Darum werben Experten wie Jarvis nicht für komplettes Laissez-faire, sondern lediglich um ein kleines bisschen mehr Entspanntheit hierzulande. Doch der Ruf nach weniger Aufgeregtheit in Datenfragen hat derzeit einen schweren Stand: Seit der Skandal um Spähprogramme ausländischer Geheimdienste die Talkshows und Leitartikel beherrscht, werfen manche Kritiker alles, was nach Big Data klingt, in einen Sack und schlagen fröhlich darauf ein.

Der Einsatz für das kontrollierte Teilen digitaler Informationen zum Zwecke der Relevanzerhöhung von Angeboten könnte zum Kollateralschaden dieser grundsätzlich ja wichtigen Debatte werden. Denn hier werden nicht nur Äpfel mit Birnen verglichen – potentiell strafbare Handlungen auf der einen und komplett legale sowie beliebte Kundenbindungs-Werkzeuge auf der anderen Seite; das heimliche Abhören von Mobiltelefonen mit dem Punktesammeln für den Waschmitteleinkauf. Vor allem krankt die Diskussion oft an einer bestürzenden Weltfremde. Deutsche Politiker forderten allen Ernstes europäische Alternativen zu Google, Facebook und Apple, weil diese zu leichtfertig mit US-amerikanischen Geheimdiensten kooperieren. Erfinden wir doch einfach ein deutsches Google, dann sind alle Probleme gelöst? Darauf hätte man ja mal früher kommen können.

Nein, so einfach sind die moralischen, juristischen, vor allem aber weltanschaulichen Fragen rund um Big Data nicht zu lösen. Datengetriebenes Marketing existiert, und es hat nichts mit Abhören zu tun. Es erlaubt, Konsumenten das relevante Angebot zum richtigen Zeitpunkt über den richtigen Kanal zu unterbreiten. Dazu müssen Unternehmen ihre Kunden kennen dürfen, so wie früher die Verkäufer im Tante-Emma-Laden.

Wer also neuerdings das Datenkind mit dem Bade ausschüttet und pauschal alles kritisiert, was nach Datensammeln klingt: Es geht hier um Wertschöpfung, nicht alleine um Verschwörungstheorien. Keineswegs muss alles, was technisch möglich ist, auch umgesetzt werden. Aber populären und zukunftsträchtigen Technologien darf übermäßige Regulierung nicht von vornherein die Luft nehmen.

Ja, es gibt Grenzen dessen, was gerade wir Deutschen einem Verkäufer verraten möchten. Das wissen auch die Unternehmen. Sie wissen, dass man Menschen im Gegenzug zum Einblick in bestimmte Aspekte ihres Lebens etwas bieten muss: Guten Service und exklusive Angebote. Wo die Grenze verläuft? Das wird je nach Unternehmen und Kunde unterschiedlich sein – und diese Entscheidung müssen wir dem aufgeklärten Verbraucher zutrauen. Voraussetzung ist stets seine Einwilligung, das markiert den zentralen Unterschied zu Prism. Ohne – freiwillig geteilte – Daten kann es kein Big Data geben. Das galt bereits vor Prism so und wird auch in Zukunft gelten.