Aber wie konnte es so weit kommen? Erst im Mai vergangenen Jahres übernahm Wichmann alleine die Chefredaktion des "Stern". Der ehemalige "SZ-Magazin"-Chef wurde als der große Hoffnungsträger gefeiert, der der Auflage des wichtigen Gruner+Jahr -Titels wieder neuen Schwung verleihen sollte. Kräftig baute er das Magazin um, verpasste der Zeitschrift eine Blattreform und ein neues Layout. Getrommelt wurde intensiv: Rund 25 Millionen Euro brutto Mediabudget nahm das Unternehmen in die Hand, um das neue Gesicht des Stern in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Jetzt, ein gutes Jahr später, fällt die Bilanz ernüchternd aus. Das millionenschwere Mediabudget ist verbraucht. Die bereits seit Jahren schrumpfende Auflage des Titels ist am Kiosk und bei den Abonnenten weiter gesunken. Bewegte sich der wichtige Einzelverkauf im 2. Quartal 2013 noch bei 217.847 Exemplaren, sank er im 1. Quartal 2014 auf knapp 200.705 Stück - das entspricht einem Minus von 7,8 Prozent. Auch die Abo-Auflage hat weiter Federn gelassen: Sie lag im 1. Quartal 2014 bei 213. 878 Stück. Im 2. Quartal des Vorjahres waren es 229.148 Stück, also noch 6,66 Prozent mehr. Auch das Anzeigengeschäft hat durch den Relaunch kaum Früchte getragen: Es legte in dieser Zeit um brutto 1,05 Prozent zu. Doch die groß erhofften Wachstumssprünge sind ausgeblieben. Die Gesamtauflage im zweiten Quartal lag laut IVW noch bei knapp 770.000 verkauften Exemplaren.

Redaktionsintern herrscht deshalb seit Monaten große Unruhe, wusste der "Kontakter" bereits Anfang Juli zu berichten. Es tauchten Zweifel auf, ob Wichmann mittelfristig der richtige Mann für den Job ist. Gestreut werden Einschätzungen, dass der Journalist kein "Verkäufer"-Händchen besitze, um Henri Nannens "Wundertüte" am Kiosk zu neuem Glanz zu verhelfen. Auch manche Personalentscheidung gilt bisweilen als umstritten. Zuletzt sorgte er mit der Abberufung des Berliner Büroleiters Axel Vornbäumen intern für Unruhe. Bei den Mediaagenturen, so erfragte der "Kontakter", stößt die Blattreform nach dem Kommandowechsel auf geteilte Meinung. "Mehr Kanten und Ecken" beim "Stern" wünscht da so mancher.

An einem weiteren Relaunch wird gearbeitet und in Kürze wird der "Stern" mit seinem Erscheinungstag Donnerstag deutlich stärker auf die Wochenendleser ausgerichtet. W&V geht in der aktuellen Printausgabe vertiefend auf die erneuten Umbauten ein (EVT: 11.08.). Immerhin ist der Titel für G+J einer der wichtigsten Ertragsbringer, dessen Erfolg die Bilanz des Verlags wesentlich mitbestimmt. Der Verlag war nach einer harten Restrukturierung 2013 wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt. Nun lässt vor allem der Anzeigenbereich weiter zu wünschen: Ende Juni lag der kumulierte Brutto-Anzeigenumsatz für Nielsen knapp ein Fünftel unter dem ersten Halbjahr 2013. Wie man es auch betrachtet: Wichmanns "Stern" sinkt.

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Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.