Benedikt XVI.:
Wie die Medien auf den Papst-Rücktritt reagieren
Der erste Rücktritt eines Papstes seit 700 Jahren beherrscht die Medien. Während die Anerkennung seiner Entscheidung und die Analyse der achtjährigen Amtszeit im Vordergrund der Berichterstattung stehen, zeigt sich am Rande auch Polemik.
Nur wenige Menschen hatte Benedikt XVI. über sein Vorhaben informiert, der erste freiwillige Rücktritt eines Papstes seit 700 Jahren sorgt weltweit für Verwunderung. Entsprechend groß ist das Medienecho. Unmittelbar nach der Ankündigung vebreitete sich die Neuigkeit in Windeseile über die sozialen Netzwerke - die typische Polemik der User ließ dabei nicht lange auf sich warten. Einen sarkastischen Ton schlagen am Tag darauf auch einige Zeitungen an, der Blick in die aktuelle Tagespresse zeigt jedoch, dass es sich nur um eine Seltenheit handelt - Anerkennung für die Entscheidung und die Analyse der achtjährigen Amtszeit beherrschen hingegen die Berichterstattung.
Während Benedikt dem Leser am Tag nach der Ankündigung von zahlreichen Titelblättern entgegenblickt, wendet er ihm auf dem "Bild"-Cover mit der Headline "Keine Kraft mehr!" den Rücken zu. Das Boulevardblatt spekuliert sogar darüber, ob nicht das Alter, sondern eine Verschwörung zum Rücktritt geführt habe. Von ein paar satirischen Äußerungen etwa von "Titanic"-Chefredakteur Leo Fischer abgesehen, bewegen sich die Berichte jedoch zwischen der Frage nach einem geeigneten Nachfolger und der Aufarbeitung von Errungenschaften sowie verpasster Chancen während des Pontifikats.
In der britischen Presse zeigt sich die Zweischneidigkeit sehr deutlich: Auf der einen Seite steht die Quality Press, die Benedikt als brillanten Theologen würdigt ("The Times"), sich aber auch kritisch mit der Haltung der Kirche im Missbrauchskandal ("The Independent") auseinandersetzt und die Frage aufwirft, wie die vielfach veralteten Strukturen des Systems Kirche und die Einbahnstraße, in der sie sich befindet, überwunden werden können ("The Guardian"). Demgegenüber pendelt sich das Niveau der Popular Press wie erwartet in der Nähe der polemischen Tweets ein. Die eigentliche Nachricht in einem Artikel von "The Sun" ist etwa die, dass der Papst seinen Lebensabend in einem Kloster verbringen werde - umgeben von Nonnen. Abgerundet wird die Meldung von einer Liste ausgewählter Papst-Witze.
Gehäufte Kritik findet sich in den Blättern der Schweiz. Positive Stimmen zum Rücktritt täuschen laut der "Neuen Zürcher Zeitung" nicht darüber hinweg, dass Benedikt den Menschen fremd geblieben sei, das wird nicht zuletzt am wenig erfolgreichen Besuch in Deutschland und an der Kontroverse um den Holocaust-Leugner Richard Williamson festgemacht. "Le Matin" bezeichnet das Kirchenoberhaupt als wenig glorreich, in "Le Temps" ist die Rede von "falschen Spielchen", "Naivität" und "Enttäuschung".
Sonderausgaben und Themenspecials finden sich auch in der spanischen und französischen Presse zuhauf. Während sich flapsige Bemerkungen wie "das Handtuch werfen" etwa in der autonomen Region Katalonien zeigen, fällt auf, dass die Ereignisse in Frankreich nur halbwegs überraschten ("Le Croix").
Auch im TV ist der Papst-Rücktritt ein gefragtes Thema: Am selben Abend verfolgten 5,13 Millionen Zuschauer (16% Marktanteil) die "Tagesschau", die den Beiträgen über den Pontifex zwei Drittel ihrer Sendezeit widmete. Die Sondersendungen auf ARD und ZDF erreichten jeweils 3,59 und 3,02 Millionen Zuschauer. Phoenix unterbrach nach Bekanntwerden der Nachricht sein Programm, um knapp 13 Stunden über den Rücktritt zu berichten. Weitere Sendungen und Talkrunden für die kommenden Tage sind bereits angesetzt, so diskutiert Sandra Maischberger am heutigen Abend mit Heiner Geißler, Matthias Matussek, dem Jesuitenpater Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg und der früheren SPD-Politikerin und Atheistin Ingrid Matthäus-Meier zum Thema "Wir sind nicht mehr Papst! Ist Benedikt XVI. gescheitert?"