Cyber hat einen großen Schritt gemacht. Man merke gar nicht mehr, dass es um Technik gehe, sagt Jurypräsidentin Chloe Gottlieb von R/GA. Digitales sei heute so selbstverständlich, alles ist digital, das Markenerlebnis stehe im Vordergrund. Als besonders bemerkenswert stufte die internationale Jury die Arbeiten "The Next Rembrandt" der niederländischen Bank ING (Agentur: JWT, Amsterdam) und „Justino“ von Leo Burnett in Madrid ein. Beide Kampagnen bekommen einen Grand Prix.

"Hier verbinden sich Idee, Handwerk, Technologie, Zeitlosigkeit aufs Schönste", sagt Gottlieb über Justino. Die Spanische Staatslotterie hatte den animierten Charakter für ihre traditionelle Weihnachtskampagne eingeführt und damit Millionen zu Tränen gerührt. Neben einem Spot gab es eine interaktive Anwendung im Netz, die die Jury ausgezeichnet hat.

"The Next Rembrandt", die digitale Kopie eines Rembrandtgemäldes via Datenexegese und 3D-Drucker war der Jury ein Statement wert, das zeigt, wohin die Reise gehen wird. "The Next Rembrandt macht uns ein bisschen Angst“, sagt Gottlieb, "und gerade deshalb ist es so aufregend". Die Frage stehe im Raum, inwieweit Technik Menschen und ihre Kreativität ersetzen könne. Hier entstehe aus Daten heraus etwas völlig Neues, ein Produkt, das noch dazu fast so perfekt gestaltet ist wie ein echter Rembrandt.

Mobile

Fünf Löwen gehen in der Disziplin Mobile über den Rhein, einmal Gold, zweimal Silber und zweimal Bronze. Die Trophäen gewinnen Serviceplan für die Sprachlern-App "Whatsgerman" der hauseigenen Agentur Plan.Net (Gold, Silber) und DDB für Pink Ribbon (Silber, zweimal Bronze).

Mit dem Grand Prix beehrt die Jury das T Brand Studio in New York (The New York Times).

Media

Drei Bronzelöwen wert waren der Media-Jury DDBs Brustkrebsvorsorge für Pink Ribbon (zwei Bronze) und Grabarz & Partners Arbeit für Exit. Groß gedacht seien diese Beispiel zwar nicht, sagt OMD-Chef Oliver Stroh, der in der Media-Jury saß, aber dennoch überzeugend gewesen. Nur: "Anderswo denken sie eben noch integrierter." Stroh führt die Weihnachtskampagnen von John Lewis an, Sainsbury’s "Sharing the gift of reading" und Channel 4 "Humans". "Da haben wir noch viel zu tun", sagt Stroh.

Und groß war natürlich der Grand Prix in der Kategorie, „McWhopper“ hat sich diesen Preis verdient. Angefangen hatte alles mit einer Anzeige, in der Burger King McDonald’s ein Friedensangebot machte, die Story ist gemeinhin bekannt. Daraus wurde eine integrierte Kampagne, die immer wieder neu justiert und adaptiert werden musste, sobald McDonald’s reagierte. Die Konsumenten waren stets involviert. "Das war wirklich ein Game Changer", sagt Media-Jurypräsident Nick Waters, CEO von Dentsu Aegis Network. Die Arbeit hat schon Anfang der Woche in anderen Kategorien gepunktet.

Creative Data

Je ein Löwe steht in den Gewinnerlisten von Creative Data und Innovation, in diesem Jahr im Sonderfestival Lions Innovation vereint. Geometry in Düsseldorf gewinnt für Maserati einen Preis in Silber. "Das ist wirklich hartes Geschäft, jemanden zu einer Probefahrt zu bringen", sagt Petra Sammer, Jury-Mitfrau von Creative Data. Sammer arbeitet für Ketchum. Sie mag den Case, der für Deutschland gewonnen hat, weil er so intelligent Data und Kreativität verknüpft. Wie das geht? Maserati hat Kunden, die im Netz nach Mercedes-Benz und BMW gegoogelt haben, einen Chauffeur nach Hause geschickt. Der Fahrer hat sie zum Händler gebracht, dort allerdings erwartete sie eine Maserati-Pobefahrt. Die Idee dahinter: Wer einen BMW begehrt, kann sich auch einen Maserati leisten.

Creative Data ist eine junge Disziplin, es gibt sie erst seit zwei Jahren. Immer geht es darum, Daten kreativ zu nutzen, technische Daten, Nutzerdaten etc. Besonders gut ist das freilich "The Next Rembrandt" gelungen, der auch in dieser Kategorie den Grand Prix gewinnt. "Altes trifft auf Neues", sagt Sammer, der Case habe in Holland eine große Debatte angeregt über die Zukunft von Kunst und ING, der Bank, als Sponsoren des Rembrandt-Museums unheimlich viel Aufmerksamkeit beschert.

Innovation

Last but not least gab es in diesem Jahr wieder mal einen Löwen für Innovation. Den gewinnt Serviceplan München im Verbund mit den Koreanern für die Braille-Smartwatch, die schon in Design einen Löwen gewonnen hat. Blind eine Smartwatch bedienen können - das hat die Jury beeindruckt. Thjnks "Mission to the Moon" für Audi hat es nicht zum Titel geschafft, was, wie Jurypräsident Emad Tahtouh von Finch erklärt, vor allem daran lag, dass der Bezug zur Marke zu schwach gewesen sei. "Wenngleich auch die Produktinnovation selbst unglaublich innovativ gewesen ist." Thjnks Arbeit war als Favorit ins Rennen gegangen.

Der Grand Prix in dieser Kategorie geht an Google Deepmind London und "Alphago":

Mit 58 Löwen haben Deutschlands Agenturen zur Halbzeit deutlich mehr Löwen gewonnen als im vergangenen Jahr. Der Zuwachs an Kategorien macht’s möglich. Ob sie am Ende allerdings mehr als 74 Auszeichnungen holen werden, ist fraglich. Freitag und Samstag gibt es noch Chancen. Dann vergibt das Festival Löwen für Entertainment, Musik und in den Königsdisziplinen Titanium, Integrated, Film Craft und Film - traditionell keine deutschen Stärken.


Conrad Breyer, W&V
Autor: Conrad Breyer

Er kam über Umwege zur W&V. Als Allrounder sollte er nach seinem Volontoriat bei Media & Marketing einst beim Kontakter als Reporter einfach nur aushelfen, blieb dann aber und machte seinen Weg im Verlag. Conrad interessiert sich für alles, was Werber- und Marketer:innen unter den Nägeln brennt. Seine Schwerpunktthemen sind UX, Kreation, Agenturstrategie. Privat engagiert er sich für LGBTQI*-Rechte, insbesondere in der Ukraine.