
VDZ Publishers' Summit:
Zeitschriftenmacher geißeln Rudeljournalismus und Selbstdemontage
Die eigene Meinung am Markt und gegenüber der Werbeindustrie hochhalten – dafür plädieren Zeitschriftenmacher beim Publishers' Summit.
Chefredakteure deutscher Leitmedien haben vor einer zu einförmigen Berichterstattung gewarnt. Bei bestimmten Themen gebe es einen zu hohen "Konformitätsdruck" in der Branche, beklagt "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo bei der von W&V-Chefredakteur Jochen Kalka moderierten Diskussion auf dem VDZ-Kongress "Publishers' Summit" in Berlin. Aber er räumt auch ein: "Der Druck am Kiosk ist heute enorm. Wer das abstreitet, sagt die Unwahrheit." "Stern"-Chefredakteur Dominik Wichmann sagt, es erfordere Mut, einer geballten Medienmeinung zu widersprechen. Erst vor wenigen Tagen hat Hans-Ulrich Jörges aus Wichmanns Team einen "Rudeljournalismus" kritisiert und als Beispiel den Skandal um Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst genannt.
"Spiegel"-Chefredakteur Wolfgang Büchner appelliert an die Medienbranche, die klare Trennung von Werbung und Journalismus strikt einzuhalten. Die Werbeindustrie drohe sich der Inhalte zu bemächtigen. Die Redaktionen müssten sich wehren gegen die Anzeigenabteilungen und gegen den Druck, der dort gegen die Schreibenden aufgebaut werde. Büchner: "Es gibt dort viele Grenzüberschreitungen." Der Tipp des neuen "Spiegel"-Chefredakteurs: "Wir müssen die Firewall hoch halten." Auch im Netz sieht Büchner die Qualität der Themen vor ihrer Vermarktbarkeit: "Wer in Online-Medien Relevanz liefern will, muss die Klickzahlen komplett ignorieren." Jan-Eric Peters, Chefredakteur bei Springers Welt-Gruppe, plädiert für selbstbewusste Redaktionen, gerade auch bei der Themensetzung.
Wichtigste Herausforderung angesichts des Medienwandels sei heute, seine Zielgruppe genau zu kennen, so "Focus"-Chefredakteur Jörg Quoos auf dem Panel. Er habe Titel produziert, auf die er aus journalistischer Sicht stolz gewesen sei, die aber an der Zielgruppe vorbeigegangen seien. "Da habe ich mir so manches blaue Auge geholt in diesem Jahr." Ärger scheint er aber aus seinen vielen Jahren bei "Bild" gewohnt zu sein: "In 22 Jahren fliegt so manches Messer an Ihnen vorbei", wirft der heutige "Focus"-Macher ein. Quoos fordert bei der Printbranche mehr Selbstbewusstsein ein. Auch Di Lorenzo meint, es sei ein Skandal, was die Branche an Selbstdemontage betrieben habe. Büchner empfiehlt, Medienmarken sollten sich auf ihren Kern konzentrieren und nicht verzetteln. Dem Publikum müsse klar sein: "Wofür steht diese Marke? Was ist das Profil?"
Übrigens: Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger hat den israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres für sein Lebenswerk geehrt. Zur Laudatio auf der "Publishers' Night" in Berlin am Dienstagabend erschien stellvertretend der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsmann. Vorgetragen wurde die Laudatio von dem früheren deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher.
dpa/ps/lip