Werden die Geschichten dann auch durchgehend aus der Ich-Perspektive erzählt?

Immer häufiger. Das entspricht einfach viel eher der heutigen Zeit. Als wir gestartet sind, im März 2014, haben wir noch sehr magazinartig geschrieben, und dann haben wir gemerkt, das kommt nicht so an. Das heißt, man muss schon viel von sich geben, damit die Botschaft als wahrhaftig ankommt. Ich muss meine persönlichen Erfahrungen preisgeben.

Also sind die Emotionen der Dreh- und Angelpunkt? Wie nimmt 'Was uns bewegt' seine Leser emotional mit auf die Reise?

Man muss nahe an der Wahrheit dran bleiben. Erst wenn du dich wirklich auf einen Menschen einlässt, erfährst du auch dessen Perspektiven und Einsichten. In der Regel gehe ich von mir aus: Ich frage also das, was mich selbst interessiert und hoffe, dass das andere ebenso berührt und interessiert. Bei Bildern und natürlich ganz besonders bei Filmen gelingt eine emotionale Ansprache noch sehr viel direkter. Da sind wir unmittelbar an dem Leben eines Protagonisten dran.

Wer dreht diese Filme?

Wir arbeiten wir mit Dokumentarfilmern zusammen. Nehmen wir das aktuelle Thema: "Atmen". Den Film dazu hat die Südtiroler Filmemacherin Veronika Kaserer gemacht. Mit ihr haben wir das Thema besprochen, was uns daran wichtig ist, wir bieten auch Protagonisten an, aber dann lassen wir der Filmemacherin die künstlerische Freiheit, den Film so zu drehen, wie sie es für richtig hält. Wir greifen bei der Abnahme nur dann ein, wenn wir glauben, der Südtirol-Kontext kommt zu kurz.  

Aber nicht jeder Content wird im Bewegtbild aufbereitet?

Wir planen jedes Jahr sechs bis acht Top-Stories. Eine davon ist für 2016 zum Beispiel das Thema Atmen. Diese Top-Stories werden in einem komplexen Auswahlverfahren bestimmt und dazu werden dann auch relativ aufwendig Videos produziert. Daneben gibt es auch einige spontane Themen, bei denen wir denken, das wäre schön, wenn wir dazu ein Video hätten. Dann schauen wir in unser Budget. Manchmal geht’s gut, manchmal müssen wir halt passen.

Themenfindung ist dabei aber das A&O von gutem Content-Marketing. Wie funktioniert das bei Ihnen?

Das ist wirklich sehr komplex. Es gibt in der Mitte des Jahres einen Redaktions-Workshop mit unseren Kreativ- und PR-Agenturen. Dabei eruieren wir die vier Leitmotive für das kommende Jahr. Heuer haben wir beispielsweise die Themen "Grün", "Balance", "Food" und "Made in Südtirol". Danach werden zu diesen Leitmotiven die Topstories gesucht. Im Herbst gibt es eine weitere Sitzung, wo wir uns mit den PR-Leuten der Tourismusverbände zum Brainstorming treffen. Das Ergebnis dieses Brainstormings geht schließlich in eine große interne Redaktionssitzung, in der abschließend entschieden wird. Da entsteht der Reaktionsplan fürs ganze Jahr. Ich könnte also jetzt schon sagen, was im Oktober auf der Seite passiert.

Ist der Redaktionsplan wirklich so starr?

Nein, natürlich schreiben wir auch über Themen, auf die wir unter dem Jahr stoßen. Oder es kommen Blogger dazu, die uns Geschichten in Kooperation anbieten. So flexibel muss man schon sein, wenn man dran bleiben will an dem, was Menschen gerade wichtig ist.

Sie brauchen ja doch glaubwürdige, starke, sympathische Protagonisten. Die sind in einem kleinen umrissenen Gebiet doch nicht immer so einfach zu finden?

Doch erstaunlicherweise schon. Wir haben da keinen Mangel. Uns ist wichtig: Wir bezahlen die Protagonisten nicht. Gleichzeitig kann sich bei uns auch niemand als Protagonist einkaufen. Vor dieser Art der Beeinflussung schützt uns auch das komplexe Auswahlverfahren.

