Bundespresseball:
Flüchtlingssatire erntet Proteste
Das Satiremagazin "Almanach", das den Bundespresseball jährlich begleitet, ging heuer baden: Im "Almanach" 2016 ging es um Schwimmkurse für Flüchtlinge im Mittelmeer. Das fanden die meisten Anwesenden nicht lustig.
Eine zum Bundespresseball erschienene Satire über Schwimmkurse für Flüchtlinge im Mittelmeer hat Wirbel unter den Hauptstadtjournalisten ausgelöst. Im "Almanach" zum jährlichen Treff für Presse und Politik bietet eine angebliche "Bundesbade-Agentur" unter anderem "Baby-Flüchtlingsschwimmen (ab 3 Monate) und "Vorschul-Flüchtlingsschwimmen (ab 3 Jahre)" an, "mit Festhalten an Treibgut, Tauchen bei hohem Wellengang, Springen vom Schlauchbootrand und Atemtechniken bei Nacht und Kälte".
Eine Karte zeigt das Mittelmeer als Schwimmschule. Am Presseball nahm voriges Wochenende unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck teil.
Korrespondenten großer Medien verurteilten im Kurznachrichtendienst Twitter die Satire-Aktion. Der Vorstand der Bundespressekonferenz kündigte für Mittwochnachmittag eine Stellungnahme an. "Süddeutsche Zeitung"-Korrespondent Robert Roßmann bezeichnete die Broschüre als "menschenverachtend".
Zahlreiche Politiker und Pressevertreter stimmten ein. Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter schrieb dazu: "So viel Zynismus und Menschenfeindlichkeit macht fassungslos." Reante Künast twitterte: Das ist echt geschmacklos." Medienjournalistin Silke Burmester: "Der #Bundespresseball ein Fall für den #Presserat." Einige gaben sich sprachlos,
"Satire" im "Almanach" des Bundespresseballs. Menschenverachtend. pic.twitter.com/NKWK1NHHJq
— Robert Roßmann (@RobertRossmann) 29. November 2016
Podcaster Tilo Jung ("Jung & Naiv") verteidigte hingegen die Aktion: "Satire ist Geschmackssache." Über Geschmack wurde in den Antworten zu Roßmanns Tweet viel diskutiert - von "menschenverachtend" bis "Meisterwerk". Manch einer empfand den "Almanach"-Schwimmkurs als zum Nachdenken anregend. "Satire darf wehtun", twitterte ein anderer.
Eine erstes Statement aus der "Almanach"-Redaktion gab in der Nacht zu Mittwoch der Journalist Jens Peter Paul ab. "Tatsächlich ist das Stück ganz bitter und böse. Es ist anstößig. Es war Gegenstand mehrerer intensiver Diskussionen. Es gefällt mir selbst absolut nicht. Und lustig ist es erst recht nicht. Aber - Überraschung - das soll es auch nicht." Es sei eine Reaktion auf den deutsch-türkischen Flüchtlings-Deal und den massenhaften Tod von Menschen im Mittelmeer.
AKTUALISIERUNG:
Die Bundespressekonferenz hat sich für die Satire entschuldigt. Der Vorstand bedauere, dass "mit diesem Beitrag Gefühle und Wertvorstellungen verletzt worden" seien, steht in einer Erklärung aus Berlin vom Mittwoch. "Dafür bitten wir um Entschuldigung."
Der Beitrag sei "im Vorfeld kontrovers diskutiert" worden. "Es war die Absicht der Autoren, in überspitzender Form auf die Katastrophe von Tausenden von Toten im Mittelmeer aufmerksam zu machen und zur Diskussion über das Schleusertum anzuregen. In einer redaktionellen Endabstimmung haben Herausgeber und Redaktion mit Mehrheit entschieden, dass dieser Beitrag die Grenzen der Satire zwar austestet, aber nicht überdehnt."
W&V Online/mit dpa