
PR und Live Kommunikation:
Autohersteller verschenken auf Messen viel Potenzial
Mit viel Aufwand präsentierten Autohersteller auf Messen ihre neue Modelle - und vernachlässigen dabei entscheidende Multiplikatoren: Die Journalisten. Was bei Pressekonferenzen anders laufen sollte, erklärt Göran Göhring von Stagg & Friends.
Mit der aktuell laufenden LA Autoshow in Los Angeles endet für die Autohersteller das Jahr der Automessen. Mit viel Aufwand präsentierten sie bei den Großevents ihre neue Modelle - und vernachlässigen dabei entscheidende Multiplikatoren: Die Journalisten. Was bei Pressekonferenzen anders laufen sollte, erklärt Göran Göhring*, geschäftsführender Partner von Stagg & Friends, Düsseldorf.
Das kommunikative Potenzial von Pressekonferenzen auf Automessen
von Göran Göhring
Auf den großen Automessen wie der IAA investieren Automobilhersteller Millionen für den Auftritt am Stand und die kommunikative Begleitung der eigenen Events und Präsentationen. Doch bei den obligatorischen Pressekonferenzen auf der Messe werden wichtige Multiplikatoren wie Journalisten und Blogger oftmals stiefmütterlich behandelt.
Vor allem die (Fach)Journalisten spielen für die Kommunikation von Markenbotschaften und Produktneuheiten der Autohersteller eine sehr wichtige Rolle und werden im Geschäftsalltag auch entsprechend hofiert: mit Testfahrten, exklusiven Vorführungen und Previews. Umso verwunderlicher, dass Automarketer und Öffentlichkeitsarbeiter immer noch nicht verstanden haben, dass sie diese Zielgruppe auch auf Messen behandeln sollten wie einen Endkunden. Denn Journalisten wollen die Marke auch auf einer Autoshow erleben und von ihr inspiriert werden – das schafft Akzeptanz sowie Verständnis und vermittelt Wertschätzung. Doch gerade bei Pressekonferenzen (PK) erfüllen die Hersteller diese Anforderungen nur bedingt.
Die IAA: Spiegelbild der Branche
Auf der diesjährigen IAA war von Wertschätzung für die Journalisten wenig zu spüren: Am traditionellen Pressetag der Messe mussten sie sich aufgrund der Informationsvielfalt verbunden mit Terminenge einem wahren PK-Marathon unterziehen. Das erzeugte einen gewissen Grad an Genervtheit, der sich über den ganzen Tag bemerkbar machte. Zudem folgten auf den Veranstaltungen oft auf ‚ohrenbetäubende Stille’, laute Schallüberfälle, Video-Bombardements und Redeschwälle, die mit Floskeln wie „…steht für ein besonders emotionales Fahrzeugdesign...“ oder immer wiederkehrenden, austauschbaren Analogien zum Sport gespickt waren. Eine klare Aussage darüber, wofür die jeweilige Marke konkret steht, blieb hingegen in den meisten Fällen aus. Ganz abgesehen davon, dass aufgrund nicht durchdachter Sichtachsen die Neuheiten nicht für alle Teilnehmer zu sehen waren. So entstand erst gar keine emotionale Berührung zwischen Journalist und Marke – hier wurde Kommunikationspotenzial teuer verschenkt.
Es gab aber auch positive Beispiele, die zeigen, dass einige Marken den Wert von Brand und Product Experiences auch im Bereich Presse verstanden haben: dazu gehörten Mercedes-Benz und Smart. Das war aus Sicht der Live-Kommunikation ein echtes Highlight, da die Dramaturgie der Pressekonferenz und die Botschaften nahtlos in die Aussagen des Messestands und die Markenwelt integriert waren. Das Konzept war einfach stimmig: Journalisten saßen auf zwei Rängen mit genügend Sichtebenen – und 15 Minuten vor Beginn erfolgte ein Live-Musik-Intro von Klingande. Schon alleine diese Inszenierung hob die neue, jüngere Markenpositionierung hervor. Dieser Eindruck setzte sich u.a. auch beim Auftritt des CEO und allen Rednern fort. Sie traten ohne Krawatte auf, passten sich inhaltlich den Erwartungen der Journalisten an und unterstrichen so die Verjüngung der Marke. Und auch die Botschaften kamen klar und unmissverständlich in allen Live-Präsentationen an: schöne Fahrzeuge, große Varianz der Produkte, Premium in allen Bereichen der medialen Bespielung und der Inszenierung.
