Weshalb braucht ein Hersteller zum Beispiel von Lern-Videos die Gbox, wenn er seine Inhalte doch auch über seine eigene Website verkaufen oder im Abo anbieten kann?

Weil es letztlich für den Video-Hersteller immer darum geht, so viel Distribution wie möglich zu bekommen. Wenn ich nur meine eigene Website zur Verfügung habe, muss ich Werbung oder Social Media darauf lenken, um auf meine Inhalte aufmerksam zu machen. Wenn ich diese Inhalte aber auch über andere Kanäle anbieten kann, kann ich viel mehr potenzielle Kunden ansprechen. Als Content-Hersteller hat man meist einen zentralen Kontaktpunkt, nämlich die eigene Website. Das ist äußerst starr. Unsere Philosophie ist es, die ganze Distribution dezentral zu organisieren.

Und welchen Benefit hätte ein YouTube-Star, der vielleicht schon eine Million Nutzer erreicht, wenn er mit Gbox zusammenarbeitet?

Er kann mit uns flexibler verkaufen. Bei YouTube kann er seine Inhalte hauptsächlich nur über Werbung monetarisieren. Ein echter YouTube-Star erzielt damit natürlich schon einiges an Werbeerlösen. Aber wir geben ihm zusätzliche Tools in die Hand, um Geld zu verdienen.

Könnten Sie diese Tools etwas genauer beschreiben?

Wichtig ist, dass der Content-Hersteller immer die Kontrolle darüber behält, wie seine Inhalte im Web verteilt werden. Wir stellen mithilfe unserer Technologie sicher, dass er damit Geld verdient. Dafür haben wir bestimmte Mechanismen entwickelt, die wir nach und nach freischalten. Der Inhalte-Anbieter kann zum Beispiel sagen, dass ein bestimmter Content nur in einer einzigen Stadt oder in einer bestimmten Region verkauft werden darf. Denkbar ist auch ein Szenario, bei der die Inhalte in einer Region zu einem Sonderpreis angeboten werden, während sie anderswo etwas mehr kosten. Oder man kann festlegen, dass nur Personen ab einem bestimmten Alter auf die Inhalte zugreifen dürfen. Möglich ist auch eine Limitierung des Zugriffs: Indem man ein bestimmtes Kontingent in einer begrenzten Zeit für einen Sonderpreis zur Verfügung stellt. Das sind eigentlich alles Szenarien, die man aus der nicht digitalen Welt kennt. Die waren bisher in der digitalen Welt noch nicht abbildbar.

Welchen Vorteil hat denn dabei der Endkunde?

Inhalte-Anbieter können es Konsumenten zum Beispiel erlauben, ein gekauftes Video weiterzuverkaufen. Der ursprüngliche Käufer würde in einem solchen Fall sein Zugriffsrecht zwar verlieren, dafür aber Geld gutgeschrieben bekommen. Über die Gbox können somit digitale Gebrauchskopien zirkulieren. Für die Hersteller wiederum ist das interessant, weil die sozialen Netzwerke der Kunden für den Vertrieb mitgenutzt werden können. Am Ende gewinnen also alle dabei.

Wie sieht die Nutzung der Gbox aus der Perspektive des Konsumenten aus?

Der surft im Web und will sich nicht bei jeder einzelnen Website anmelden, etwa einem Anbieter von Lern-Videos. Wenn der Konsument auf einer Website Content entdeckt, den er gern kaufen würde, dann kann er das über die Gbox tun, ohne sich auf der speziellen Website anzumelden. Das erleichtert den Kaufprozess und erhöht beim Inhalte-Anbieter die Conversion-Rate, letztlich also den Umsatz.

Und wie funktioniert das praktisch?

Jeder Nutzer erhält seine Gbox-App. Die reist sozusagen mit ihm durch das Web. Wenn er auf eine Seite kommt, die die Gbox unterstützt, kann er dort beispielsweise ein Video kaufen. Wie gesagt, ohne dass er sich auf dieser Site extra anmelden muss. Die Gbox speichert alles ab, was Wert besitzt: Euro, Dollar, Bitcoin. Auch die Daten des Nutzers, die er kontrolliert und gewinnbringend für sich einsetzen kann sowie die Zugriffsrechte auf alles Gekaufte, etwa Videos. Wenn der Käufer ein Video zum Beispiel über den PC gekauft hat und es später unterwegs anschauen will, kann er darauf über seine Gbox-App zugreifen.

Auf diesen Verkäufen beruht vermutlich das Business-Modell der Gbox?

