DJ Upstart und die Schweigeminute: Warum die Gema sich selbst ins Aus schießt
Die Gema am Pranger: Die EU-Kommission plant eine Entmachtung, gleichzeitig steht die neue Tarifreform der Gema unter massiver Kritik der Diskothekenbetreiber. Die Clubbetreiber gehen auf die Barrikaden. W&V sprach dazu mit DJ Upstart, Mitbegründer des Techno-Clubs "Ultraschall" und seit 2005 einer der Clubbesitzer der "Roten Sonne" in München.
Die Gema steht am Pranger. Erst am Mittwoch hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über kollektive Rechteverwertung in der EU vorgelegt. Sie soll in der EU die Organisation und Transparenz von Verwertungsgesellschaften wie der Gema modernisieren und die Lizenzierung von Online-Musik vereinfachen. Damit hätten es Musiksammler, aber auch Film-und Bücherfans, die bei iTunes oder Spotify downloaden, künftig wesentlich leichter. Gleichzeitig versetzt die Gema seit vorletzter Woche das deutsche Nachtleben in Aufruhr: Sie will eine Tarifreform durchsetzen, die für die Diskotheken eine bis zu 1000-prozentige Erhöhung der Beiträge an die Gesellschaft für musikalische Aufführungs-und mechanische Vervielfältigungsrechte bedeuten würde. Die Clubbetreiber gehen auf die Barrikaden. W&V sprach dazu mit Peter Wacha alias DJ Upstart. Als Labelgründer (Disko B, Chicks on Speed Records), Betreiber des Kult-Plattenladens Optimal, Mitbegründer des Techno-Clubs "Ultraschall" und seit 2005 einer der Clubbesitzer der "Roten Sonne", alles in München, blickt er auf über zwanzig Jahre Gema-Erfahrung zurück.
W&V: Aktuell herrscht Proteststimmung in der Clubszene. Grund ist die angekündigte Tariferhöhung der Gema. Was ärgert dich als Clubbetreiber genau?
Peter Wacha: In erster Linie die herablassende, provokante Art und Weise, wie die Gema gegenüber den deutschen Clubbetreibern ihr neues Tarifmodell durchsetzen will. Nachdem der Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) angeblich keine Gesprächsbereitschaft signalisiert hat, die Gema wollte die Clubabgabe auf zehn Prozent des Eintrittspreises erhöhen, kündigte die Gema im Alleingang eine Neuregelung der Tarife zum ersten Januar 2013 mit Steigerungsraten der Urhebervergütung zwischen 600 und 1500 Prozent an.
Wie sind die Gema-Kosten bisher geregelt?
Diskotheken zahlen eine monatliche Vergütungspauschale an die Gema, die die Wiedergabe von Tonträgern durch DJs abdeckt. Je nach Raumgröße und durchschnittlichem Eintrittspreis. Live-Konzerte müssen darüber hinaus extra abgerechnet und abgeführt werden. Ich glaube, die wenigsten hätten etwas gegen eine maßvolle Erhöhung der Disko-Pauschale.
Nun sind aber 600 bis 1500 Prozent kein Pappenstiel. Was bedeutet der Gema-Vorstoß für die Clubbesitzer konkret?
Für viele wäre diese maßlose Erhöhung existenzbedrohend. Clubs die gut laufen, könnten sicherlich die Kosten auf die Eintritts- oder Getränkepreise umlegen. Positiv zu bewerten ist, dass sich dadurch erstmals bundesweit die Clubs solidarisieren und eine überwältigende E-Pedition auf den Weg gebracht wurde.
Ist durch die neue Regelung ein Clubsterben zu befürchten?
In strukturschwachen Regionen sicherlich. Auch viele Clubs, die wie wir ein anspruchsvolles Musikprogramm verfolgen, sind bedroht, dort ist die Gewinnmarge ohnehin schon verschwindend gering.
Trifft es dabei alle Clubs gleichermaßen?
Soweit ich informiert bin, werden die Großdiskos stärker belastet.
Was heißt das für die Rote Sonne und ihre Gäste?
Eine Modellrechnung hat gezeigt, dass wir den Eintrittspreis um circa zwei Euro erhöhen müssten. Diverse Live-Konzerte, diese Tarife sollen auch erhöht werden, dürften sich nicht mehr rechnen. Da sie das oft eh nicht tun, finanzieren wir sie jetzt schon quer über die Einnahmen aus dem Diskobetrieb.
Aus Protest gegen die Gema haben die Clubs am Wochenende Schweigeminuten eingelegt und die Musik unterbrochen. Wie haben die Gäste reagiert?
Zum Großteil gelassen und oft bereits informiert. Vom Personal wurden Infoblätter verteilt. Natürlich war die Freude groß, als die Musik wieder einsetzte.
Was habt ihr euch von der Aktion erwartet?
Wir versuchen eine breite Solidarisierung zu erreichen, um damit Druck auf die Gema und Politik auszuüben und dieses Horrorszenario abzuwenden.
Wer hat den Protest initiiert?
Das Aktionsbündnis kultur-retten.de, sowie verschiedene regionale Zusammenschlüsse wie die Clubcommission in Berlin oder der VDMK (Verband der Münchner Kulturveranstalter) in München.
Der Protest gilt aber nicht der Gema als Institution?
Nein. Eine Institution wie die Gema, die für die Rechte der Urheber, also der Musikschaffenden, eintritt und deren Existenz mitabsichert, ist uns genauso wichtig wie eine prosperierende Clubkultur, wie sie hierzulande existiert. Der weltweite Siegeszug deutscher Clubmusik wäre ohne diese Keimzellen nicht möglich geworden. Allein schon ein Grund partnerschaftlich umzugehen, das sollte auch für einen Monopolisten wie die Gema gelten.