Einen kleinen Dämpfer auf hohem Niveau könnten 2012 Formate erhalten, deren Erfolgsrezept die Reizsteigerung ist: Immer dümmer, ärmer, gefährlicher, etc. sind die Protagonisten vieler geskripteter Reality-Formate. Das ist wie beim Duschen: Die Reizstärke - hier die Temperatur – muss ständig erhöht werden, damit man sich wohl fühlt. Doch irgendwann kocht das Wasser und dann ist es unangenehm. Vielleicht sind wir jetzt an einem Punkt, wo man die Reizstärke einiger Formate nur noch steigern kann, indem man Gefahr läuft, einige Zuschauer zu "verbrennen".

Was die Angebotsseite angeht: Spannend wird, wie es mit der US-Serien-Ware weitergeht. "CSI" oder "Dr. House" haben den Zenit ihres Lebenszyklus so langsam überschritten. Dass es hierzulande oder in den USA zu Absetzungen kommt, ist zumindest vorstellbar. Perfekt für die Sendeplätze geeignete US-Programme sind aber nicht wirklich in Sicht. Die Antwort von RTL könnten Eigen- und Koproduktionen sein. Für 2012 ist vieles angekündigt, darunter die Actionserie "Transporter". Auf das Abschneiden dieser internationalen Koproduktion (HBO, HBO Kanada, M6, RTL) mit einem 30-Millionen-Budget dürfte man in Köln ganz besonders gespannt sein. Bei Erfolg könnte in solchen Produktionen ein Modell mit Zukunft liegen. Im Kinobereich ist es jetzt schon zu beobachten: Der internationale Markt ist für die US-Studios inzwischen so relevant, dass Blockbuster in Europa Weltpremiere feiern, nicht in New York. Vielleicht beginnt 2012 ja eine Phase, in der die internationalen Abnehmer unabhängiger von den US-Studios werden bzw. einen größeren Einfluss auf die dortigen Produktionen nehmen können.

Sat.1 will 2012 endlich erfolgreiche Reality-Formate etablieren. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist verlockend. Ein "The Voice"-mäßiger Hit ist aber nicht zu erwarten. Zunächst muss den Zuschauern klar gemacht werden, dass sie zusammenpassen: Sat.1 und Reality. Das wird – auch wenn die Quoten der ersten Staffel von "Schwer verliebt" hier einen gewissen Anlass zur Hoffnung gegeben haben - ein wenig Geduld erfordern. Es könnte sich jedoch längerfristig auszahlen.

Und Einflüsse aus dem Umfeld? Social Media ist hier ein wichtiges Stichwort. In den USA nutzen schon heute 40 Prozent der Zuschauer soziale Netzwerke parallel zum Fernsehen. Facebook und Twitter werden daher umfangreich in die Programmstrategie eingebunden. Hierzulande sind die Sender noch in einer Experimentierphase. 2012 aber werden gerade Kanäle mit jüngerem Publikum die Social-Media-Aktivitäten massiv erhöhen. Die Vorteile sind klar: Die Zuschauer haben auch außerhalb der Sendezeiten Kontakt mit dem Programm, sie können auf einfache Weise mit anderen "Fans" in Verbindung treten und außerdem ermöglichen Social Media automatisierte Mundpropaganda – das alles bei Kosten, die weit unter denen anderer Off-Air-Promotion-Maßnahmen liegen.

Ob mehr eigene Fiction bei RTL, die Etablierung von Reality-Formaten bei Sat.1 oder das Finden eines Gottschalk-Nachfolgers beim ZDF – man hat sich für 2012 viel vorgenommen. Was funktioniert und was nicht, wird nicht zuletzt von der kollektiven Stimmungslage 2012 abhängen.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.