Jean-Claude Juncker:
Roaming: EU-Kommissare machen Rückzieher
Die EU hatte es den Verbrauchern so kommuniziert: Die Roaming-Gebühren werden 2017 abgeschafft. Nach öffentlicher Kritik will die Kommission ihre Pläne erneut überarbeiten.
Die EU hat schon immer ein Imageproblem: So manche Verbraucher fühlen sich von Brüssel bevormundet. Ab und zu versucht die EU mit Themen beim Wahlvolk zu punkten. Dazu gehört die vermeintliche Abschaffung der Roaming-Gebühren. Doch das ging nach hinten los. Nach heftiger öffentlicher Schelte kassiert die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Teil-Abschaffung der Roaming-Gebühren. Oder vielmehr: Behördenleiter Jean-Claude Juncker packt ihn demonstrativ wieder in die Schublade. Nachsitzen, lautet die Ansage aus der Chefetage. Das Ganze sei "einfach nicht gut genug für unseren Präsidenten", sagt ein Sprecher der Brüsseler Behörde am Freitag. "Und deshalb hat er uns angewiesen, härter zu arbeiten, uns noch mehr Mühe zu geben, etwas Besseres auf den Tisch zu legen."
Viele Handy-Nutzer werden den Kopf schütteln. Sollten die Extra-Gebühren nicht fallen im Sommer 2017? Damit hatten sich EU-Politiker doch vergangenes Jahr gebrüstet. Stimmt. Allerdings war schon damals klar, dass die publikumswirksame "Abschaffung" nur eine deutliche Deckelung der Extra-Gebühren für das mobile Telefonieren, Surfen und SMS-Schicken im EU-Ausland werden sollte.
"Dauerhaftes Roaming" ist nicht vorgesehen, das steht in der EU-Verordnung, der die Staaten und das Europaparlament zugestimmt haben. Details sollte die EU-Kommission ausarbeiten. Das hat sie getan und am Montag vorgeschlagen, dass Anbieter nur mindestens 90 Tage pro Jahr ohne Roaming-Zusatzkosten gewähren müssen. Neu ist, wo die EU-Kommission die Grenze ziehen wollte - nicht aber, dass es überhaupt eine gibt.
Bert Van Roosebeke von der Denkfabrik Centrum für Europäische Politik (CEP) sieht dafür ebenso wie die EU-Kommission gute Gründe. Er spricht von "Problemen für Anbieter, die nicht über eigene Netze im Ausland verfügen. Denn diese Anbieter müssen für die Zustellung jedes Roaminganrufs ins Ausland ein Zustellungsentgelt an den ausländischen Netzbetreiber bezahlen, dürfen dieses aber den eigenen Kunden nicht mehr in Rechnung stellen."
Auf die lautstarke Kritik von Verbraucherschützern und Abgeordneten war die EU-Kommission offenbar nicht gefasst. Am Mittwoch verteidigten der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger und der zuständige Kommissions-Vize Andrus Ansip das "Ende" der Roaming-Gebühren noch in einer gemeinsamen Stellungnahme. "Die Europäer werden ihre Ferien in Frieden verbringen können, ohne, dass sie sich um große Telefonrechnungen sorgen müssten, wenn sie wieder nach Hause kommen." Es reichte wohl nicht. Juncker zog die Reißleine.
Der Vorschlag soll überarbeit werden. Was genau Juncker nicht gefallen hat, sagt der Sprecher nicht. Nur, dass der Boss die Pläne zunächst nicht gekannt habe. Und dass die EU-Kommission damit keinesfalls eingeknickt sei, sondern Kritik ernst nehme.
Die Sache kocht zu einem heiklen Zeitpunkt hoch. In wenigen Tagen will Juncker dem Europaparlament erklären, wie es aus seiner Sicht weitergehen soll mit der angeschlagenen Staatengemeinschaft. Am Mittwoch soll er in Straßburg seine Rede zur "Lage der Union" halten. Gut möglich, dass er dann neue Ideen zum Roaming skizziert. "Es wird dazu sehr bald Neuigkeiten geben", orakelt der Sprecher. "Und natürlich ist die kommende Woche, im Allgemeinen gesprochen, sehr geeignet, um berichtenswerte Themen anzuschneiden." (mit dpa)