Über den Erfolg von Werbung entscheiden immer diejenigen, an die sie sich richtet.

Momentan operieren viele Social-Media-Kampagnen in einer Art Niemandsland: Es gibt zwar das UWG und das Telemediengesetz, aber die Rechtslage gilt als so unzeitgemäß, dass man sie in der Praxis gerne mal übersieht. Das erinnert ein bißchen an Empfängnisverhütung im Katholizismus: Je weltfremder die Morallehre, um so weniger wird sie beachtet. Warum entwickelt die Branche eigentlich keinen akzeptablen Social-Media-Kodex?

Ich denke, wir haben ausreichende Gesetze und Standesregeln. Alle Grenzfälle wird man nie abdecken können. Ich bin überzeugt, dass gute Kommunikation davon lebt, dass man weiß, wer mit einem spricht.

Regelverstöße als Kreativ-Prinzip werden ja irgendwann auch langweilig. Wie beurteilen Sie die Kreativität deutscher Social-Media-Kampagnen?

Es gibt viele hervorragende Beispiele - Unternehmen, die über Twitter Service anbieten und gleichzeitig Teil der Community werden, wie @telekom_hilft auf Twitter, Engagement in Blogs, aber auch Co-Creation, bei der aus der Community externe Experten in Projekte geholt werden. Die Kampagne "Million Voices" der Deutschen Telekom zeigt, wie Social Media und klassische Markenkommunikation zusammenspielen. Ich finde den Aufbau von authentischer Kommunikation, wie in diesen Beispielen, sinnvoller und in jedem Fall effizienter als kreative Einzel-Aktionen.

Wo geht die Social-Media-Reise Ihrer Meinung nach hin? Laufen sich die Crowdsourcing-Aktionen der Markenartikler irgendwann tot oder öffnen sich die Unternehmen jetzt wirklich der Idee, Marken und Produkte kollaborativ im Social Web weiterentwickeln zu lassen?

Co-Creation bedeutet, Produkte von Anfang an mit dem Markt zu entwickeln. Es gibt so viel Expertise unter den Menschen, zu allen erdenklichen Themen; Social Media Monitoring und Netnography, also "Zuhören", liefern oft schon Schätze an Erkenntnissen. Über Social Media kann ich aber diese Experten nicht nur identifizieren, sondern auch mit ihnen in Kontakt treten.

Welche Rolle spielen die Media-Agenturen dabei?

Media-Agenturen liefern die Media in Social Media. Das beginnt beim Zuhören und Verstehen - der Analyse, für die wir bei der Mediacom alleine schon ein eigenes Team von Social Media Analysten haben. Die Social Media Analysen wie Monitoring oder Netnography geben uns nicht nur den Rahmen, wie wir innerhalb der Social Media Sphäre vorgehen wollen, sondern liefern uns wertvolle Erkenntnisse über die Einstellungen und das Verhalten von Menschen überhaupt, als Ergänzung der klassischen Markt- und Medienforschung.

Nach den "Insights" ist der nächste Schritt die zielgerichtete Aktivierung von "Freunden", "Fans" oder wie immer die Teilnehmer genannt werden, und die Distribution, die genügend Reichweite erzeugt. Reichweite bedeutet "Kontaktchance" und es geht hier schließlich wie bei jeder Form der werblichen Kommunikation darum, Kontakt aufzunehmen. Als letzter Schritt folgt die kontinuierlichen Pflege im Dialog.

Eine der wichtigsten Aufgaben ist nicht zuletzt die Koordination mit den anderen Maßnahmen der Kampagne, damit Social Media nicht irgendwie losgelöst vor sich hin läuft, sondern mit der Kommunikation einer Marke insgesamt zusammenspielt. Unsere Aufgabe ist die des Architekten, der nicht nur das Haus plant, sondern auch dafür sorgen muss, dass es mit den nötigen Mitteln realisiert werden kann und zwar vom Keller bis zum Dach. Das ist die Arbeit, die Mediacom Interaction mit meinem Kollegen Bernd Hoffmann leistet.