Heißt das, die  Aufregung kleiner und mittelständischer Verlage ist unbegründet? Wurden sie genügend eingebunden?

Schlaghecken: Veränderung bedeutet - zumal in der aktuellen Marktsituation -  für alle Partner ein gewisses Maß an Unsicherheit. Deshalb ist uns der vertrauensvolle, offene Dialog mit allen Verlagen sehr wichtig. Wir haben Abstimmungsgespräche in den Gremien des Verlegerverbands VDZ geführt und uns gleichzeitig bemüht, mittlere und kleine Verlage zu informieren. So haben wir beispielsweise einen umfangreichen Fragebogen zu den Hintergründen und Wirkungsweisen des Sortimentsmanagements beantwortet. Wir suchen den partnerschaftlichen Ausgleich. Den wollen wir sowohl über ein tiefgreifendes Controlling erreichen, das wir mit dem VDZ vereinbart haben, als  auch über den konstruktiven Austausch in der vertrieblichen Tagesarbeit. Hier stehen alle Grosso-Firmen gerne zur Verfügung.

Die neuen Regeln sollen nicht für Titel gelten, die mit einem Budget von einer Million aufwärts beworben werden. Bestätigt das nicht den Verdacht der Kleinen, mit diesen Regeln würden finanzkräftige Verlage bevorzugt?

Schlaghecken: Es geht uns darum, einen Anreiz für Marketingmaßnahmen im Sinne des Titels zu schaffen und damit auch im Sinne des Einzelhandels. Wir haben aber in Gesprächen mit den Verlagspartnern erkannt, dass diese Passage zu Irritationen führen kann. Deswegen haben wir uns darauf verständigt, diese Regel vorerst auszusetzen.

Wer nicht gleich verkauft, fliegt. Wird so der Marktzutritt für Neutitel nicht unnötig erschwert – vor allem vor dem Hintergrund,  dass fast die Hälfte des Einzelverkäufe in der IVW seit 2000 auf Neuerscheinungen entfallen?

Zeyn: Neue Titel haben für das Sortiment eine hohe Relevanz, deswegen wird keinem Neutitel der Marktzutritt verwehrt. Das ist ganz wichtig. Unsere Maßnahmen kommen allen Titeln zu Gute, die sich am jeweiligen Einzelhandelsstandort verkaufen oder dort ein hohes Verkaufspotential haben. Diese Titel können besser sichtbar platziert werden und wir reduzieren das Risiko von Sofort- und Frühremissionen. Doch auch wenn ein Titel schleppend anläuft, können wir die Distributionsdichte erhöhen, wenn der Verlag dies durch entsprechende redaktionelle und werbliche Maßnahmen spürbar flankiert und es folglich vertrieblich gerechtfertigt ist.

Wie steht es um Controlling und Transparenz der neuen Maßnahmen. Und wie geht es jetzt weiter?

Schlaghecken: Für valide Aussagen ist es derzeit noch zu früh. VDZ und Grosso wollen ein neutrales Institut mit der Auswertung der Daten beauftragen. Mit aussagekräftigen Ergebnissen rechnen wir aber nicht vor September dieses Jahres. Wir können begründen, warum Veränderungen im Vertriebsmarkt notwendig sind. Und wir wollen die nötigen Schritte im Einvernehmen mit allen Verlagen gehen, auch den kleinen und mittleren Verlagen. Das positive Feedback, das aus dem gesamten Einzelhandel erhalten, signalisiert uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.  Uns ist bewusst, dass wir uns noch in einem Prozess der Verbesserung befinden. Wir bitten insbesondere auch die kleinen und mittleren Verlage, diesen Weg konstruktiv begleiten und mitzugestalten.


Autor: Judith Pfannenmüller

ist Korrespondentin für W&V in Berlin. Sie schaut gern hinter die Kulissen und stellt Zusammenhänge her. Sie liebt den ständigen Wandel, den rauhen Sound und die thematische Vielfalt in der Hauptstadt.