Henrik Weber:
5½ Brand-Design-Trends 2017
Mit Einführung des Flat Design von Apple und Google, hat sich die digitale Ästhetik in den letzten zwei Jahren radikal gewandelt. Im kommenden Jahr wird die digitalen Rationalität in die physische Welt eindringen. Eine Analyse von Markenschriften-Designer Hendrik Weber.
Von Hendrik Weber, Markenschriften-Designer, Monotype DACH
Die digitale Kommunikation setzt Markenzeichen ästhetisch unter Druck. Als Smartphones und Apps vor einigen Jahren die reale Welt imitierten (skeuomorphes Design), wurden Logos poliert, verchromt und virtuell modelliert. Mit Einführung des Flat Design von Apple und Google, hat sich die digitale Ästhetik in den letzten zwei Jahren radikal gewandelt. Im kommenden Jahr wird die digitalen Rationalität in die physische Welt eindringen.
1. Logos minimalisieren
Wer seit Jahrzehnten mit einem einprägsamen Zeichen kommuniziert (Apfel, Stern, Swoosh, Smiley) *, ist aus dem Schneider. Andere Unternehmen müssen Bild und Markennamen visuell trennen, um das Profilbild ihrer Social-Media-Kanäle mit einem Symbol plakativ zu füllen. Die jüngsten gelungenen Operationen: MasterCard, Kaufland, Parship, Die Techniker, Heidelberger Druck und Verivox. Wer 2017 unters Messer kommt? Vielleicht Siemens, Continental, Heidelberg Cement und Fielmann. * Apple, Mercedes, Nike, TUI
2. Icons dimensionieren
Mit der Verbreitung von Apps und komfortablen Web-User-Interfases hat die Verbreitung von Piktogrammen stark zugenommen. Mit ihnen lassen sich Services, Sortimente und Bedienschritte platzsparend und universell verständlich visualisieren. Weil diese Symbole zum visuellen Erscheinungsbild einer Marke beitragen, werden sie maßgeschneidert entworfen oder adaptiert. Doch funktioniert ein »Information«-Icon, dass für 80 x 80 Pixel entworfen wurde, auch am Point of Sale? Es funktioniert, aber wenig elegant und emotionslos. In der Typografie spricht man von optischen Größen, wenn Headline-Schriften mehr Kontraste und Details aufweisen, als Text-Schriften. Bei groß eingesetzten Piktogrammen sollten Detailreichtum und Emotionalität ebenfalls zunehmen. Drei optische Größen bieten sich an: minimalistisch (App, Web), detailliert (Print), illustriert (POS).
3. Lettering 2.0
Markennamen und Logos im Lettering-Stil wurden in den letzten Jahren in den Bereichen Food, Gastronomie und Kosmetik immer beliebter. Zunehmend bedienen sich auch der Einzelhandel, Dienstleister und Tech-Unternehmen einer menschelnden Typografie. Warum nicht. wenn’s gut gemacht ist (OpenType-Programmierung) und zur Marke oder zum Claim passt. Den Trend überdauern werden nur professionelle Script-Fonts, entwickelt von Lettering-Künstlern mit Font-Ingenieur-Wissen.
4. Farbpalette entrümpeln
Während Instagram gegen den Strom schwimmt, sind Farbverläufe und Regenbögen in der Markenwelt weitgehend verschwunden. Mit der Einführung des Flat-Design hat sich auch der Farbraum abgeflacht. Am mutigsten auf diesem Gebiet: Audi. Die metallisch schimmernden 4 Ringe wurden nicht nur flach … die Farbe wurde gleich mit über Bord geworfen. Und seitdem ist Audi auf Sport-Trikots und Stadionbanden wo präsent wie nie zuvor.
5. Logo Varianten
Hillary Clinton hat’s getan, Airbnb, Innogy (RWE) und MTV schon vor 30 Jahren: das Logo als Spielball. Brand-Engagement ist angesagt. Das Markenzeichen als als Wandtafel, die je nach Kampagne und Botschaft neu bemalt wird. Wenn Marken auf Interaktion setzen, verbietet sich ein streng reglementiertes Logo. Und da Interaktion und Kundennähe die aktuellen Treiber in der Werbekommunikation sind, werden wir 2017 neue spielerische Logos sehen.
5½. Tipp zum Abschluss
Warum nicht mal das Logodesign von hinten aufzäumen? Einfach eine markante Glyphe aus den über 100.000 Unicode-Zeichen nehmen, mit denen die internationale digitale Welt kommuniziert. Zum Beispiel: ◎,ℬ ⦿, ❒ oder ℳ. Die Telekom macht das bereits mit ihrer Online-Marke Congstar ✪ und der Mainzer Verlag Schmidt mit dem Aldusblatt ❦. Diese Zeichen haben den unglaublich praktischen Vorzug, dass sie im Texteditor fast aller Geräte verfügbar sind, sich mit lateinischen Lettern kombinieren lassen und in allen Kanälen geschmeidig und skalierbar ankommen … von der E-Mail bis zur Text-Message. Nie war es einfacher, ein Logo zu transportieren.
Über den Autor: Hendrik Weber ist Type Director für Markenschriften beim Font- und Softwareentwickler Monotype. Der international erfahrenen Designer lernte sein Handwerk in Leipzig bei Fred Smeijers, arbeitete als Freelancer für renommierte Brand-Agenturen und setzt sich gerne wissenschaftlich mit der Schriftgestaltung auseinander.