UX-Check UDG:
Sorgt TUI.com für Urlaubsfeeling?
Die schönsten Wochen im Jahr organisieren viele Menschen im Web. UDG untersucht, wie sich TUI.com in Sachen UX schlägt.
Auf den ersten Blick machen viele Webseiten einen gelungenen Eindruck. Doch wie sieht es bei der User Experience aus, die nur Experten beurteilen können? Um das herauszufinden, analysiert Markus Lucht, Managing Partner der UDG United Digital Group, die UX bekannter Webseiten.
Eine Auszeit nehmen, entspannt die Seele baumeln lassen und die Welt entdecken – das ist Urlaub. Für den aufwendigen Teil, die vorherige Planung, suchen sich die meisten Urlauber Hilfe und Inspiration im Internet. Bequem, von der Couch aus, wird der anstehende Städtetrip oder die Nah- und Fernreise geplant und gebucht. TUI ist nach eigenen Angaben Marktführer, wenn es um individuelle Traumurlaube geht. Doch lässt ein Besuch der Webseite TUI.com echtes Urlaubsfeeling aufkommen?
Den User zu wenig berücksichtigt
Im Bereich Usability, schneidet TUI.com mit 2,3 Gesamtpunkten nicht gut ab. Im Teil-Bereich der Barrierefreiheit vergeben wir lediglich zwei von möglichen fünf Punkten, denn ein mangelndes Kontrastverhältnis der Texte, mit gravierenden Unterschreitungen der Web Content Accessibility Guidelines mündet in schlechter Lesbarkeit. Ebenfalls Abzug gibt es für fehlende Alt-Texte. Sind diese vorhanden, ist lediglich der Bild-Name hinterlegt, nicht aber die Beschreibung. Darüber hinaus sind Texte im Bild eingebettet und nicht nachträglich über das Bild gelegt - Blinde und Sehbehinderte User, die die Webseite mittels Screen-Reader nutzen möchten, werden so nicht berücksichtigt.
Auf TUI.com ist es möglich, sich via Tabulator-Taste zu bewegen. Allerdings ist meist nicht erkennbar, welches Element gerade ausgewählt ist. So können auch die Navigationspunkte des eingeklappten Dropdown Menüs angewählt sein, obwohl die Menüpunkte nicht angezeigt werden. Der User weiß nicht, wo er sich gerade befindet.
Besser abgeschnitten, aber noch nicht vollständig überzeugt, hat die Navigation der Website. In der globalen Navigationsleiste findet der User schnell die wichtigsten Bereiche, wie "Urlaub buchen" oder "Last Minute". Über ein Drop-down-Menü kann er in tiefere Ebenen der Webseite navigieren oder aber er nutzt den prominent platzierten Produkt-Finder. Dieser verhält sich aber nicht wie vermutet: Statt Tabs vorzufinden, wird der User mittels Verlinkungen auf weitere Seiten oder sogar andere Portale weitergeleitet. Die Navigation zurück ist dadurch lediglich noch über den Zurück-Button des Browsers möglich.
Generell ist die Kachel im Produkt-Finder durch zu viele Optionen deutlich zu komplex und unübersichtlich. Eine bessere Variante findet sich ein paar Klicks weiter: Im TUI-Reiseblog zeigt sich dem Besucher eine einfache und leicht bedienbare Auswahl.
Konsistent, wenn auch mit wenigen Ausnahmen, zeigt sich TUI.com beim Einsatz von Icons, Logos und Farben. Ausnahmen bilden der gemischte Einsatz von Outlined- oder gefüllten Icons sowie verschiedenfarbige Buttons (auf der Reisebürofinder-Seite wird ein Button mit gelbem Verlauf benutzt, auf den anderen Seiten sind diese Blau oder Rot).
