Wo Goldmedia-Forscher 2012 die TV-Trends vermuten
"Mit Heiterkeit durchs neue Jahr!?" fragt sich Christoph Schwab von Goldmedia beim Blick auf die TV-Trends 2012. In einem Essay für W&V Online setzt sich der Forschungschef mit dem auseinander, was Fernsehen in nächster Zeit prägen wird.
Wenn die Finanzkrise weiter um sich greift, dann werden Fernsehsender wieder mehr Stimmungsaufheller programmieren. Christoph Schwab,Head of Research beim Berliner Forschungsunternehmen Goldmedia Custom Research GmbH, hat sich mit vielen weiteren Einflüssen auseinandergesetzt, die sich in diesem Jahr auf das TV-Programm auswirken könnten. Hier sein Essay zu den TV-Trends 2012 unter dem Motto "Mit Heiterkeit durchs neue Jahr!?":
Angebot, Nachfrage und Umfeld – dieser Dreiklang entscheidet, wohin sich die TV-Programme 2012 entwickeln. Wirft man den Blick in die Zukunft, stellen sich drei Kernfragen: Was sind die Bedürfnisse der Zuschauer (Nachfrage)? Was haben die Sender in petto (Angebot)? Und: Welche externen Faktoren wirken auf die TV-Nutzung (Umfeld)?
Beginnen wir mit der Nachfrage: Die Motive, fern zu schauen, sind unterschiedlich. Ein sehr wichtiges ist die "Stimmungsregulation". Schwankungen in der kollektiven Stimmung haben daher immer auch Einfluss auf die TV-Nutzung. Derzeit geht es den Deutschen gut, aber über uns schwebt das Damoklesschwert der Euro- und Finanzkrise. Sofern sie 2012 reale Auswirkungen haben sollte, werden in den Programmen insbesondere "Stimmungsaufheller" gefragt sein. Das kann man derzeit schon in den USA beobachten. Dort leidet die Bevölkerung noch immer unter der Wirtschaftsflaute und bei den Neustarts der TV-Saison konnten quotentechnisch insbesondere heitere Sitcoms wie "2 Broke Girls" punkten. Beliebt sind zudem Märchen-Serien – die Fantasiewelten lassen den Alltag besser vergessen. Für den Fall, dass sich 2012 auch die Stimmung der Deutschen trüben sollte, könnten Sender profitieren, die gut im Bereich Sitcom und Comedy positioniert sind – etwa ProSieben und Kabel eins. Auch für die "Smile & Crime"-Serien, die die ARD – derzeit noch mit überschaubarem Erfolg – im Vorabendprogramm als Köder für junge Zuschauer auswirft, könnte das Anlass zur Hoffnung sein.
Einen kleinen Dämpfer auf hohem Niveau könnten 2012 Formate erhalten, deren Erfolgsrezept die Reizsteigerung ist: Immer dümmer, ärmer, gefährlicher, etc. sind die Protagonisten vieler geskripteter Reality-Formate. Das ist wie beim Duschen: Die Reizstärke - hier die Temperatur – muss ständig erhöht werden, damit man sich wohl fühlt. Doch irgendwann kocht das Wasser und dann ist es unangenehm. Vielleicht sind wir jetzt an einem Punkt, wo man die Reizstärke einiger Formate nur noch steigern kann, indem man Gefahr läuft, einige Zuschauer zu "verbrennen".
Was die Angebotsseite angeht: Spannend wird, wie es mit der US-Serien-Ware weitergeht. "CSI" oder "Dr. House" haben den Zenit ihres Lebenszyklus so langsam überschritten. Dass es hierzulande oder in den USA zu Absetzungen kommt, ist zumindest vorstellbar. Perfekt für die Sendeplätze geeignete US-Programme sind aber nicht wirklich in Sicht. Die Antwort von RTL könnten Eigen- und Koproduktionen sein. Für 2012 ist vieles angekündigt, darunter die Actionserie "Transporter". Auf das Abschneiden dieser internationalen Koproduktion (HBO, HBO Kanada, M6, RTL) mit einem 30-Millionen-Budget dürfte man in Köln ganz besonders gespannt sein. Bei Erfolg könnte in solchen Produktionen ein Modell mit Zukunft liegen. Im Kinobereich ist es jetzt schon zu beobachten: Der internationale Markt ist für die US-Studios inzwischen so relevant, dass Blockbuster in Europa Weltpremiere feiern, nicht in New York. Vielleicht beginnt 2012 ja eine Phase, in der die internationalen Abnehmer unabhängiger von den US-Studios werden bzw. einen größeren Einfluss auf die dortigen Produktionen nehmen können.
Sat.1 will 2012 endlich erfolgreiche Reality-Formate etablieren. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist verlockend. Ein "The Voice"-mäßiger Hit ist aber nicht zu erwarten. Zunächst muss den Zuschauern klar gemacht werden, dass sie zusammenpassen: Sat.1 und Reality. Das wird – auch wenn die Quoten der ersten Staffel von "Schwer verliebt" hier einen gewissen Anlass zur Hoffnung gegeben haben - ein wenig Geduld erfordern. Es könnte sich jedoch längerfristig auszahlen.
Und Einflüsse aus dem Umfeld? Social Media ist hier ein wichtiges Stichwort. In den USA nutzen schon heute 40 Prozent der Zuschauer soziale Netzwerke parallel zum Fernsehen. Facebook und Twitter werden daher umfangreich in die Programmstrategie eingebunden. Hierzulande sind die Sender noch in einer Experimentierphase. 2012 aber werden gerade Kanäle mit jüngerem Publikum die Social-Media-Aktivitäten massiv erhöhen. Die Vorteile sind klar: Die Zuschauer haben auch außerhalb der Sendezeiten Kontakt mit dem Programm, sie können auf einfache Weise mit anderen "Fans" in Verbindung treten und außerdem ermöglichen Social Media automatisierte Mundpropaganda – das alles bei Kosten, die weit unter denen anderer Off-Air-Promotion-Maßnahmen liegen.
Ob mehr eigene Fiction bei RTL, die Etablierung von Reality-Formaten bei Sat.1 oder das Finden eines Gottschalk-Nachfolgers beim ZDF – man hat sich für 2012 viel vorgenommen. Was funktioniert und was nicht, wird nicht zuletzt von der kollektiven Stimmungslage 2012 abhängen.