Es bleiben viele Fragen offen

Was die Zugeständnisse von Amazon, speziell in Sachen zweite Buy Box, in der Praxis wirklich wert sind, hängt vor allem von der konkreten Umsetzung ab. Und hier herrscht noch Ratlosigkeit. Zwar findet sich in den Untiefen der EU-Pressemitteilungen in einem PDF sehr versteckt ein Mockup, mit dem Amazon vorgestellt hat, wie eine zweite Buy Box möglicherweise aussehen könnte; zudem konnten in den letzten Monaten immer wieder Testseiten entdeckt werden, die zwei oder mehrere Angebote in der Buy Box vorschlagen und direkt in den Warenkorb gelegt werden konnten. Aber wie das Format im Juni tatsächlich umgesetzt wird, ist noch unbekannt. 

Das von Amazon gestellte Mockup in einem Dokument der EU-Kommission zeigt, wie eine zweite Buy Box funktionieren könnte: Erst nach einem Klick oder Tap auf den unteren Teil der Buy Box kann das zweite gefeaturte Angebot in den Warenkorb gelegt werden.

Das von Amazon gestellte Mockup in einem Dokument der EU-Kommission zeigt, wie eine zweite Buy Box funktionieren könnte: Erst nach einem Klick oder Tap auf den unteren Teil der Buy Box kann das zweite gefeaturte Angebot in den Warenkorb gelegt werden.

Wie werden die Unterschiede zwischen den Angeboten kommuniziert? Gelten für den Gewinn der zweiten Buy Box die gleichen Regeln wie für die erste? Können hybrid agierende Brands - also Hersteller, die sowohl im Vendor- als auch im Seller-Programm aktiv sind - beide Buy Boxen für sich gewinnen, einmal als Vendor und einmal als Seller? Und unter welchen Voraussetzungen gibt es überhaupt eine zweite Buy Box? 

Viele Fragen bleiben auch beim Amazon Advertising offen. Kann in Zukunft getrackt werden, ob ein Angebot Buy Box 1 oder 2 für sich gewonnen hat? Wie sieht die Sales-Attribution zwischen den beiden Boxen aus?

Und wer überprüft das eigentlich alles?

Auch die Frage nach möglichen Schlupflöchern für Amazon muss gestellt werden: Zwar droht die EU-Kommission bei Nicht-Einhaltung der Zugeständnisse mit Strafzahlung in Höhe von zehn Prozent der Jahresumsätze; aber wie will die EU die Einhaltung überprüfen? Verlässt man sich hier auf Klagen von Seller-Seite? Wird Amazon stichprobenartig geprüft? 

Diese Frage ist für die zweite Buy Box ebenso offen wie für das Versprechen von Amazon, sich künftig nicht mehr an nicht-öffentlichen Seller-Daten zu vergreifen. Und dass allzu lockere Selbstverpflichtungen von GAFAs in der Regel nur so mittel funktionieren, wissen sämtliche Preisvergleicher aus schmerzlichen Auseinandersetzungen mit Google Shopping: Auch diesem Marktplatz hat die EU-Kommission schon mehrfach auf die Finger geklopft. An dessen Stellung im Markt und seinem Geschäftsgebaren hat sich dadurch bisher nur wenig geändert. 

Hoffen wir, dass die Zugeständnisse von Amazon für den Markt von größerem Wert sind. 

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Autor: Ingrid Lommer

Ingrid Lommer ist die Plattform-Expertin der W&V-Redaktion. Sie behält Online-Marktplätze in Deutschland, Europa und der Welt im Blick, verfolgt die aktuellsten Änderungen auf dem Amazon-Marktplatz und späht mögliche Verfolger aus - weshalb sie auch Marktplatz-Anwandlungen von TikTok, Shopify oder Meta hochspannend findet. Ihre Expertise vertieft sie alle zwei Wochen beim Talk mit Valerie Dichtl im Podcast-Format "Let's talk Marketplace". Natürlich ist sie deshalb auch Ansprechpartner Nummer 1, wenn es um die Ausgestaltung von Plattform-Themen auf den Events ihres Verlags wie zum Beispiel der „Marketplace Convention“ geht. Dabei liegt ihr besonders der Austausch und das Networking innerhalb der Community der "Marktplatz-Menschen" am Herzen.