualität ja doch etwas dran sein.

Das bestätigte Andreas Nassauer, Media-Chef der Telekom, beim Dmexco-Podium auf die Frage, wie er denn als einer der größten Werbekunden des Landes die künftige Rolle der Mediaagenturen sähe. Er sagte, sehr vorsichtig und diplomatisch: "Die Frage, ob eine Mediaagentur mehr in Beratung investieren sollte, muss durchaus gestellt werden." Wir dürfen vermuten, dass er damit die Qualität der Beratung meinte.

Offenbar ist also Qualität ein schwieriges Unterfangen im Mediageschäft. Wenn Werbekunden bei "Big Brother" glauben, dass unterirdische Peinlichkeit kein geeignetes Umfeld für ihre Marken ist, müssten sie umgekehrt unterstellen, dass hohe Qualität einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung ihrer Marke besitzt. Und dass deshalb solche Werbeträger und Umfelder zu Recht einen höheren Preis erzielen.

Ich sehe da eine Allianz vor mir: Öffentlich-rechtliche Sender, Zeitschriften (ohne "Bunte" & dergleichen), die "Quality Alliance" ("FAZ", "SZ", "Handelsblatt" und "Zeit") und viele andere mehr, die sich gemeinsam zum Ziel setzen, einen Nachweis für die höhere Werbewirkung von Qualitätsumfeldern zu erbringen. Gut, das hätten diejenigen Medien, die in Qualität selbst viel investieren, auch schon vor zwanzig Jahren machen können. Aber… Sie wissen ja, die Medienbranche ist nicht die innovativste - und gut Ding will Weile haben.

Bis es so weit ist, liegt es an jedem von uns, die Medien-Qualität zu fördern. Tun wir es nicht, wird sich die Spirale immer weiter in den Boden drehen. Je mehr wir nur auf den Preis der Werbe-Umfelder gucken, desto weiter wird die Qualität sinken. Das ist zwangsläufig. Dann wird es irgendwann keine "Bio"-Medien mehr geben. Keine "Boss"-Medien und keine "Nutella"-Medien. Keine Qualitäts-Medien-Marken mehr. Sondern nur noch Schrott. Unvorstellbare Mengen davon - und alles total billig.

Aber wie Qualität fördern? Ebenso wie Sie bei jedem (Schrauben-) Einkauf auf die Qualität achten, tun Sie das künftig auch beim Mediaeinkauf. Wählen Sie völlig subjektiv Kriterien, die sie für qualitativ differenzierend halten. Die es wert sind, über sie zu diskutieren. Addieren Sie zu jeder Media-Präsentation eine Powerpoint-Folie, über der steht: "Und dann haben wir uns Gedanken über die Qualität gemacht."

Wenn Sie dabei übrigens feststellen, dass hochwertige Werbeträger geringfügig teurer sind als der restliche Schrott, haben Sie alles richtig gemacht. Dann haben wir auch in Zukunft die Wahl zwischen Medien-Qualität und Media-Schrott.

* Thomas Koch, Agenturgründer, Ex-Starcom-Manager, Wirtschaftswoche-Kolumnist, Herausgeber von "Clap" und Media-Persönlichkeit des Jahres, bloggt für W&V. Er ist "Mr. Media".


Autor: Thomas Koch

Eine Ikone der Branche. Der Agenturgründer und frühere Starcom-Manager kennt in der Media-Branche alles und jeden. Thomas Koch ist Mr. Media.