Kategorie 2: Die politisch unkorrekte Äußerung

Der schnellste Weg, einen Shitstorm zu ernten, ist ein unbedacht daher geplappertes Wort oder ein gedankenloser Post, der am besten soziale Randgruppen angreift. Wenn sich Guido Barilla, Chef der gleichnamigen Pasta-Marke, dazu hinreißen lässt, in einem Radio-Interview zu verkünden: "Ich bin für die traditionelle Familie, ich werde nie einen Spot mit Homosexuellen realisieren", dann kann das zu Boykottaufrufen rund um den Globus führen. Oder wenn es auf der Facebook-Seite von Jung von Matt ein tief ausgeschnittenes Dekolleté zu sehen gibt, garniert mit dem Hinweis, "Wir freuen uns schon auf unsere Weihnachtsfeier am Freitag", dann lässt der Shitstorm nicht lange auf sich warten

Sicher, Postings kann man zerknirscht löschen und sich entschuldigen, Kommunikationsstrategien kann man ändern (Barilla will künftig vielfältigere Lebensweisen in ihrem Marketing berücksichtigen). Doch ganz so harmlos ist diese Kategorie Shitstorm nicht. Mitunter kann so ein Post auch den Job kosten. Justine Sacco, die PR-Chefin der US-amerikanische Internet-Holding IAC twitterte vor ihrem Flug von London nach Kapstadt "Going to Africa. Hope I don't get AIDS. Just kidding. I'm white!" und muss sich nun nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen.

Die politisch unkorrekte Äußerung hat wie Kategorie 1 ein erhebliches Empörungspotential, das auf der gefühlten moralischen Überlegenheit der Kritiker beruht. Doch anders als bei der "ethischen Keule" steht hier die missglückte Kommunikation im Mittelpunkt und nicht eine fragwürdige Geschäftspraxis.

Kategorie 3: Mieser Service

Enttäuschte Kunden müssen heute nicht mehr vom stillen Kämmerlein aus eine Beschwerdehotline anrufen, wenn sie mit einer Leistung nicht zufrieden sind. Sie können ihren Unmut bei Twitter oder Facebook öffentlich machen und so einen größeren Druck auf das Unternehmen ausüben. Der "Trennungsbrief" einer enttäuschten Bahn-Kundin bekam viel Aufmerksamkeit - ob er aber etwas an den Verspätungen von Zügen geändert hat, ist unwahrscheinlich. Die Macht der Telekom-Kunden dagegen war deutlich größer. Der Shitstorm über das Unternehmen, als es ankündigte, die DSL-Flatrates zu drosseln schlug enorme Wellen und führte letztlich dazu, dass die Drosselung in der ursprünglichen Form nicht kommen soll.

Wenn Verbraucher für eine Leistung bezahlen, die sie dann nicht in der erwarteten Form erhalten, kann ein Shitstorm das Unternehmen dazu bringen, die Leistung auch zu erbringen. Wenn sich allerdings jemand darüber beklagt, dass die McDonald's-Currywurst teuer ist und nicht schmeckt oder Rewe seinen Eistee in Flaschen statt im Tetrapack verkauft, dann kann die Empörung schnell Höhen erreichen, die nicht mehr nachvollziehbar sind - man muss die Produkte ja nicht kaufen.

Shitstorms sind immer ein Phänomen der Kommunikation und dadurch potentiell interessant für eine Berichterstattung bei W&V. Dabei ist klar, dass jeder Bericht über einen Shitstrom diesen auch vergrößern kann. Weil er ihm eine Bühne gibt und ihn einem weiteren Publikum bekannt macht. Manche Entrüstungswelle ist aber so irrelevant und nichtig, dass wir sie nicht unterstützen werden. Wenn wir den Eindruck haben, es handelt sich um eine künstlich hochgepeitschte Wut ohne handfeste Basis, dann werden wir einen Shitstorm in Zukunft ignorieren. Wenn der Grund für die Entrüstung ein Werbemittel oder eine missglückte Äußerung ist, dann werden wir genau hinsehen, denn immerhin sind Werbung und Kommunikation zwei unserer Kernthemen. Auch wenn ein Shitstorm den Markenkern eines Produktes betrifft, entweder weil das Produkt selbst in den Fokus gerät oder weil die Entrüstung so große Ausmaße annimmt, werden wir darüber berichten.


Franziska Mozart
Autor: Franziska Mozart

Sie arbeitet als freie Journalistin für die W&V. Sie hat hier angefangen im Digital-Ressort, als es so etwas noch gab, weil Digital eigenständig gedacht wurde. Heute, wo irgendwie jedes Thema eine digitale Komponente hat, interessiert sie sich für neue Technologien und wie diese in ein Gesamtkonzept passen.