Kartellrechtlich sei es sicher unbedenklich, dass die Funke Mediengruppe die Springer-Traditionszeitungen übernehmen wolle, sagt Müsse. Anders bei den reichweitenstarken Programmzeitschriften des Hauses Springer: "Mit der Übernahme von 'Hörzu' oder auch 'TV Digital' rückt die Funke Mediengruppe sicher an Platz eins der Anbieter von Programmies – vorbei an Bauer und Burda. Da wird das Kartellamt ganz genau hinsehen und im Zweifelsfall gegen die Übernahme stimmen", meint Müsse. Und in der Tat: Als erste Reaktion kündigt die Bonner Behörde an, den geplanten Zukauf ganz genau prüfen zu wollen. Noch liege keine Anmeldung beim Bundeskartellamt vor.

Dass Springer ein gutes Geschäft macht – das will Müsse nicht verneinen. Von der Funke-Seite her betrachtet, hat der Manager so seine Zweifel. "Die WAZ-Leute kaufen altes Geschäft. Da werden Banken bei der Kreditvergabe spröde sein", so seine Einschätzung. Unklar sei auch, ob sich der Funke-Verbund finanziell schon davon erholt habe, die Brost-Familie bei der Mediengruppe ausbezahlt zu haben. Auch sei das eine oder andere Objekt aus dem Springer-Print-Paket weniger profitabel: "Nehmen Sie 'TV Digital": Dahinter stehen viele verbilligte Abonnements aus der Kooperation mit Sky", sagt Harald Müsse. Aber vielleicht stehen ja noch andere Zuckerl im Raum; Müsse wäre nicht erstaunt, wenn Springer beim österreichischen Boulevard-Marktführer "Kronen"-Zeitung zum Zuge kommen könnte. Das Verhältnis zwischen WAZ/Funke und "Krone"-Eigner Hans Dichand gilt seit Langem als zerrüttet. Immer wieder wurde über einen Verkauf des 50-Prozent-Anteils der Funke Mediengruppe spekuliert. Harald Müsse fragt sich: "Die ‚Krone‘ würde sich wunderbar in die neue Springer-Strategie einfügen – wer weiß?"

Komplett schwarz für die rund 900 betroffenen Mitarbeiter sieht indes der DJV-Geschäftsführer in Hamburg, Stefan Endter. Er sagt der Nachrichtenagentur "dpa", angesichts der Rationalisierungsmaßnahmen der Funke-Gruppe bei der "WAZ" sei die Sorge um die Sicherheit der Arbeitsplätze bei den Medienobjekten berechtigt. Die Verkaufsankündigung bezeichnet er als "ziemlich katastrophal". Springer gebe seinen Standort Hamburg weitgehend auf, so Endter. Springer entwickele sich zu einem Mischkonzern und verabschiede sich weitgehend von seinem Verlagsgeschäft. In das selbe Horn stößt Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der den Verkauf der ortsansässigen Titel – "Hamburger Abendblatt" und Programmzeitschriften - als Einschnitt bezeichnet. Gleichzeitig warnt der Politiker vor einem Arbeitsplatzabbau: Die Funke-Gruppe habe vor allem mit harten Sanierungsschnitten bei ihren Regionaltiteln Aufmerksamkeit erregt. Ach, ja - auch die FDP meldet sich (mitten im Wahlkampf) zu Wort. Die Bundestagsfraktion sehe die Notwendigkeit wirtschaftlicher Konsolidierung in der derzeitigen Zeitungskrise, bedauere aber den Schritt der Axel Springer AG, so der medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Burkhardt Müller-Sönksen. Beobachter wie Thomas Knüwer malen ein düsteres Bild.

Daniel Höpfner, Geschäftsführer von PressMatrix und E-Publishing-Experte, richtet seinen Blick auf die strategische Bedeutung und nennt den Verkauf der Springer-Traditionstitel "nur konsequent", zumal Springer "der führende Verlag für digitale Inhalte in Europa" werden wolle. Alle drei Publikationen glänzten nicht unbedingt mit einem ganzheitlichen Digital-Konzept. Höpfner fragt: "Und wer soll in Zukunft noch ein gedrucktes TV-Magazin kaufen? Die Kosten, die für die Digitalisierung und Vermarktung anfallen, kann sich Springer nun sparen und hat mit der kolportierten Verkaufssumme von knapp einer Milliarde Euro enormen Spielraum, bestehende Produkte und neue Digitalprojekte voranzutreiben." Klar ist, dass Springer zukaufen und die Familien rund um die Marken "Bild" und "Welt" in Internet und Mobile verankern will.

Rückblende: Verleger Axel Springer war in der Hansestadt 1948 mit der Traditionszeitung "Hamburger Abendblatt" gestartet. Zwei Jahre zuvor hatte er schon die Programmzeitschrift "Hörzu" auf den Markt gebracht. Worauf Springer sein Imperium begründete, gehört künftig zum Konzern rund um die "WAZ", der laut "dpa" den Mitarbeitern per Mail zuruft: "Wir investieren in unsere Zugpferde!!" Mathias Döpfner hat abgestoßen, was die Branche als wenig zukunftsfähig einstuft und hat nun eine volle Kriegskasse für Zukäufe, die stark zukunftsfähig sind. Branchenkenner unken schon, dass sie in Kürze mit der Meldung rechnen, Springer würde groß in die ScoutGruppe mit den Portalen rund um Autokauf oder Immobilien einsteigen. Im Pitch sind die Hamburger jedenfalls.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.