Medientage München:
Wie Print Werte erhalten kann
Wer hat Angst vor Google & Co? Die Verlage offenbar nicht mehr: Auf dem VZB-Spitzenpanel während der Medientage München zeigen sie, wie sie mit Allianzen Paroli bieten. Auch die Politik ist gefordert.
Die Wahrheit ist manchmal bitter. Burdas Vorstand Philipp Welte hat sie in ein hübsches Chart verpackt. Das zeigt: Um 50 Millionen Menschen zu erreichen, dafür haben Printmedien Jahrhunderte gebraucht. Google nur 88 Tage, Angry Birds sogar nur 38 Tage. Und das mit viel weniger Personal und Kosten.
Doch Jammern hilft nichts. Das stellten die Diskussionsteilnehmer beim Spitzenpanel des Verband der Zeitschriftenverlage in Bayern (VZB), das während der Medientage München zusammenkam, fest. Anstatt sich in ihre eigene kleine Welt zurückzuziehen und von guten alten Zeiten zu erzählen, blickten die Manager aus Verlage und Agenturen nach vorne, fest entschlossen.
Verlage kooperieren mittlerweile im Vertrieb und in der Vermarktung. Mit Werbewirkungsstudien wie der "Best for Planning" werden Wirkungsnachweise geführt. Miteinander statt gegegeneinander heißt die Devise: "Wir hauen uns im Regal zwar kräftig auf die Rübe, nutzen aber dasselbe Vertriebssystem", sagte Manfred Braun, Geschäftsführer Funke Mediengruppe.
Braun, der auf eine lange Karriere im Printgeschäft zurückblickt, verwies dazu auf die Anfänge des Verlagswesens. Früher hatte jeder Zeitschriftenverlag seine eigene Druckerei. "Doch dann stellte sich heraus, dass es nicht notwendig ist, in Stahl und Eisen zu investieren, wenn man Papier bedrucken will." Seine Schlussfolgerung: Man muss nicht alles alleine machen.
Im Verbund gegen Google und Facebook
Das Ziel ist klar: Mit dem "Schulterschluss der Zeitschriftenverlage" - so das Motto der Diskussion - will man Google und Facebook ein stärkeres Gegengewicht bilden. Dazu diskutierten außerdem Moritz von Laffert, Herausgeber Condé Nast Deutschland & Vice President Condé Nast International, Florian Haller, Hauptgeschäftsführer Serviceplan, Boris Schramm, Managing Director Group M Competence Center, und Katarzyna Mol-Wolf, Geschäftsführende Gesellschafterin Inspiring Network. Sieben Jahre ist es her, dass die Verlagsmanagerin die Zeitschrift "Emotion" von Gruner + Jahr über ein Management-Buyout gekauft hat. Mittlerweile hat sie zwei neue gegründet: "Hohe Luft" und "Psychologie".
In solchen Nischen liegt großes Potenzial. Mol-Wolfs Magazine haben zwar nur Auflagen, die zwischen 35.000 und 70.000 Exemplaren rangieren. Eine Größenordnung, mit denen sich Großverlage nicht auf den Markt getraut hätten. Doch das ist lange her, als Print noch die Hoheit über Information und Entertainment hatte.
"Wir haben trotzdem großen Spaß an unseren Zeitschriften", sagte die Inspiring-Network-Managerin. Der Markt wäre grau, wenn keine Innovationen stattfinden würden. Investitionen in die Printmarken sei das A&O, um sie wachsen zu lassen und damit gutes Geld zu verdienen. Immer noch. Es gilt bei Print, Werte zu erhalten.
Immer mehr Werbeerlöse gehen flöten
Die Aussichten für den Werbemarkt sehen dabei allerdings nicht so rosig aus. Hatten die Verlage in den 80-er Jahren noch einen Marktanteil am Werbemarkt von 69 Prozent, ist dieser nun auf 30 Prozent geschrumpft. Tendenz sinkend. "Von der Dominanz der 80-er Jahre sind wir im Long Tail des Werbemarktes gelandet", so Welte.
Aufgrund der steigenden Vielfalt an Wettbewerbern aus der On- und Offline-Welt verliert die Werbefläche immer mehr an Wert. Somit schrumpfen die Erlöse. Im kommenden Jahr werden sie dem Burda-Manager zufolge auf unter eine Milliarde Euro gefallen sein.
Sein Vorschlag ist es, sich vom volatilen Werbemarkt unabhängiger aufzustellen. Einen Lösungsweg sieht Mol-Wolf dabei in Bezahlschranken im Netz - doch nur gemeinsam könne man diesen Weg gehen. Ein weiterer Schulterschluss.
Serviceplan-Chef Haller forderte dann noch einen, um die Werbewirkung von Print besser zu untermauern - und daraus letztlich eine neue Wahrheit abzuleiten: Wie viel ist ein Kontakt in Zeitschriften und Zeitungen eigentlich wert? Vielleicht doch sogar mehr angesichts der schnelldrehenden Informationen im Internet, wo Werbung weniger intensiv gesehen wird.
Deutsches Kartellrecht verhindert noch Schulterschlüsse
Schulterschlüsse hin oder her: Der letzte große Streich, um auch im globalen Wettbewerb mit Google und anderen Giganten zu bestehen, ist Gesetzessache. Das Kartellrecht erlaubt heute nun mal nicht, dass Allianzen sich wirklich durchsetzen können: Der vereitelte Zusammenschluss von Axel Springer und ProSiebenSat.1 ist ein Beispiel dafür. Daher sehnt man nun das Jahresende herbei: Bis dahin soll das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Zuge der 9. Novelle überarbeitet werden.