Heftkritik "Closer": Gedrucktes Privatfernsehen mit einer Prise "Bild"
Eine über 20 Mann starke Redaktion, Chef-Journalist Tom Junkersdorf, Beratung von Ex-Burda-Manager Peter Levetzow: In das neue People-Blatt "Closer" hat Bauer einiges investiert. W&V Online hat schon durchgezappt...
Von Aschermittwoch an liegt es am Kiosk: Bauers neues People-Blatt "Closer". Der erste Eindruck: viel Pink, viel Lila - und verdammt viele Fernsehpromis. Wenn man von den Real-Life-Storys absieht, zieht sich das TV-Thema wie ein roter Faden durch das Heft. Der etwas unruhige Bilder-der-Woche-Einstieg ("Reingezappt“): Bachelor, Til Schweiger, Brigitte Nielsen. (Nicht ganz ins Schema passend, dafür aber hochaktuell: das Ehepaar Wulff im Auto.) Der Styling-Vergleich der Woche: wie im Schwesterblatt "Life & Style", nur mit Sibel Kekilli und Heike Makatsch statt Sarah Jessica Parker und Alexa Chung. Die Rezepte stammen aus den Fernsehkochshows oder sind gespickt mit Diät-Tipps von RTL-Moderatorin Katja Burkard – Stars, die wirklich interessieren, verspricht der Untertitel.
Sagen wir es so: Fernseh-Junkies, die die neuesten Fotos, Klatschgeschichten und Ratschläge von deutschen TV-Stars und -Sternchen wollen, kommen hier auf ihre Kosten. Dass Nichtigkeiten zu Topstorys aufgeblasen werden, ist man von der People-Presse gewöhnt. Und so schrumpelt auch das Sylvie-Van-der-Vaart-Exklusiv-Interview ("So kämpfe ich um meine Ehe“) in sich zusammen, wie ein Luftballon, dem man die Luft ablässt. Der fehlende Ehering auf einem Foto löste Krisengerüchte aus. Sylvie: "Ich kam einfach nur vom Sport.“ Die Closer-“Enthüllung“, dass sich Bachelor-Kandidatin Katja bei den Dreharbeiten in einen anderen verliebt hat, mag da schon für mehr Aufregung sorgen. Oder auch nicht.
Die Rubrik "Real Life“, der zweite Schwerpunkt von "Closer“, kommt sehr boulevardesk daher: Geschichten wie "Ich liebte einen Frauenmörder“, "Warum ersticht diese Arzt-Gattin ihren Liebhaber?“ und "Ich bin 43 und bekomme ein Baby – von einem 16-Jährigen“ könnten auch in der "Bild“-Zeitung stehen. Bei "Closer“ wird noch das autobiografische Buch dazu empfohlen und – ganz ratgeberisch – eine "Expertin“ (Anwältin, Psychologin) zum Thema befragt. Letztere spielen eine wichtige Rolle im Blatt. Die dritte und umfangreichste Rubrik "Lifestyle" eröffnet das "Closer-Expertenteam“, unter anderem bestehend aus RTL-Einrichtungs-Queen Tine Wittler, Sat.1-Richter Alexander Hold und das senderlose Model Franziska Knuppe, die den Leserinnen Fragen in Sachen Wohnen & Deko, Recht oder Stil beantworten. Die Partnerschafts-Ratgeberseite "Ganz vertraulich“ erinnert dabei irgendwie an die Fragen an das Dr.-Sommer-Team aus der "Bravo" ("Ich täusche meinen Orgasmus vor – wie kann ich es ihm sagen?“).
Am Ende folgen Rätsel rund um das Leben in der Glotze, die Fernseh-Highlights der Woche und – auch gern auf letzten Seiten verwendet– Damals-und-heute-Bilder von... erraten: deutschen TV-Stars. "Durchgezappt" heißt die Programmvorschau, und genauso ist auch"Closer": wie eine Art gedrucktes Privatfernsehen, bei dem man kurz in jeden Sender reinschaltet.
Fazit: Das Magazin besetzt mit dem Fokus auf nationale Fernseh-Nasen durchaus eine Lücke. Und weil die für ein deutsches Blatt leichter zu erreichen sind als die Hollywood-Gemeinde, lässt sich durchaus von einer gewissen "Nähe“ sprechen. Die drückt sich dann darin aus, dass "The Voice“-Finalist Michael Schulte in dem Artikel "Hat die Show ihn krank gemacht?“ auch selbst zu Wort kommt und nicht nur wild spekuliert wird. Immerhin. Ach ja, wen es interessiert: Schulte hat Tinnitus.