Kooperation:
NSU-Prozess ab Januar als Film im Netz
Dokument der Zeitgeschichte: Der Bayerischer Rundfunk, das SZ-Magazin und Ufa Fiction verfilmen gemeinsam die NSU-Gerichtsprotokolle. Ab Januar ist der Film online zu sehen.
Bald zwei Jahre schon dauert der NSU-Prozess, der wohl wichtigste deutsche Strafprozess seit der Wiedervereinigung. Journalisten dokumentieren die bisher 172 Verhandlungstage, auch die Gerichtsreporter des Bayerischen Rundfunks (BR), der ARD, der "Süddeutschen Zeitung" und des "SZ-Magazins" sind im Saal 101 des Oberlandesgerichts München präsent. Sie berichten, wie der rechtsextreme Terror des NSU ("Nationalsozialistischer Untergrund") zehn Jahre lang unentdeckt bleiben konnte, warum die Ermittler versagten, wie die Opfer mit ihrem Leid zu leben versuchen und wie sich mögliche Helfershelfer vor Gericht verhalten.
Weil es im deutschen Strafprozess kein offizielles Wortlautprotokoll gibt, schreiben die Reporter von Anfang an mit. Der Bayerische Rundfunk veröffentlicht die Protokolle der "wichtigsten Tage" bereits regelmäßig online unter br.de/nsu-protokolle. Um einem breiten Publikum den Verlauf des Prozesses zugänglich zu machen, wurden nun die Protokolle des zweiten Jahres im Auftrag des BR als eine Gemeinschaftsproduktion mit dem SZ-Magazin, der Ufa Fiction und der Filmakademie Baden-Württemberg unter der Regie von Soleen Yusef verfilmt. Der Film "Der NSU-Prozess. Die Protokolle des zweiten Jahres" ist 1:52 Stunden lang. Er wird am 1. Januar 2015 ab 16.00 Uhr im Netz veröffentlicht, zeitgleich unter br.de/nsu-protokolle und sz.de/nsu-protokolle. Dort sind bereits ausgewählte Szenen aus dem Film, Gerichtszeichnungen und wichtige Szenen des vergangenen Prozessjahres in einer Web-Dokumentation zu sehen.
Da während der Verhandlung im Gericht nicht gefilmt werden darf, hat das SZ-Magazin den englischen Gerichtszeichner George Butler beauftragt, den NSU-Prozess im Bild zu dokumentieren. Seine Zeichnungen sind Teil des Films. Grundlage sind die Mitschriften der SZ-Magazin-Autoren Annette Ramelsberger, Tanjev Schultz und Rainer Stadler. Der "Originalton NSU-Prozess" wird mit verteilten Rollen von den vier Schauspielern Judith Zykan, Franziska Benz, Johannes May und Thomas Zerck gelesen. Gedreht wurde in einer theaterähnlichen Szenerie, und zwar "bewusst dokumentarisch, um der Szene und der Atmosphäre im Gerichtssaal möglichst nahe zu kommen", heißt es in einer BR-Mitteilung. Und weiter: "Die zitierten Aussagen der Zeugen, der Angeklagten, der Opfer, der Angehörigen sprechen für sich: oft beklemmend, manchmal zermürbend banal, gelegentlich erschreckend böse."
Bettina Reitz, Fernsehdirektorin des Bayerischer Rundfunk, erklärt die Intention: "Nur 50 Zuschauer haben außer Nebenklägern, Anwälten und Medienvertretern an jedem Tag des NSU-Prozesses Platz im Gerichtssaal. Deshalb erklären wir ausführlich den Fortgang des Prozesses in unseren Nachrichten. Filmische Mittel haben aber noch eine andere Kraft, sie machen den Prozess unmittelbar erlebbar und erinnern an die Leiden der Hinterbliebenen und der NSU-Opfer."
Webdokumentation über die Protokolle des NSU-Prozess im ersten Jahr: