Canneslions 2016:
Gold für DDB und Serviceplan - und ein Rembrandt zum Fürchten
Der dritte Tag in Cannes bringt mehr ROARRR. Deutsche Agenturen gewinnen in allen Kategorien: 2 Gold, 5 Silber, 9 Bronze und ein Innovation Lion verschönern die Bilanz. Und die Grand Prix in Creative Data und Cyber zeigen, wohin die Reise für alle geht.
Am Mittwochabend hat DDB dann Jung von Matt vom Siegertreppchen gestoßen. Mit insgesamt zwei Gold-, fünf Silber- und acht Bronze-Löwen erobert die Agenturgruppe zur Halbzeit in Cannes Platz eins im W&V-Agenturranking. Jung von Matt landet knapp hinter DDB mit vier Gold-, vier Silber- und einem Bronzelöwen (siehe Medaillenspiegel). In der Top 5 der erfolgreichsten Agenturen folgen BBDO, Serviceplan und Ogilvy.
Allerdings stehen hinter dem Erfolg wenige Einzelarbeiten. DDB hatte seine – zugegeben – fantastische Arbeit für Pink Ribbon gegen Brustkrebs, Jung von Matt die ebenso aufsehenerregende Kampagne für den Wiener Falter fleißig über alle Kategorien hinweg eingereicht. 2015 war das ähnlich: Grabarz & Partner/GGH Mullen Lowe und Grey räumten vor allem ab mit zwei Beiträgen - für Exit - Rechts gegen Rechts und Soundcloud. Das Kundenranking in diesem Jahr prägen vor Pepsico, Daimler und Ikea Austria, Pink Ribbon und der Falter. Viel Ehr für Deutschland aus Österreich in diesem Jahr.
Das Festival vergab am dritten Tag der Woche Löwen in den Kategorien Cyber, Innovation, Creative Data, Media und Mobile. Die gute Nachricht: Deutschland siegt in allen Disziplinen.
Cyber
Die meisten Löwen gibt es in Cyber, einmal Gold, zweimal Silber, dreimal Bronze (die Gewinnerliste). "Wir Deutschen sind technisch so was von auf der Höhe", sagt Dirk Kedrowitsch von Publicis Pixelpark. Er saß in der Cyber-Jury und ist mit dem Ergebnis total glücklich. Von 29 Einreichungen haben es sechs in die Siegerehrung geschafft, DDB mit Pink Ribbon (Gold und Silber), Jung von Matt mit Stabilo (Silber), BBDO mit Smart (zweimal Bronze), Grabarz & Partner mit Exit, der Folgekampagne für "Rechts gegen Rechts" (Bronze). Kedrowitsch sagt: "Der deutsche Innovationsgeist ist da." Auch wenn es 2016 zwei Löwen weniger sind als im Vorjahr.
Cyber hat einen großen Schritt gemacht. Man merke gar nicht mehr, dass es um Technik gehe, sagt Jurypräsidentin Chloe Gottlieb von R/GA. Digitales sei heute so selbstverständlich, alles ist digital, das Markenerlebnis stehe im Vordergrund. Als besonders bemerkenswert stufte die internationale Jury die Arbeiten "The Next Rembrandt" der niederländischen Bank ING (Agentur: JWT, Amsterdam) und „Justino“ von Leo Burnett in Madrid ein. Beide Kampagnen bekommen einen Grand Prix.
"Hier verbinden sich Idee, Handwerk, Technologie, Zeitlosigkeit aufs Schönste", sagt Gottlieb über Justino. Die Spanische Staatslotterie hatte den animierten Charakter für ihre traditionelle Weihnachtskampagne eingeführt und damit Millionen zu Tränen gerührt. Neben einem Spot gab es eine interaktive Anwendung im Netz, die die Jury ausgezeichnet hat.
"The Next Rembrandt", die digitale Kopie eines Rembrandtgemäldes via Datenexegese und 3D-Drucker war der Jury ein Statement wert, das zeigt, wohin die Reise gehen wird. "The Next Rembrandt macht uns ein bisschen Angst“, sagt Gottlieb, "und gerade deshalb ist es so aufregend". Die Frage stehe im Raum, inwieweit Technik Menschen und ihre Kreativität ersetzen könne. Hier entstehe aus Daten heraus etwas völlig Neues, ein Produkt, das noch dazu fast so perfekt gestaltet ist wie ein echter Rembrandt.
