Genauso unerklärlich wie ihre Teilnahme an einer für sie überflüssigen Diskussion ist ihr Betragen gegenüber Peer Kusmagk, der vermutlich nur deswegen in der Runde saß, weil das RTL-Format "Dschungelcamp" am selben Tag für den Grimme-Preis nominiert worden war. Auch wenn sie das "Dschungelcamp" häufig selbst geschaut habe, Sass ließ keine Chance verstreichen, ihrer Abneigung Ausdruck zu verleihen. Die Schauspielerin redete sich minutenlang in Rage, legte Kusmagk sogar nahe, das Studio zu verlassen, und ließ sich vom überfordert wirkenden Lanz nicht bremsen. Karl Dall schaffte es schließlich, die Schauspielerin durch eine seiner vielen sarkastischen Bemerkungen etwas milder zu stimmen. Sowieso war es der Entertainer, der dem Zuschauer trotz seiner Rolle als Klassenclown in der grotesken Runde als einziger ernstzunehmender Teilnehmer in Erinnerung blieb. Denn auch Matthias Matussek mit seinen interessanten Einblicken in journalistische Standards vermochte es nicht, auf dem Niveau zu diskutieren, das der Debatte angemessen wäre.

Denn nicht die Begegnung zwischen Rainer Brüderle und Laura Himmelreich steht im Zentrum der Auseinandersetzung. Nicht darüber, wie der "Stern"-Artikel und die Haltung der Journalistin von den Talkgästen interpretiert wird, soll diskutiert werden, sondern vielmehr die Frage, warum Sexismus im alltäglichen Leben noch immer derart präsent ist und wie dem begegnet werden kann. Vor allem aber sollte sich diese Diskussion vollziehen, bevor die Gesellschaft des Themas ob der vielen oberflächlichen Gespräche schon wieder überdrüssig geworden ist.

Weitaus weniger Entgleisungen gab es dann am nächsten Abend, als Lanz erneut zum Sexismus-Gespräch lud. Auch hier durfte man sich bei manch einem der Gäste fragen, aus welchem Grund er denn überhaupt in der Runde Platz nahm. Aber wer weiß, vielleicht schafft es der Moderator im dritten Anlauf zu mehr Inhalt. Getreu dem Motto "Aller guten Dinge sind drei" soll es noch einmal um Sexismus gehen, "ein Thema, das uns mit Sicherheit weiter beschäftigen wird", wie Lanz am Ende seiner zweiten wenig aufschlussreichen Diskussion feststellte. Für die kommende Sendung ist "Stern"-Chefredakteur Andreas Petzold als Gast angekündigt. (kh)

Ein wenig besser in die Diskussion kamen Anne Will und ihre Gäste am Mittwoch in der ARD. Die Sendung hatte im Gegensatz zum Lanz-Potpourri auch einen Titel: "Sexismus-Aufschei - hysterisch oder notwendig?" Die Diskussionsteilnehmer und das Thema hatte Anne Will, das war bereits nach wenigen Minuten offenbar, deutlich besser im Griff als die Kollegen Lanz und Jauch. Wohl auch, weil Will klarer durchgriff, nachhakte und zusammenfasste als Günther Jauch - und weil sie deutlich wohlerzogenere Gäste hatte als Lanz. Mit Will diskutierten Renate Künast (Die Grünen), die Piratin Anke Domscheit-Berg, Heiner Geißler (CDU), Journalist Jan Fleischhauer ("Spiegel") und Monika Ebeling, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Goslar.

Dennoch geriet die sehr ernsthafte Diskussion zunächst in Gefahr, zu viele Baustellen anzufangen, ohne zu Ergebnissen zu kommen. Fleischhauer schwadronierte von Cybermobbing, Ebeling von Männern als Opfer der modernen Gesellschaft, plötzlich geht es aufgrund der Facebook-Affäre Friedrich um Datenschutz und Stalking, Geißler verzettelte sich häufig, brachte häusliche Gewalt und die Chancengleichheit an Unis und im Beruf ins Spiel und beharrte darauf, Männer seien keine Opfer, während sich Ebeling ebenda einzementierte. Dass die Wahrheit in der Mitte liegt, konnten beide nicht mehr einräumen und gaben damit ihre Glaubwürdigkeit preis, während der Rest der Runde, allen voran Künast und Domscheit-Berg, tapfer darum rangen, die Sexismus-Debatte geschlechtsneutral zu führen.

Dennoch schaffen es ein paar wichtige Beiträge in die Runde. Nach zwei Video-Einspielern (eine anonyme Frau im Bundestag erlebt Sexismus täglich; im Hotelgewerbe ebenfalls Teil des Berufsbildes) wird es beinah konstruktiv: Was müsse sich ändern? Außer Diskussionen seien auch strukturelle Veränderungen nötig, Anlaufstellen für Sexismusopfer brauche es und Vorgesetzte, die ihre Mitarbeiter unterstützen.

Immerhin, es habe sich bereits einiges geändert im Lande, ganz umsonst war die Frauenbewegung wohl nicht, obwohl "Spiegel"-Mann Fleischhauer findet, wehren könnten sich die Frauen ja wohl trotzdem noch nicht, sonst würden sie ja jedem, der sie in der U-Bahn anfasst, einfach eine runterhauen.

Domscheit-Berg glaubt dagegen an die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema - wenn wir diese sorgfältig führten. Was dieser nun eigentlich fehlt, ist das Nach-vorne-schauen: Was ist denn konkret zu tun? Wie soll der Umgang der Menschen miteinander aussehen, wie gelangen wir zu gegenseitigem Respekt? Hoffen wir, die nächste Talkrunde diskutiert Handlungsschritte, Regeln, Änderungsvorschläge. Künast machte den Anfang und schlug vor, Unternehmen müssten eine andere Kultur entwickeln, es brauche Schulungen, mehr Frauen in Führungspositionen und mehr Druck seitens der Gewerkschaften auf Arbeitgeber, damit die ihre Fürsorgepflicht wahrnehmen. Das wäre doch schon mal ein Anfang. (sh)

Von Ebeling lernt der Zuschauer ein tolles neues Wort: Männer sind "verletzungsoffener" geworden, weil sie sich verändert haben. Und darum Opfer. Was stimmt, und darum unternehmen viele den Versuch, die Debatte geschlechtsneutral zu führen. Stichwort: Gleichberechtigung.

Die Hochspringerin Ariane Friedrich machte den Namen eines Facebook-Stalkers öffentlich und sah sich einer Hasskampagne ausgeliefert.

Gewalt als Lösung? Weiß ich, wie der Mann (vielleicht wörtlich) zurückschlägt? Muss ich nicht erst ganz ganz sicher sein, dass das wirklich Absicht war? Und das in Sekundenbruchteilen entscheiden? Nein, danke!