Nach welchen Kriterien haben Sie Arbeitgeber selektiert?

Ich habe natürlich gezielt auf New-Work-Buzzwords geachtet, aber genauso auch, wie sich Agentur oder Unternehmen bezüglich Werten und Kultur positionieren.

Und wie verliefen die Gespräche?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele mit genau diesen Buzzwords in der Ausschreibung locken aber dann zurückrudern, wenn es konkret wird. Es gab eigentlich immer Einschränkungen und Sternchentexte. Da ich von Anfang an sehr offen kommuniziert habe, was mir wichtig ist, war schnell klar, wer diese Optionen aus Überzeugung anbietet und wer eigentlich nicht dahintersteht.

Wie haben Sie sich gefühlt?

Desillusioniert. Meine Vorstellung und die Realität gingen doch ziemlich weit auseinander. Ich habe die Entwicklung von New-Work-Themen immer gespannt verfolgt und war entsprechend zuversichtlich, dass diese Themen auch in meiner Branche angekommen sind…

Ihnen ist Home-Office wichtig. Was heißt das genau?

Einerseits bedeutet Home-Office für mich knapp vier Stunden täglich, die ich nicht unterwegs bin und somit mehr Freizeit habe. Anderseits kann ich zu Hause eine Arbeitsatmosphäre schaffen, die für mich perfekt ist. Ich habe hier absolute Ruhe, um fokussiert meine Tasks zu machen, schaue vom Schreibtisch aus auf Wald und Wiesen. Gleichzeitig bin ich virtuell mit meinem Team verbunden und kann ganz genauso arbeiten, als wäre ich vor Ort.

Wie interpretieren Agenturen oft "Home-Office".

Ein Home-Office-Tag ist ein Tag, an dem der Klempner kommt, man einen Arzttermin hat oder zum Amt muss. Also eine Ausnahme und in der Praxis eher nicht gewünscht. Mein Wunsch nach einem Tag Home-Office pro Woche war dementsprechend für die meisten keine Option. Geschweige denn zwei Tage. Dort wo es möglich gewesen wäre, ist es ein Privileg für Senior-Positionen und wird somit auch nicht konsequent gelebt. Mir wurde tatsächlich auch mehrmals vorgeschlagen, dass ich doch einfach eine 4-Tage-Woche machen solle, dann könne ich ja einen Tag zuhause bleiben.

 Und wie lautete die Begründung?

Es gab viele Argumentationen, aber sie lassen sich in zwei Lager aufteilen. Die einen vertrauen dir nicht. Unvorstellbar, dass man seinen Job auch unbeobachtet und in einer selbstgewählten Arbeitsatmosphäre genauso gut – wenn nicht sogar besser – macht. Mitarbeiter können schließlich nur geführt werden, wenn man täglich acht Stunden ein Auge auf sie hat. Und kollaborativ arbeiten kann man erst recht nur aus dem Büro. Die anderen vertrauen der Technik nicht. Flächendeckendes Internet, Cloud-Dienste und mehr Kommunikationskanäle als einem lieb sind – kaum vorstellbar für eine Führungsetage, die sich noch an den wenigen Relikte ihrer beruflichen Vergangenheit festklammert.

Ist das für Sie nachvollziehbar?

Natürlich nicht. Zum einen kann ich nicht verstehen, warum man Mitarbeitern, die man doch bewusst aufgrund ihres Talents eingestellt hat, nur so weit vertraut, wie man sie sehen kann. Ich glaube fest daran, dass Teams sich mit dem nötigen Verantwortungsgefühl und passenden Tools sehr gut eigenverantwortlich und räumlich / zeitlich flexibel organisieren können. Es ist kein Geheimnis, dass Menschen, die ihre Arbeit flexibel und selbstbestimmt gestalten können, mehr Motivation und eine höhere Leistungsfähigkeit aufweisen. Zum anderen sind die aus einer Präsenzkultur stammenden Arbeitsabläufe und Ansätze größtenteils obsolet und müssen hinterfragt werden. Kollegen und Kunden sind immer internationaler, sie sitzen nicht selten in einem anderen Land oder in anderen Zeitzonen. Eine vernetzte Zusammenarbeit ist dank Digitalisierung, passender Tools und damit einhergehend zeitlicher und räumlicher Flexibilität problemlos möglich.

Da Sie pendeln – wie war die Einstellung zu mobilem Arbeiten?

Wo Home-Office ein schwieriges Thema war, war an mobiles Arbeiten erst recht nicht zu denken.

Woran liegt das?

Wie beim Home-Office ist der Mitarbeiter auch beim mobilen Arbeiten – zumindest in der Wahrnehmung mancher – nicht mehr so greifbar, da er ja nicht am Schreibtisch sitzt. Dabei ist das doch der große Vorteil. Im Büro ist man zwangsläufig Ablenkungen ausgesetzt, wird ad hoc von Kollegen in Themen involviert und bei seinen eigenen Aufgaben viele Male täglich unterbrochen. Besonders produktiv kann ich tatsächlich aus dem Home-Office und Zug arbeiten. Und greifbar bin ich ja sowieso.

Gab es Unterschiede zwischen inhabergeführten und Networkagenturen?

Nein, nicht wirklich. Technisch am besten aufgestellt für Home-Office waren die größeren inhabergeführten Agenturen und Networkagenturen.

Klingt so, als würden manche Agenturen nicht leben, was sie vollmundig vorgeben.
Themen wie Home-Office sind untrennbar mit der Unternehmenskultur verbunden. Und auch hier geht es um Authentizität. Was auf der Website steht und wie es in der Praxis aussieht sind leider oftmals zwei verschiedene Paar Schuhe. Das ganze Konzept New Work wird viel zu selten aus echter Überzeugung umgesetzt, aber das merkt man dann auch recht schnell.

Seltsam, denn gleichzeitig klagen viele, dass sie nicht genügend Talente finden.

Vielleicht sind manche Arbeitnehmer bis zu einem gewissen Punkt kompromissbereit, wenn ansonsten das Gesamtpaket stimmt – das sind aber vielleicht auch nicht unbedingt immer die besten Leute. Je mehr Erfahrung man sammelt, desto mehr stellt man doch seine Arbeitsweisen in Frage, um besser zu werden. Wenn ein Arbeitgeber diese individuellen Bedürfnisse nicht erkennen möchte, dann ist das ein selbstverschuldeter Verlust.


Peter Hammer
Autor: Peter Hammer

Er begleitet seit vielen Jahren redaktionell die Agentur-Branche, kennt noch die Zeiten, als Werbung "sexy" war und mancher Protagonist wie ein Popstar gefeiert wurde. Das Hauptaugenmerk gilt aktuell den Themenfeldern "Agenturstrategie" sowie "Etats & Pitches". Vor allem interessieren ihn innovative Geschäftsmodelle und Konzepte, mit denen die Branche erfolgreich auf die permanenten Veränderungen in der Kommunikation reagieren kann.