Blattkritik und Interview zum Weka-Neustart:
Voll "gefläscht" von "Smart Woman"
Weka wendet sich mit einem Magazin über Technik an Frauen ab 50. Eine Blattkritik zum mutigen Konzept - und ein Gespräch mit Chefredakteur Jörg Hermann.
Also, eins mal vorweg: Die Zielgruppe, die der neue Titel "Smart Woman" ansprechen will, gibt es bestimmt – die flotte Best Agerin ab 50, die jetzt endlich auch auf ein Smartphone umsteigen oder sich ein Tablet gönnen will. Die aber nicht so recht weiß, wie das alles geht mit diesem digitalen Kram. Diesen Frauen will das Magazin aus dem Hause Weka - sonst eher im Computer- und Foto-Segment unterwegs - den Einstieg erleichtern.
Um die Hemmschwelle möglichst niedrig zu halten, haben die Blattmacher dafür die Optik einer klassischen Frauenzeitschrift gewählt. Und locken – neben dem Hauptthema Smartphone – auf dem Cover mit Themen wie "Fit in den Sommer" und "Besser schlafen".
Beim Durchblättern wird allerdings schnell klar, dass der Schwerpunkt von "Smart Woman" (Preis: 3,90 Euro) tatsächlich im Digitalbereich liegt; Fitness- und Schlaftipps nehmen einen eher untergeordneten Stellenwert ein. Noch schneller bemerkt man, dass die Redaktion sich nicht so richtig festgelegt hat, wen sie denn nun genau ansprechen will: die völlig unbedarfte Neueinsteigerin? Die Durchschnitts-Userin, die mit der Bedienung klar kommt, aber keine tieferen Einblicke in die Technik hat? Oder doch auch die Fortgeschrittene, die eigentlich keine Hilfe braucht, aber über Top-News und –Geräte auf dem Laufenden gehalten werden will?
Der Spagat, den das Heft versucht, ist breit – vielleicht etwas zu breit. Die Beiträge reichen von den allerersten Schritten ("Das ist ein Notebook" oder "So sieht ein Notebook aus") bis hin zu Anleitungen, mit denen wohl eher diejenigen etwas anfangen können, die schon weiter sind ("Bei Skype können Sie sich auch über Facebook anmelden"). Am ehesten bedient das Heft wohl Frauen, die die Grundbegriffe beherrschen, aber sich an Dinge wie Skypen oder das Ausdrucken von Papierfotos im Drogeriemarkt noch nicht herangetraut haben.
Die relativ umfassende Ansprache birgt natürlich auch Gefahren: Die absoluten Beginnerinnen können sich zwischendurch überfordert fühlen, die Könnerinnen gelangweilt. Letztere werden wohl auch das (durchaus nützliche!) Glossar am Ende des Magazins streckenweise eher unfreiwillig komisch finden, insbesondere die Hilfe bei der Aussprache von Begriffen: "Fläsch-Speicher", "Buckmark", "Hohmpäjdsch".
Fazit: wWenn sich die Redaktion noch ein bisschen stärker entscheidet, welche der Teilzielgruppen sie nun genau anpeilt und auch im Innenteil eine vielleicht etwas weniger PC-Magazin-mäßige Optik wählt, könnte "Smart Woman" durchaus eine dauerhafte Begleiterinetwas werden.
Zum mutigen Konzept von "Smart Woman" hat W&V-Autorin Susanne Herrmann Chefredakteur Jörg Hermann befragt.
Herr Hermann, warum die Zielgruppe Frauen 50 bis 65? Die schien ja bislang, so suggeriert es das Kiosk-Angebot, nur Königshaus-Klatsch, Rätseln und Kochrezepten zugänglich und weniger technischen Themen?
Genau aus diesem Grund haben wir uns für das Magazin entschieden. Aus Gesprächen mit Volkshochschulen und anderen Bildungseinrichtungen wissen wir, dass insbesondere Frauen ab 50 neu in die digitale Welt einsteigen – sei es mit Notebook, mit Smartphone oder auch Wearables. Diese Zielgruppe wird jedoch medial allein gelassen. Das wollen wir mit "Smart Woman" ändern und in verständlichen Worten als Wegweiser in die digitale Welt dienen.
