Gastbeitrag:
"Beim Datensammeln geht es um Wertschöpfung, nicht allein Verschwörungstheorien"
Datenbasiertes Marketing droht, Opfer der aktuellen Prism-Debatte zu werden. Das ist in der Sache falsch, geht am Verbraucherinteresse vorbei und behindert Innovation - ist Dominik Dommick, Geschäftsführer von Payback, überzeugt.
Datenbasiertes Marketing droht, Opfer der aktuellen Prism-Debatte zu werden. Das ist in der Sache falsch, geht am Verbraucherinteresse vorbei und behindert Innovation - meint Dominik Dommick. In einem Gastbeitrag für W&V erklärt der Geschäftsführer von Payback, warum freiwillig geteilte Daten rein gar nichts mit Geheimdienst-Schnüffelei zu tun haben:
Die Deutschen seien "ein zutiefst privates Volk", sagt der amerikanische Medientheoretiker Jeff Jarvis, mit einem "tief sitzenden Bedürfnis nach Diskretion". Jarvis ist ein erklärter Verfechter von maximaler Transparenz, was den Zugang zu Daten, ihre Vernetzung und Verwertung angeht. All das führt für ihn letztlich zu besseren Produkten und Services. Und so schaut er mit leicht irritiertem Amüsement auf typisch teutonische Phänomene wie das Verpixeln von Häusern auf Google Street View.
Die Deutschen sind da empfindlicher als andere Nationen, das hat historische und psychologische Gründe. Vielleicht nirgendwo auf der Welt wird der Datenschutz so hoch gehalten, ist die Angst vor den womöglich niederen Beweggründen der "Datenkraken" so verbreitet, wie bei uns. Diese Skepsis ist zunächst einmal gesund. Denn in der Tat sind online geteilte Informationen für ewig verfügbar, und Sensibilität dafür, dass künftige Anwendungen oder Lebensbedingungen diese Daten in ein neues Licht rücken mögen, ist eine Sozialkompetenz, die wir unseren Kindern nicht früh genug vermitteln können. Die sprichwörtlichen Party-Fotos auf Facebook, die einem das Bewerbungsgespräch verhageln, sind da nur ein Beispiel.
Darum werben Experten wie Jarvis nicht für komplettes Laissez-faire, sondern lediglich um ein kleines bisschen mehr Entspanntheit hierzulande. Doch der Ruf nach weniger Aufgeregtheit in Datenfragen hat derzeit einen schweren Stand: Seit der Skandal um Spähprogramme ausländischer Geheimdienste die Talkshows und Leitartikel beherrscht, werfen manche Kritiker alles, was nach Big Data klingt, in einen Sack und schlagen fröhlich darauf ein.
Der Einsatz für das kontrollierte Teilen digitaler Informationen zum Zwecke der Relevanzerhöhung von Angeboten könnte zum Kollateralschaden dieser grundsätzlich ja wichtigen Debatte werden. Denn hier werden nicht nur Äpfel mit Birnen verglichen – potentiell strafbare Handlungen auf der einen und komplett legale sowie beliebte Kundenbindungs-Werkzeuge auf der anderen Seite; das heimliche Abhören von Mobiltelefonen mit dem Punktesammeln für den Waschmitteleinkauf. Vor allem krankt die Diskussion oft an einer bestürzenden Weltfremde. Deutsche Politiker forderten allen Ernstes europäische Alternativen zu Google, Facebook und Apple, weil diese zu leichtfertig mit US-amerikanischen Geheimdiensten kooperieren. Erfinden wir doch einfach ein deutsches Google, dann sind alle Probleme gelöst? Darauf hätte man ja mal früher kommen können.
Nein, so einfach sind die moralischen, juristischen, vor allem aber weltanschaulichen Fragen rund um Big Data nicht zu lösen. Datengetriebenes Marketing existiert, und es hat nichts mit Abhören zu tun. Es erlaubt, Konsumenten das relevante Angebot zum richtigen Zeitpunkt über den richtigen Kanal zu unterbreiten. Dazu müssen Unternehmen ihre Kunden kennen dürfen, so wie früher die Verkäufer im Tante-Emma-Laden.
Wer also neuerdings das Datenkind mit dem Bade ausschüttet und pauschal alles kritisiert, was nach Datensammeln klingt: Es geht hier um Wertschöpfung, nicht alleine um Verschwörungstheorien. Keineswegs muss alles, was technisch möglich ist, auch umgesetzt werden. Aber populären und zukunftsträchtigen Technologien darf übermäßige Regulierung nicht von vornherein die Luft nehmen.
Ja, es gibt Grenzen dessen, was gerade wir Deutschen einem Verkäufer verraten möchten. Das wissen auch die Unternehmen. Sie wissen, dass man Menschen im Gegenzug zum Einblick in bestimmte Aspekte ihres Lebens etwas bieten muss: Guten Service und exklusive Angebote. Wo die Grenze verläuft? Das wird je nach Unternehmen und Kunde unterschiedlich sein – und diese Entscheidung müssen wir dem aufgeklärten Verbraucher zutrauen. Voraussetzung ist stets seine Einwilligung, das markiert den zentralen Unterschied zu Prism. Ohne – freiwillig geteilte – Daten kann es kein Big Data geben. Das galt bereits vor Prism so und wird auch in Zukunft gelten.