
Interview:
Mittelständler greifen das Grosso an
Mit einem Brandbrief attackiert der Arbeitskreis Mittelständischer (AMV) die neuen Sortimentsregeln im Pressegrosso. Im Interview mit W&V Online antworten die Grossisten Udo Schlaghecken und Uwe Zeyn auf die Vorwürfe.
Das Grosso hat im März neue Regeln eingeführt, um die Pressesortimente im Einzelhandel besser zu steuern. Kernpunkt: Titel, die zweimonatlich oder noch seltener erscheinen, sollen nur noch vier statt acht Wochen im Regal liegen, wenn sie an einem Standort innerhalb von 14 Tagen nicht mindestens 3,50 Umsatz machen – es sei denn sie stecken Millionenbeträge ins Marketing.
Nun kommt ein Aufschrei aus den Reihen der Mittelständischen Verlage. In einem Brandbrief attackiert der Arbeitskreis Mittelständischer Verlag (AMV) das Grosso, aber auch den Verlegerverband VDZ und die Nationalvertriebe. Der Vorwurf: Die Regeln gingen einseitig zu Lasten kleinerer Verlage, das Grosso halte sich nicht mehr an den diskriminierungsfreien Vertrieb und bevorzuge hochauflagige Titel. Die kleinen Verlage fürchten Umsatzeinbußen von an die 20 Prozent und rufen zum Widerstand gegen die neuen Regeln auf.
Hintergründe, Analyse und Details lesen Sie in der aktuellen Printausgabe der W&V (EVT: 10.06.2014). Udo Schlaghecken, Bereichsleiter Großkunden im Bundesverband Presse-Grosso und Chef der PVG Presse-Vertriebs-Gesellschaft, Frankfurt, und Uwe Zeyn, Sprecher der Projektgruppe Sortimentsmanagement des Bundesverbandes Presse-Grosso und Chef von Carlsen & Lamich, Kiel, verteidigen die neuen Regeln.
Wie sehr benachteiligt die neue Sortimentssteuerung des Grosso Titel mit zweimonatlicher Erscheinungsweise?
Zeyn: Davon kann gar keine Rede sein. Schon jetzt kann beispielsweise ein Titel mit zweimonatlicher Erscheinungsweise im gesamten Grosso-Gebiet zur Remission aufgerufen werden, wenn er nach drei Wochen einen Mindestabverkauf unter 15 Prozent hat. Die neue Angebotszeit umfasst mindestens vier Wochen, verkauft sich ein Titel, bleibt er länger. Wir agieren im Markt nicht mit dem Rasenmäher, sondern regulieren filigran und standortspezifisch.Das heißt, dass wir nur dort die Angebotszeit auf vier Wochen begrenzen, wo die Regale derart ausgelastet sind, dass eine verkaufsfördernde, konsumentengerechte Präsentation des Presse-Sortiments gefährdet ist. Zudem werden nur diejenigen Ausgaben bereits nach vier Wochen remittiert, die nach 14 Tagen weniger als 3,50 € Umsatz gemacht haben. Worin soll da die Benachteiligung liegen?
Heißt das, die Aufregung kleiner und mittelständischer Verlage ist unbegründet? Wurden sie genügend eingebunden?
Schlaghecken: Veränderung bedeutet - zumal in der aktuellen Marktsituation - für alle Partner ein gewisses Maß an Unsicherheit. Deshalb ist uns der vertrauensvolle, offene Dialog mit allen Verlagen sehr wichtig. Wir haben Abstimmungsgespräche in den Gremien des Verlegerverbands VDZ geführt und uns gleichzeitig bemüht, mittlere und kleine Verlage zu informieren. So haben wir beispielsweise einen umfangreichen Fragebogen zu den Hintergründen und Wirkungsweisen des Sortimentsmanagements beantwortet. Wir suchen den partnerschaftlichen Ausgleich. Den wollen wir sowohl über ein tiefgreifendes Controlling erreichen, das wir mit dem VDZ vereinbart haben, als auch über den konstruktiven Austausch in der vertrieblichen Tagesarbeit. Hier stehen alle Grosso-Firmen gerne zur Verfügung.
Die neuen Regeln sollen nicht für Titel gelten, die mit einem Budget von einer Million aufwärts beworben werden. Bestätigt das nicht den Verdacht der Kleinen, mit diesen Regeln würden finanzkräftige Verlage bevorzugt?
Schlaghecken: Es geht uns darum, einen Anreiz für Marketingmaßnahmen im Sinne des Titels zu schaffen und damit auch im Sinne des Einzelhandels. Wir haben aber in Gesprächen mit den Verlagspartnern erkannt, dass diese Passage zu Irritationen führen kann. Deswegen haben wir uns darauf verständigt, diese Regel vorerst auszusetzen.
Wer nicht gleich verkauft, fliegt. Wird so der Marktzutritt für Neutitel nicht unnötig erschwert – vor allem vor dem Hintergrund, dass fast die Hälfte des Einzelverkäufe in der IVW seit 2000 auf Neuerscheinungen entfallen?
Zeyn: Neue Titel haben für das Sortiment eine hohe Relevanz, deswegen wird keinem Neutitel der Marktzutritt verwehrt. Das ist ganz wichtig. Unsere Maßnahmen kommen allen Titeln zu Gute, die sich am jeweiligen Einzelhandelsstandort verkaufen oder dort ein hohes Verkaufspotential haben. Diese Titel können besser sichtbar platziert werden und wir reduzieren das Risiko von Sofort- und Frühremissionen. Doch auch wenn ein Titel schleppend anläuft, können wir die Distributionsdichte erhöhen, wenn der Verlag dies durch entsprechende redaktionelle und werbliche Maßnahmen spürbar flankiert und es folglich vertrieblich gerechtfertigt ist.
Wie steht es um Controlling und Transparenz der neuen Maßnahmen. Und wie geht es jetzt weiter?
Schlaghecken: Für valide Aussagen ist es derzeit noch zu früh. VDZ und Grosso wollen ein neutrales Institut mit der Auswertung der Daten beauftragen. Mit aussagekräftigen Ergebnissen rechnen wir aber nicht vor September dieses Jahres. Wir können begründen, warum Veränderungen im Vertriebsmarkt notwendig sind. Und wir wollen die nötigen Schritte im Einvernehmen mit allen Verlagen gehen, auch den kleinen und mittleren Verlagen. Das positive Feedback, das aus dem gesamten Einzelhandel erhalten, signalisiert uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Uns ist bewusst, dass wir uns noch in einem Prozess der Verbesserung befinden. Wir bitten insbesondere auch die kleinen und mittleren Verlage, diesen Weg konstruktiv begleiten und mitzugestalten.