Genau. Wir erhalten eine Kommission für alle Verkäufe, die über die App abgewickelt werden.

In welcher Entwicklungsphase befindet sich das Projekt derzeit?

Wir haben im Mai die offene Beta-Version gelauncht. Nutzer können auf der Plattform bereits etwas hochladen und auch Inhalte verkaufen, entweder gegen Geld oder Gbox-Punkte. Beim Verkauf über Punkte fügen wir Werbung zu den Videos zwecks Refinanzierung der Inhalte. In den kommenden Monaten werden wir eine Funktion nach der anderen addieren.

In welchem Zeitraum wollen Sie was erreichen?

Wir wollen in den nächsten ein, zwei Quartalen die Technologie stabilisieren und dann bei der Finanzierung in die nächste Runde gehen, um das ganze Projekt größer auszurollen. Bereits heute ist es zwar möglich, unter www.gbox.com Videos mit unserer Technologie zu verknüpfen, um sie dann international zu vertreiben. Wir fangen aber mit der aktiven Gbox-Vermarktung in den USA an. Falls wir einen Verlag oder einen strategischen Partner in Deutschland finden, ist es nicht ausgeschlossen, dass wir auch auf den deutschen Markt gehen. Ich kann mir zudem vorstellen, irgendwann eine Dependance in Berlin aufzubauen, denn im Silicon Valley ist es weiterhin schwierig, Personal zu finden.

Könnten Sie die Unterschiede zwischen der deutschen Start-up-Szene und der im Silicon Valley beschreiben?

Die deutschen Start-ups sind vom Mindset her anders ausgerichtet. Viele Gründer in Deutschland sind froh - was grundsätzlich keine schlechte Sache ist -, wenn sie nach zwei, drei Jahren den Break-even erreichen, also mit relativ wenig Geld relativ weit kommen. Hier im Silicon Valley sind die Gründer risikofreudiger, es geht ihnen primär um Wachstum und in ihrem jeweiligen Segment um die Frage „How to own the world“. Sie wollen nach vorne preschen, Nutzer und Kunden kriegen.

Verändert sich in dieser Hinsicht nicht etwas in Deutschland?

Unbedingt. Ich bin auch Mentor beim German Accelerator. Und ich stelle bei den Start-up-Gründern, die ich betreue, fest, dass ihre Qualität immer besser wird. In Deutschland gibt es hervorragend ausgebildete Leute. Das Problem bleibt aber, dass sie in Deutschland vielleicht eine Angel-Finanzierung hinbekommen oder auch eine Finanzierung bis ein oder zwei Millionen Euro. Das ist es dann aber auch schon.

Würden Sie deutschen Gründern empfehlen, ins Silicon Valley zu gehen?

Das kommt auf den Einzelfall an. Wenn man feststellt, dass der Wettbewerb hier zu stark ist, dann sollte man sich lieber auf den deutschen Markt fokussieren oder andere ausländische Märkte, etwa in Asien, anpeilen. Aber wenn der amerikanische Markt relevant ist und man die Kriterien erfüllt, um hier Venture Capital einzusammeln, dann sollte einer der Gründer hierher kommen, um sein Projekt zu präsentieren. Die Venture Capitalists hier reisen nicht so gern nach Europa, nur um an einer Board-Sitzung teilzunehmen. Deutsche Gründer haben zudem den Vorteil, dass sie Marketing und Sales, was man im Silicon Valley sehr gut macht und lernt, hier vor Ort organisieren, die Entwicklung aber in Deutschland lassen können. Diese Kombination kann ihnen sogar einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Erste amerikanische Venture-Capital-Firmen investieren mittlerweile in Berlin. Gerät Berlin verstärkt ins Blickfeld der Amerikaner?

Ich glaube, es ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Die hiesigen VC-Firmen schauen sich zwar mehr Firmen an und einige haben auch erste gute Erfahrungen in Europa gemacht. Aber man darf nicht vergessen, dass viele der amerikanischen Fonds gar nicht in deutsche GmbHs investieren dürfen. Und die Frage der Besteuerung ist hochgradig komplex. Es gibt hier im Silicon Valley zudem so viele gute Start-ups, dass bei der Frage, ob sie nun in Berlin oder im Silicon Valley investieren sollen, sie sich im Zweifelsfall für das Valley entscheiden.


Autor: Franz Scheele

Schreibt als freier Autor für W&V Online. Unverbesserlich anglo- und amerikanophil interessieren ihn besonders die aktuellen und langfristigen Entwicklungen in den Medien- und Digitalmärkten Großbritanniens und der Vereinigten Staaten.