Ein zentrales Ergebnis stützt das Netflix-Geschäftsmodell: Demnach werden Zuschauer zu wahren Fans, "wenn es keine Werbeunterbrechungen mehr gibt und einzelne Folgen nicht mehr nur zu bestimmten Uhrzeiten geschaut werden können, sondern Seriengucker stattdessen eine ganze Staffel nach ihren eigenen Vorstellungen genießen können", wie es heißt. So wurde laut Netflix die Schlüsselfolge, also die, nach der die Zuschauer von einer Serie angefixt waren, als die Folge definiert, nach der mindestens 70 Prozent der Zuschauer anschließend den Rest der gesamten ersten Staffel schauten. Dann spricht man vom Phänomen "Binge Watching" – dem Dauersehen von Serien, meist über Video on Demand.

Einschränkend gilt zu sagen: Die erhobenen Daten konnten zwar die jeweilige Schlüsselfolge einzelner Serien ermitteln, jedoch nicht den genauen Moment, ab dem es für Zuschauer kein Zurück mehr gab. Allerdings gebe es in diesen Schlüsselfolgen einschneidende Szenen, die allen Fans noch in guter Erinnerung seien und einen Wendepunkt in der Erzählung darstellen, heißt es. Beispiel "Breaking Bad": Hier könnte es also der Moment gewesen sein, in dem Jesse und Walt eine Münze warfen, um zu entscheiden, wer von ihnen den Drogenhändler Krazy acht umlegen muss. Als es dann jedoch die zersetzten menschlichen Überreste eines einstigen Drogendealers von Jesses Decke regnete, wollte das Publikum unbedingt wissen, was für ein Ende die Staffel nehmen würde (Folge 2).

Im traditionellen Fernsehen seien die besten Sendeplätze äußerst kostbar. Daher sei die Pilotfolge einer Serie der wohl wichtigste Moment im gesamten Serienablauf, betont Ted Sarandos, Chief Content Officer von Netflix. Oft müssen Serien im TV schon nach wenigen Ausgaben ihren Dienst quittieren. Er kommentiert das Ergebnis der hauseigenen Analyse so:

"Unsere Analysen des Zuschauerverhaltens für über 20 Serien in 16 verschiedenen Märkten haben jedoch gezeigt, dass niemand bereits nach der Pilotfolge ein überzeugter Anhänger der Serie war. Dies stärkt unsere Zuversicht, dass die Bereitstellung von sämtlichen Folgen auf einmal der Bildung von Fangemeinden besser entgegenkommt."

Marta Kauffman, Showrunner der Serie "Friends" und des Netflix-Originals "Grace & Frankie", kehrt den Vorteil des Streamings heraus: "Wenn man eine Serie für Netflix erschafft, stellt sich ein einzigartiges Gefühl der Vertrautheit ein. Das Wissen, dass man die ungeteilte Aufmerksamkeit der Zuschauer genießt und dass diese die jeweiligen Charaktere in ihrem Zuhause willkommen heißen, gestattet uns, die Entfaltung der Handlungsstränge in einem natürlicheren Tempo zu vollziehen."

Zur Methodik: Die Daten wurden nach Angaben des Streaminganbieters aus Mitgliederkonten erhoben, über die die erste Staffel der jeweiligen Serie in Brasilien, Belgien, Kanada, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Mexiko, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, dem Vereinigten Königreich und den USA zwischen Januar 2015 und Juli 2015 und im Falle von Australien und Neuseeland zwischen April 2015 und Juli 2015 angefangen wurde. Die Schlüsselfolgen wurden zunächst getrennt nach Ländern ermittelt und dann in einen Durchschnittswert umgerechnet, um die globale Schlüsselfolge zu ermitteln.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.