Erfolg beginnt in der Organisation
Gerade das Beispiel Mercedes-Benz zeigt, das Autohersteller die klassischen Mechanismen, die einen Messeauftritt "formen", durchbrechen müssen – beginnend mit der Planung und Organisation der jeweiligen Präsenz. Denn hier liegen die Herausforderungen, die Marketer lösen müssen, um alle Zielgruppen effizient zu erreichen – vom Händler über den Endkunden bis zum Journalisten. Doch allzu oft halten die internen Messeabteilungen der Marken das Heft fest in der Hand. Erst wenn die Messespezialisten Architektur, Botschaften und Messestand organsiert haben, holen sie andere Bereiche wie die Presseabteilung an Bord – die dann mit den Gegebenheiten "leben" müssen.
Doch in Zeiten zunehmender Kollaboration und Silo-Agnostik ist das eine Vorgehensweise, die jedem Markenspezialisten ein Dorn im Auge sein müsste. Das ist ein veralteter, interner Hoheitskampf der Abteilungen, den es zu überwinden gilt.
Die Pressekonferenz als strategisches Marketinginstrument
Das Ziel muss es sein, die Markenwelt des Messestandes mit den Botschaften der Pressekonferenz zu verschmelzen. Zudem ordnet sich der Stand am Pressetag idealerweise den PK-Erfordernissen unter. Ein solches Vorgehen kommt auch bei den "Marken-Multiplikatoren" aus der Presse positiv an. Greifen Botschaften, Reden, Bildwelten und Analogien nahtlos ineinander, wirkt sich das direkt positiv auf die Berichterstattung und Markenaffinität der Redakteure aus. Andernfalls verschenken Marken dieses Kommunikationspotenzial – und verschwenden wertvolles Marketingbudget.
Der Erfolg einer Pressekonferenz hängt aber nicht nur von den Inhalten und der Inszenierung ab, sondern auch von der architektonischen Gestaltung der Lokalität. Das Schwierigste hierbei ist es, die Sichtachsen für die Pressevertreter einzuplanen und dafür zu sorgen, dass das Produkt auch visuell im "Scheinwerferlicht" steht. Alle Besucher müssen den eigentlichen Hero, das neue Fahrzeug, sehen und live der Präsentation folgen können – nur so entwickeln emotionale Inszenierungsideen ihre volle Wirkung. Die Übertragung auf einer Mediawand, um überhaupt etwas mitzubekommen, sollte wann immer möglich vermieden werden, da vieles am Erlebnis in der Übertragung verloren geht.
Fazit
Automobilanbieter müssen erkennen, dass (Fach)Journalisten auch auf Messen "Kunden" sind, die hofiert und inspiriert werden wollen. Auf der IAA – und auch auf anderen großen Messen – verschenken die meisten Marken aber die Chance, den Journalisten auf ihren Pressekonferenzen etwas Einmaliges zu bieten und ihnen Wertschätzung entgegen zu bringen. Hier kann die Live-Kommunikation ein wesentlicher Treiber sein.
*Über den Autor: Göran Göhring ist geschäftsführender Partner der auf Live Experience fokussierten Agentur Stagg & Friends. Mit seinem fast 50-köpfigen Team kreiert er seit fast 20 Jahren Events von Pressekonferenzen bis Management Meetings. Auch für Mercedes-Benz und Smart hat die Agentur schon gearbeitet - aber nicht auf der IAA.