Die Parameter für den "neuen" Rembrandt waren ebenso simpel wie effektiv. Das Portrait eines kaukasischen Mannes sollte es werden, circa 30 bis 40 Jahre alt, mit Bart, dunkler Kleidung und Hut, und mit einem der für die Periode typischen Rüschenkragen - das Ergebnis ist beeindruckend.

Die Entstehung verdeutlicht exemplarisch die Herausforderung, der sich heute und morgen viele Unternehmen und ihre Kreativagenturen stellen müssen. Berge von mitunter nebenbei gesammelten Daten warten darauf, systematisch analysiert zu werden, um die notwendigen Erkenntnisse für die zentralen Unternehmensabläufe zu gewinnen. Clusteranalysen, Assoziationsanalysen und Regressionsanalysen sollen den jeweiligen Entscheidern helfen, komplexe Sachverhalte zu erkennen und die daraus notwendigen Schritte abzuleiten. So werden (Un)regelmäßigkeiten (früher) erkannt, Produktions-, Logistik und Arbeitsprozesse optimiert, Kunden besser verstanden, Budgets und Etats besser und mitunter in Echtzeit kanalisiert.

Doch spätestens in dem Moment, in dem aus vermeintlich nichtssagenden Terabytes ein kreativer Schaffungsprozess für etwas ganz Neues entstehen soll, tun sich Fragen auf, mit denen sich die Beteiligten in Front- und Back-End zuvor noch nicht beschäftigen mussten.

Wer entscheidet über die Relevanz der Daten, wer trennt sprichwörtlich die Spreu vom Weizen? Wie lassen sich Daten emotionalisieren, und - mitunter schwieriger - auf das Wesentliche reduzieren? Lösen die Daten ein tatsächlich existierendes Problem oder geben gar die Antwort auf eine Frage, die vielleicht noch niemand gestellt hat? Gibt man vielleicht als Unternehmen etwas preis, das gar nicht für die Augen anderer bestimmt ist, schafft neue Probleme oder macht sich angreifbar? Liest der Empfänger meine Daten wie beabsichtigt, oder führt die Transparenz im Ergebnis zu einer völlig ungewollten Interpretation?

Unternehmen und Kreative stehen erneut vor der Herausforderung, Bereiche miteinander zu verbinden, die üblicherweise voneinander getrennt sind. Stellt man Unternehmen die Frage, was ihnen zum Thema Daten einfällt, dürften reflexartig Begriffe wie "Geschäftsgeheimnis", "Industriespionage" und "Datenschutz" fallen. Stellt man Agenturen die gleiche Frage, dürften sich die Antworten in vielen Fällen auf existierende Anforderungen im Arbeitsablauf beschränken: Statistiken, Targeting, Analysen, Messung der Effektivität - Daily Business, vielleicht sogar ausgelagert an einen entsprechenden Dienstleister.

Von diesen fest verankerten Assoziationen müssen sich beide Seiten lösen, bevor sie sich ernsthaft mit dem Thema Creative Data auseinandersetzen können. Vielleicht ist es bezeichnend, dass Deutschland in der Kategorie Creative Data in diesem Jahr kaum eine Rolle spielte.

Wir haben hierzulande ein zwiespältiges Verhältnis zu Daten

In einem Land, in dem die Aufgaben des Informationsfreiheitsbeauftragten vom Bundesdatenschutzbeauftragten wahrgenommen werden und in dem man sich noch nicht einmal auf eine Ampelkennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen einigen kann, spielen Daten als elementarer Bestandteil für die Kommunikation kaum eine Rolle. Wir haben hierzulande ein zwiespältiges Verhältnis zu Daten - auch weil ihnen seit Jahrzehnten der Ruf anhaftet, dass man sie, ohnehin lästig und gelegentlich teuer beschafft, meistens gezwungenermaßen preisgeben muss.

Diese gedankliche Hürde gilt es zu überwinden: Daten sind sexy, interessant, spannend - wenn sie über den reinen Informationsgehalt hinaus sexy, interessant und spannend aufbereitet werden. Der (vielleicht sogar unwissentlich aktivierte) Standortverlauf unseres Smartphones erzählt uns unsere eigene "Story" der zurückliegenden Monate, grafisch aufbereitet. Infographics, -videos und vergleichbare Formate gehören zu den Traffic-Garanten in Social Networks.

Unser Fitnesstracker protokolliert unsere Erfolge und präsentiert sie in Charts und Tabellen, unsere Bilder werden automatisch verschlagwortet, kategorisiert und sortiert. Bemerkenswerterweise sind es Tech-Unternehmen, die das Potential der selektiven Preisgabe ihres Big-Data-Schatzes früh erkannt haben und den kreativen oder sogar emotionalen Part dabei gar nicht schlecht erledigen.

Creative Data birgt somit auch die Hoffnung auf einen nun einsetzenden Ideen- und Innovationsprozess. Wer wenn nicht die Kreativbranche wäre dafür prädestiniert, das Thema in einer bisher hauptsächlich dem Silicon Valley eigenen Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit anzugehen? Bringt man Strategen, Datenspezialisten und Kreative an einen Tisch, eröffnen sich tausende neue Wege, die auch bereits existierende Werbeformen auf ein neues Level heben können. Wir müssen den Daten - die im Hintergrund längst unser Leben bestimmen - nur Leben einhauchen.