Mobile
Fünf Löwen gehen in der Disziplin Mobile über den Rhein, einmal Gold, zweimal Silber und zweimal Bronze. Die Trophäen gewinnen Serviceplan für die Sprachlern-App "Whatsgerman" der hauseigenen Agentur Plan.Net (Gold, Silber) und DDB für Pink Ribbon (Silber, zweimal Bronze).
Mit dem Grand Prix beehrt die Jury das T Brand Studio in New York (The New York Times).
Media
Drei Bronzelöwen wert waren der Media-Jury DDBs Brustkrebsvorsorge für Pink Ribbon (zwei Bronze) und Grabarz & Partners Arbeit für Exit. Groß gedacht seien diese Beispiel zwar nicht, sagt OMD-Chef Oliver Stroh, der in der Media-Jury saß, aber dennoch überzeugend gewesen. Nur: "Anderswo denken sie eben noch integrierter." Stroh führt die Weihnachtskampagnen von John Lewis an, Sainsbury’s "Sharing the gift of reading" und Channel 4 "Humans". "Da haben wir noch viel zu tun", sagt Stroh.
Und groß war natürlich der Grand Prix in der Kategorie, „McWhopper“ hat sich diesen Preis verdient. Angefangen hatte alles mit einer Anzeige, in der Burger King McDonald’s ein Friedensangebot machte, die Story ist gemeinhin bekannt. Daraus wurde eine integrierte Kampagne, die immer wieder neu justiert und adaptiert werden musste, sobald McDonald’s reagierte. Die Konsumenten waren stets involviert. "Das war wirklich ein Game Changer", sagt Media-Jurypräsident Nick Waters, CEO von Dentsu Aegis Network. Die Arbeit hat schon Anfang der Woche in anderen Kategorien gepunktet.
Creative Data
Je ein Löwe steht in den Gewinnerlisten von Creative Data und Innovation, in diesem Jahr im Sonderfestival Lions Innovation vereint. Geometry in Düsseldorf gewinnt für Maserati einen Preis in Silber. "Das ist wirklich hartes Geschäft, jemanden zu einer Probefahrt zu bringen", sagt Petra Sammer, Jury-Mitfrau von Creative Data. Sammer arbeitet für Ketchum. Sie mag den Case, der für Deutschland gewonnen hat, weil er so intelligent Data und Kreativität verknüpft. Wie das geht? Maserati hat Kunden, die im Netz nach Mercedes-Benz und BMW gegoogelt haben, einen Chauffeur nach Hause geschickt. Der Fahrer hat sie zum Händler gebracht, dort allerdings erwartete sie eine Maserati-Pobefahrt. Die Idee dahinter: Wer einen BMW begehrt, kann sich auch einen Maserati leisten.
Creative Data ist eine junge Disziplin, es gibt sie erst seit zwei Jahren. Immer geht es darum, Daten kreativ zu nutzen, technische Daten, Nutzerdaten etc. Besonders gut ist das freilich "The Next Rembrandt" gelungen, der auch in dieser Kategorie den Grand Prix gewinnt. "Altes trifft auf Neues", sagt Sammer, der Case habe in Holland eine große Debatte angeregt über die Zukunft von Kunst und ING, der Bank, als Sponsoren des Rembrandt-Museums unheimlich viel Aufmerksamkeit beschert.
Innovation
Last but not least gab es in diesem Jahr wieder mal einen Löwen für Innovation. Den gewinnt Serviceplan München im Verbund mit den Koreanern für die Braille-Smartwatch, die schon in Design einen Löwen gewonnen hat. Blind eine Smartwatch bedienen können - das hat die Jury beeindruckt. Thjnks "Mission to the Moon" für Audi hat es nicht zum Titel geschafft, was, wie Jurypräsident Emad Tahtouh von Finch erklärt, vor allem daran lag, dass der Bezug zur Marke zu schwach gewesen sei. "Wenngleich auch die Produktinnovation selbst unglaublich innovativ gewesen ist." Thjnks Arbeit war als Favorit ins Rennen gegangen.
Der Grand Prix in dieser Kategorie geht an Google Deepmind London und "Alphago":
Mit 58 Löwen haben Deutschlands Agenturen zur Halbzeit deutlich mehr Löwen gewonnen als im vergangenen Jahr. Der Zuwachs an Kategorien macht’s möglich. Ob sie am Ende allerdings mehr als 74 Auszeichnungen holen werden, ist fraglich. Freitag und Samstag gibt es noch Chancen. Dann vergibt das Festival Löwen für Entertainment, Musik und in den Königsdisziplinen Titanium, Integrated, Film Craft und Film - traditionell keine deutschen Stärken.