Herr Mende, inzwischen gibt es mehrere hundert Gin-Destillerien in Deutschland. Sie unterscheiden zwischen zwei Typen von Gin-Herstellern: Agentur-Gin und Manufaktur-Gin. Können Sie das genauer erklären?

Beim Agentur-Gin handelt es sich um ein Produkt, das primär für die Vermarktung hergestellt wird. Das heißt: Branchenfremde Marketingexperten und Unternehmer entwerfen ihren eigenen Gin und möchten diesen möglichst margenoptimiert verkaufen. Oft wird der Gin hier auch gar nicht selbst hergestellt, sondern in Lohnbrennereien beauftragt und produziert. Dieser Gin-Typ ist auf die effiziente Vermarktung angewiesen, da das gesamte Business darauf beruht.

Dagegen stammt der Manufaktur-Gin wohl aus einem Haus, das selbst Erfahrung hat im Herstellen von Spirituosen.

Richtig. Das sind Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, aus hochwertigen Rohstoffen spannende Produkte zu entwickeln. Durch den Gin-Trend haben die meisten Manufakturen natürlich auch das Potential erkannt und stellen ergänzend zu ihrem eigentlichen Produktportfolio Gin her. Daher sind die Manufaktur-Gin-Hersteller nicht so auf den Vertrieb fokussiert, sondern können dauerhaft den Gin als Erweiterung ihres Portfolios anbieten.

Wie können kleine oder mittelständische Gin-Hersteller heute noch ihre Nische und ihre Zielgruppen finden? Auf welche Alleinstellungsmerkmale kann sich eine deutsche Gin-Marke heute noch berufen?

Alleinstellungsmerkmale gibt es eigentlich kaum noch. Egal, ob es sich um einen Bio-zertifizierten Gin oder irgendwelche Auszeichnungen handelt, am Anfang muss der Kunde dem Gin ein gewisses Maß an Vertrauen schenken, damit dieser dann auch gekauft wird. Hat der Gin einmal den Beweis geliefert, dass er schmeckt, wird der Kunde gerne wieder eine Flasche kaufen.

Viele Gin-Anbieter sind gute Storyteller.

Klar. Natürlich helfen ein schönes und außergewöhnliches Design, eine authentische Geschichte, ein sympathischer und ansprechender Name sowie eine gute Zusammensetzung der einzelnen Botanicals, den Gin zu vermarkten.

Viele Gin-Produzenten betonen - auch in der Namensgebung ihrer Erzeugnisse - die regionale Verwurzelung. Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht dieser lokale Aspekt beim Bewerben und Verkaufen von Gin?

Der regionale Aspekt hilft dabei, vor allem in der eigenen Region Fuß zu fassen. Den wer trinkt nicht gerne einen Gin aus seiner eigenen Stadt? Arbeitet man mit regionalen und qualitativ hochwertigen Produkten, ist es für die Gin-Hersteller einfacher, in den regionalen Einzelhandel zu kommen. Besonders Handelsketten wie Rewe und Edeka können durch die Sortimentsgestaltung auf regionale Hersteller reagieren und die Produkte so in die regionalen Märkte mit aufnehmen.

Neben traditionellen Herstellern sind es auffallend viele junge, digital orientierte Unternehmer, die ihre eigene Gin-Marke kreieren und vertreiben. Sind die Nutzer auch schwerpunktmäßig junge, hippe Konsumenten?

Als 2012 der Aufschwung des Gins durch die Bars ging, war es wohl die junge und hippe Zielgruppe, die dem Gin den notwendigen Aufschwung zum In-Getränk gab. Inzwischen ist die Zielgruppe aber wesentlich breiter. Aldi und Lidl haben mittlerweile auch verstanden, dass die Produkte in die Mitte der Gesellschaft gerückt sind, und haben im vergangen Sommer Sonderaktionen rund um das Thema Gin-Tonic platziert. Durch solche Aktionen steigt natürlich die Akzeptanz innerhalb der breiten Masse. Und sie sorgen dafür, dass Gin-Trinker bereit sind, zukünftig mehr Geld für eine Flasche Gin auszugeben.

Inwieweit ist es aus Ihrer Sicht für die Szene wichtig, digital präsent zu sein?

Durch die digitalen Aktivitäten der einzelnen Gin-Marken erreichen die Gin-Hersteller primär Leute, die sich tagtäglich mit dem Thema Gin auseinandersetzen. Egal ob Barkeeper, Gin-Sammler oder Gin-Fans: All diese Gruppen möchten inspiriert werden und sind immer auf der Suche nach neuen und spannenden Produkten. Schafft man es, diese noch relativ spitze Zielgruppe zu durchdringen, agieren diese Personen als sehr gute Micro-Influencer. Ein Barkeeper macht seinen Kunden einen Gin-Tonic mit seinen persönlichen Empfehlungen, ein Gin-Sammler erzählt davon und ein Gin-Fan lässt sicher auch mal seinen Kumpel vom neusten Gin kosten.

Welche Kommunikationskanäle gehören Ihrer Meinung nach zur Grundausstattung?

Bei unseren Gin-Kunden sehen wir uns das Produkt zunächst genau an und überlegen, welche Online-Marketing-Aktivitäten für den jeweiligen Gin sinnvoll sind. Social Media wie Facebook oder Instagram, SEO auf die relevanten Keywords, aber auch SEA-Kampagnen können den Absatz signifikant steigern. Natürlich sind auch PR und Content ein wichtiges Instrument, um den Gin auf dem Markt zu positionieren. Online-Marketing-Aktivitäten bergen aber auch eine Gefahr für die Produzenten, wie wir schon oft im Markt beobachtet haben. Oft publizieren Gin-Neulinge ohne Strategie und verbrennen dadurch schnell Kapital.

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