Verbesserungspotential bieten auch die Formulare auf TUI.com. Beispielsweise haben Labels bei unausgefüllten Feldern oft einen sehr geringen Kontrast, was zu einer schlechten Lesbarkeit führt. Ebenfalls nachgebessert werden sollte bei der Beschreibung der Labels. Gerade bei Freitextfeldern (wie zum Beispiel Abflughäfen = 1. Wahl, 2. Wahl) schadet es nicht, dem User eine kleine Hilfestellung zu geben und zu erläutern, welche Angaben benötigt werden. Denn tätigt der User eine falsche Eingabe, werden Felder teilweise ohne weiteren Hinweis rot markiert. Verwirrend: In einigen Fällen kam es vor, dass Felder direkt rot gekennzeichnet waren aber gleichzeitig ein grüner Haken erschien, obwohl noch keine Eingabe getätigt wurde.
Relevante Informationen und ein gelungenes Gesamtbild
Neutral, mit 3,3 Punkten, bewerten wir die Content Qualität auf TUI.com. Auf ihre Kosten kommen User, die gerne schmökern und sich treiben lassen möchten: TUI stellt viele relevante Informationen zur Verfügung und der User findet in den Artikeln und auch im Blog spannende Inhalte und nützliche Erfahrungsberichte anderer Urlauber. Wünschenswert wären dennoch mehr Struktur und eine bessere Formatierung.
Einen klaren Fokus setzt TUI.com auf den Einsatz von Bildmaterial und Videos. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen, überwiegend bei Stockmaterial, weisen die Bilder eine gute Qualität auf. Hilfreiche und gut eingesetzte Piktogramme ergeben ein gelungenes Gesamtbild.
Gute Idee: Der TUI-Reiseplaner
Auch im Bereich Utility weist TUI.com mit lediglich 2,3 Punkten deutliche Schwächen auf. Auffällig lange Ladezeiten erwarten den User: Mit 54 von 100 Punkten im Google Speed-Test schneidet die Desktopseite mittelmäßig ab. Regelrecht unterirdisch sieht es bei der mobilen Version aus: Lediglich 22 Punkte können hier erreicht werden. Durch einen als Sonne gestalteten Spinner wird versucht, das Urlaubsfeeling dennoch zu erhalten. Wir empfehlen: Dringend nachbessern!
Suchergebnisse werden bereits bei der Eingabe mittels Dropdown-Auflistung angezeigt. Diese werden übersichtlich und in Kategorien, wie "Reiseziele" und "Hotels", gegliedert. Gibt der Suchende ein Wort ein und drückt die Enter-Taste, wird nicht wie erwartet eine Suchergebnisseite angezeigt, sondern direkt das erste Ergebnis auf der Ergebnisliste angesteuert. Dies ist unerwartet und führt meist nicht ans gewünschte Ziel.
Vermeintliche Hilfe bei einer umfangreicheren Urlaubsplanung, beispielsweise mit mehreren Stopps in unterschiedlichen Hotels, verspricht der TUI-Reiseplaner. Die 3-Schritte Funktion erwies sich jedoch als wenig hilfreich und mehrere Testpersonen hatten Probleme zu verstehen, wie sie zum gewünschten Ergebnis kommen. Im realen Umfeld würde dies zum vorzeitigen Abbruch führen und damit zum Verlust potenzieller Kunden. Auch wenn die Idee solcher User-Flows vielversprechend ist, sollte die Umsetzung überdacht werden.
Sucht der User nach Antworten im FAQ-Bereich, muss er nach dem Klick zunächst eine Entscheidung treffen, welchen Bereich er sich ansehen möchte. FAQ TUI, FAQ X-TUI oder L'TUR FAQ? Diese Hürde stiftet mehr Verwirrung, als dass sie dem Nutzer schnell Antworten auf seine Fragen liefert.
Entscheidet man sich für die FAQ TUI, öffnet sich ein Pop-up, in welchem die weitere Navigation zu finden ist. Leider ist das Pop-up so klein, dass der User den dritten Auswahlpunkt schon nicht mehr ohne ein Scrollen erreichen kann. Dass es möglich ist, überhaupt zu Scrollen, fällt zudem erst bei genauerem Hinsehen auf.
Entscheidet sich der User im angebotenen Suchfeld z. B. nach "Stornierung" zu suchen, bekommt er als erstes den Hinweis, er solle im Bereich "Ich habe eine Frage zur Buchung und Vorbereitung meiner Reise" suchen. Das "richtige" Suchergebnis kann dabei leicht übersehen werden, da es wie eine Fehlermeldung gestaltet ist. Nach Klick auf das Suchergebnis kommt die nächste Ernüchterung: Es folgt die Meldung, man solle sich doch telefonisch an das TUI.com-Service-Center wenden. Der User bleibt weiter ohne Ergebnis.
Eine starke Marke
Die Marke TUI spiegelt sich auf der Webseite wider und das, in einer, wie wir finden, authentischen Art und Weise – für die Brand Perception vergeben wir 3,7 Punkte. TUI.com wirkt fröhlich und macht Lust auf Urlaub und die Reiseplanung. Das Branding ist auf jeder Seite gut zu erkennen, denn Logos und Markennamen werden großzügig und oft präsentiert. Die Farb- und Motivauswahl ist, im Vergleich zu Wettbewerbern, gut gewählt und wirkt freundlicher.
Auf TUI.com ist für jeden etwas dabei. Doch die große Auswahl birgt einen entscheidenden Nachteil: Die Seite wirkt durch das üppige Angebot und die vielen Bilder und Texte deutlich überladen. Etwas weniger wäre hier mehr.
Ebenfalls auffällig ist die fast schon übereifrige Kundenansprache auf der Webseite. Hier ein Gutscheincode für den potenziellen Urlauber, da ein Pop-Up, welches fragt, ob man die Seite wirklich verlassen möchte, sobald der Cursor auch nur in die Nähe der Adressleiste des Browsers kommt. Für unseren Geschmack könnte hier ein bisschen mehr Zurückhaltung zu einem positiverem Webseitenbesuchserlebnis führen.
Spaß bringt der Reiseblog
Für den Joy of Use gibt es immerhin 3,3 Punkte. Die Ansprache der Webseite passt zum Thema und zur Zielgruppe. Nutzer werden gesiezt und doch ist der Ton vertrauenserweckend und nicht zu förmlich. Im Reiseblog ist TUI beim Du und da darf es auch so sein. Dieser ist ansprechend gestaltet und bietet spannende persönliche Einblicke in Form von Erfahrungsberichten, Fotos und Videos anderer Urlauber. Hervorzuheben ist das Format des "Chat"-Interviews, welches den Nutzern einen Chat zwischen einer Bloggerin und TUI verfolgen lässt.
Darüber hinaus bietet TUI.com leider wenig Innovatives. Der Reiseplaner ist zwar eine gute Idee, die Umsetzung trübt die Freude aber etwas. Positiv sind die Ergebnislisten bei Hotels und Reisen: Diese bieten dem Nutzer viele Filtermöglichkeiten, mit denen er seine Suche noch präziser gestalten kann. Es gibt darüber hinaus die Möglichkeit Ausgewähltes zum Merkzettel hinzuzufügen oder mittels Karte nach einem Reisebüro in der Nähe zu suchen.
Das Fazit
TUI.com erreicht in unserem Test eine 3-Punkte Bewertung. Wir fanden eine durchschnittliche Webseite, mit guten Ansätzen, welche aber nicht optimal umgesetzt worden sind, vor. Dringend nachgebessert werden sollte im Bereich der Performance der Webseite. Ebenfalls Luft nach oben gibt es im Bereich der Usability. Features, wie der Reiseplaner, sind vielversprechend und innovativ, sollten aber nochmal im Detail getestet und überarbeitet werden. Trotz allem ist der Gedanke an Urlaub ein positives Momentum, das TUI.com durch ein farbenfrohes Webseitenerlebnis auf den User überträgt. Um sich zu informieren und zur Inspiration sind User auf der Webseite gut aufgehoben, jedoch sollte TUI.com den User bei der Reiseplanung etwas mehr an die Hand nehmen.
Über den Autor:
*Markus Lucht ist Managing Partner der UDG United Digital Group, eine der führenden Agenturen in Deutschland im Bereich der digitalen Transformation. Der 44-jährige verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in Digitalagenturen und über umfangreiches Wissen in den Bereichen digitale Markenführung, User Experience, strategische Kundenführung und digitale Transformation.