Warum Kurt Kister nicht "Spiegel"-Chef werden will
Eine Begegnung zwischen zwei Chefredakteuren im SV-Hochhaus: Georg Mascolo, "Spiegel", trifft Kurt Kister, "Süddeutsche Zeitung".
Der Unterschied zwischen den beiden obersten Inhaltshütern von Deutschlands Elitelektüre "Spiegel" und "Süddeutsche Zeitung" war deutlich spürbar: Georg Mascolo, souveräner Magazin-Denker als Chefredakteur des Hamburger Wochentitels, und Kurt Kister, ironisch-kritischer Tagblattmacher als Chefredakteur der "Süddeutschen". Erstmals waren die beiden großen Journalisten gemeinsam in den Ring gestiegen, vor fünf Dutzend ausgewählten Gästen, vor allem Werbekunden und Agenturchefs, um gegeneinander anzutreten. Was dann aber mehr ein Miteinander war. Immerhin ein äußerst unterhaltendes.
Es ging um das Thema Qualitätsjournalismus, über das die beiden wortgewandten Herren da so philosophierten, gute zwei Stunden lang, in der Panorama-Lounge, im 26. Stock des Hochhauses im Münchner Verlagshaus. Und sie gaben sich sehr offen, unverkrampft, selbstkritisch. Wie der "Spiegel "in fünf Jahren aussehe? Nein, da wagte Mascolo keine Prognose. "Ich kann Ihnen noch nicht einmal sagen, wie der 'Spiegel' in zwei Jahren aussehen wird“. Kister sprach gar davon, dass die Tageszeitung jeden Tag neu geboren werde, "Journalismus ohne Veränderung ist nicht denkbar."
Ob sich die Zukunft der beiden Publikationen auf Papier abspiele, schien beiden Chefredakteuren ziemlich egal zu sein. Kurt Kister antwortete mit einer Metapher: "Ich habe einige Anzüge. Darin steckt aber immer derselbe Kerl." Warum diese Anzüge aber so teuer seien, wollte Moderatorin und Geschäftsführerin von Süddeutsche TV, Petra Glinski, wissen. "Die Kunden wollen teure Anzüge!", so Kister. Er verglich sein Medium mit Marken wie Boss, die breitere, anspruchsvolle Zielgruppen habe – auf keinen Fall würde der Vergleich mit Maßanzügen standhalten.
Natürlich ging es auch ums Geld, um den Einfluss des Controlling auf die Verlagswelt. Beim 'Spiegel' wird immer von der Redaktion aus entschieden“, so Mascolo, „nie vom Controlling aus.“ Journalismus dürfe – von der Denke her – nie zuerst ein gutes Geschäft sein. "Wenn man das beherzigt, ist es ein gutes Geschäft“, ist der Spiegel-Macher überzeugt. "Wir glauben an das, was wir machen.“
Und zwar zwischen Stolz und Demut. Wulff, U-Boot-Affäre, Grass-Gedicht, das waren Themen, die mit Stolz genannt wurden. Die mit dem Unwort des Jahres als „Döner-Affäre“ bezeichnete Mordserie betrachtete Mascolo äußerst selbstkritisch – und verwies auf den Medienaufmacher im aktuellen Spiegel.
Ob sich die beiden Top-Nachrichtenjongleure vorstellen könnten, ihren Schreibtisch zu tauschen? Georg Mascolo wollte bislang noch nicht einmal das Gebäude des Süddeutschen Verlags betreten und, na ja, könnte sich höchstens einen Job in zweiter Reihe ausmalen. Kurt Kister gab unverblümt zu, er habe nicht das Zeug, den Job von Mascolo zu übernehmen. Er sei kein Magazintyp, er sei Tagesblattmacher. Das sei ein ganz anderer Job – Journalisten seien eben nicht unbedingt austauschbar. Aber, so Kister weiter, eines würde ihn schon reizen, als Mister Spiegel: da würde man deutlich besser verdienen.