Wie wird der Erfolg gemessen? In Page Impression? In Teilungsraten? Oder werden eher die weichen Faktoren gewertet – Feedback, Markenbildung etc.?

Es ist eine Mischung aus beidem. Zuallererst ist unser Auftritt entstanden, um die Leute an die Marke Südtirol heranzuführen. Das ist eine klassische Branding-Arbeit. Es geht in erster Linie ums Image und nicht darum, Betten oder Urlaube zu verkaufen. Insofern messen wir alles auf Google-Analytics, also auch die Aufenthaltsdauer, die Durchsichtsrate der Videos, ob Geschichten geteilt und kommentiert werden. Aber das sagt nicht alles aus. Wir gewichten deswegen auch das Feedback von Usern. Ebenso wichtig ist uns das Feedback der Fachwelt – und da wurden wir ja ziemlich gut behandelt. Sonst hätten wir 2015 wohl auch nie diesen schönen Deutschen Content Marketing Preis gewonnen…

Wie viele Kollegen stemmen den Auftritt?

In dem Herzstück, der Redaktion, haben wir zweieinhalb Stellen für das Projekt. Dann gibt es ein paar Freie und die Filmemacher, die uns regelmäßig etwas zuliefern. Zum Team gehören außerdem zwei Social-Media-Manager und drei Leute aus dem Kampagnenmanagement. Ganz wichtig ist eine Kollegin, die darauf achtet, dass die Seite aus technischer Sicht täglich funktioniert.

Müssen Sie tatsächlich noch Werbung für die Inhalte machen?

Natürlich versuchen wir, die Geschichten so zu gestalten, dass Menschen darin einen Nutzen für sich erkennen. Trotzdem finden die Leute unsere Inhalte nicht automatisch. So lange wollen wir auch gar nicht warten. Sagen wir so, im Netz schwirren Unmengen an Infos herum, wir helfen ein bisschen nach, dass die Geschichten gefunden werden.

Eine Frage an die gelernte Journalistin: Ist das noch Journalismus oder ist das schon Marketing?

Natürlich sind wir kein freies Magazin. Diese Seite steht im Dienst der Marke Südtirol. Aber die Geschichten, die ich erzähle, würde ich in einem anderen Medium auch nicht anders schreiben. Ich glaube, dem Marketing tut es ganz gut, solche Geschichten zu haben. Gute Werbung war auch immer eine gut erzählte Geschichte. Ich kann aber nur dann gut sein, wenn ich die Geschichte erzählen darf, wie ich sie sehe. Und deswegen gehe ich auch nicht mit der Marketingbrille durchs Land und auf die Menschen zu. 

Was braucht es außer einem Budget und einem CMS noch, um gutes Content-Marketing zu machen?

Hinter dir muss eine Firma stehen, die dir Freiheit für das Experiment eröffnet. Es muss erlaubt sein Fehler zu machen. Du musst Themen und Formate ausprobieren dürfen und schauen können, was davon funktioniert und was weniger. Das kann man vorher nie wissen. Genau durch diese Freiheit zum Experiment ist in unserem Team eine echte Lust und Leidenschaft für das Projekt entstanden. Und ohne wirkliche Leidenschaft geht im Content Marketing gar nix.

Was uns bewegt hat  im vergangenen Jahr den ersten Deutschen Content-Marketing-Preis in der Kategorie Strategie erhalten und Konkurrenten wie die Techniker Krankenkasse und Saturns "Turn on" ausgestochen. Die Jury lobte vor allem die "Authentizität und Emotionalität" der Seite. Gabriele Crepaz war von Anfang an dabei und macht sich nun als freie Redakteurin für Content Marketing selbstständig. Das Projekt betreut sie weiterhin.


Autor: Anja Janotta

seit 1998 bei der W&V - ist die wohl dienstälteste Onlinerin des Hauses. Am liebsten führt sie Interviews – quer durch die ganze Branche. Neben Kreativ- und Karrierethemen schreibt sie ab und zu was völlig anderes - Kinderbücher. Eines davon dreht sich um ein paar nerdige Möchtegern-Influencer.


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