Wie haben die Werbekunden reagiert – wer ist dabei?
Für die Werbekunden ist die Zielgruppe hochattraktiv, da sie sehr kaufkräftig und markentreu ist. So lassen sich Frauen im Gegensatz zu den klassischen technikaffinen Zielgruppen vor allem über Print erreichen. Daher freuen wir uns, in der ersten Ausgabe mit der Telekom Computerhilfe und dem Hörgerätehersteller GN Resound zwei tolle Werbepartner gefunden zu haben, die sich auch längerfristig engagieren wollen.
Wie erreicht man die technikaffinen Frauen dieser Altersgruppe und mit welchen Themen?
In erster Linie versuchen wir die technikaffinen Frauen mit der richtigen Positionierung im Handel zu erreichen. "Smart Woman" liegt am Kiosk bei Titeln wie "Donna" oder "Myself". Außerdem adressieren wir die Zielgruppe über Anzeigen in passenden Zeitschriften, wie "Aktuell für die Frau", oder den Arztromanserien von Bastei Lübbe. In erster Linie wollen wir aber durch die Themen überzeugen.
Von den Volkshochschulen wissen wir, dass gerade Praxistipps rund ums Smartphone den höchsten Zuspruch haben. Daher ist das in unserer Ausgabe auch das Titelthema.
Gibt es diese Leserinnen tatsächlich? Dem Internet zum Beispiel scheint sich gerade diese Altersgruppe am ehesten fernzuhalten, wenn man die Nutzerzahlen anschaut.
Die Leserinnen gibt es. Und das ist nicht nur unsere Hoffnung, sondern das wissen wir durch Gespräche und Umfragen bei Volkshochschulen, Evangelisches Bildungswerk, etc. sehr genau. Kurse, die für ein erfahrenes Publikum Einstiegshilfen in die digitale Welt geben, sind mehr als ausgebucht. Der Frauenanteil in diesen Kursen liegt bei fast 80 Prozent. Dass diese Zielgruppe das Internet als Informationsmedium kaum für sich nutzt, ist unsere Chance, sie mit einem Printtitel zu erreichen.
Der erste Eindruck, den das Titelbild weckt, ist recht nah an dem, was die Zielgruppe sonst vorfindet. Weil sie es so will – oder weil Sie nicht mit anscheinend Gelerntem brechen wollen?
Wir wollen mit der Titelgestaltung von "Smart Woman" die Leserinnen in ihrem gewohnten Leserverhalten abholen. Wir bedienen mit Fitness und Gesundheit auch Themen, die sie aus anderen Magazinen kennen. Aber wir bereiten die Themen im Kontext der digitalen Welt auf. Rezepte und Promiklatsch sind ja interessante Themen. Wir erzählen die Geschichten mal anders und zeigen Promi-Newsfeeds und Rezepte-Apps.
Sind Frauen ab 65 Jahren unerreichbar für diese Themen oder ist die Einschränkung auf die Werbekunden zurückzuführen?
70 ist eine Altersgrenze, bei der sich Interessen verändern – gerade auch im digitalen Umfeld. Zwischen 50 und 65 ist eine Frau ja nicht alt, sondern im Gegenteil in allen Belangen noch sehr aktiv. Uns geht es darum, Berührungsängste bei digitalen Themen abzubauen. Die Produkte und Themen sind oft nicht anders als für 40-jährige Männer. Aber die Aufbereitung ist völlig anders.
Jenseits der 70 ändert sich das. Themen wie Ambient Assisted Living bekommen eine stärkere Bedeutung, aus dem iPhone wird das Seniorenhandy. Um ein homogenes Magazin machen zu können, haben wir uns deshalb für die Alterszielgruppe entschieden. Die Definition der Zielgruppe ist also eher redaktionell getrieben, nicht durch den Anzeigenmarkt.
Wir freuen uns natürlich über jede Leserin jenseits der 70, die sich für unsere Themen interessiert.
mp/sh