Kinderschutz:
Der Fall Sweetie: Werbeagentur hilft Pädophile aufzuspüren
In Deutschland hat der Fall Edathy die Diskussion um strengere Gesetze gegen Kinderpornographie angestoßen. Die Amsterdamer Agentur Lemz hat für Terre des Hommes ein Werkzeug entwickelt, das die Täter fangen hilft.
Derzeit macht das Thema wieder Schlagzeilen: In Deutschland hat der Fall Edathy die Diskussion um strengere Gesetze gegen Kinderpornographie angestoßen. Nun: Strafbar ist das längst, geahndet aber werden die Fälle selten - vor allem online sind die Täter schwer dingfest zu machen, heißt es. Unsere Mittel heißen oft: Zensur, Seitensperrungen, Überwachung - das ruft dann wiederum die Datenschützer auf den Plan.
Dass es eigentlich nicht schwer sein muss, die Täter zu finden, ohne komplexe Filtersysteme aufzubauen, beweist die Amsterdamer Agentur Lemz. Die Kreativen haben im Rahmen einer Kampagne für Terre des Hommes, Niederlande, ein Werkzeug entwickelt, das die Täter fangen hilft. Sweetie ist ein reizendes philippinisches Mädchen, das von zigtausenden Pädophilen online missbraucht wird. Die Anfangssequenz des Fall-Videos von Lemz erschüttert. Entwarnung aber folgt: Sweetie ist ein Computermodell, das ohne Abhörmaßnahmen direkt zu den Kinderschändern führt. 1000 Täter weltweit wurden innerhalb weniger Wochen identifiziert. Darunter 44 Deutsche.
Die Kreativen unter der Leitung von Lemz-Mitgründer Mark Woerde dazu: "Wir glauben daran, dass Unternehmen und besonders Kreativagenturen mit ihrem Talent und ihren Mitteln dazu beitragen sollten, die Welt zu einem besseren Ort zu machen." Dass das geht, beweist die Sweetie-Kampagne. Wo Behörden seit Jahrzehnten nicht vom Fleck kommen, zeigt Lemz, dass selbst Werbeagenturen einen großen Einfluss auf weltweite Probleme nehmen können.
Darum geht die Agentur nun auch mit dem Fall Sweetie unter ihrem Namen an die Öffentlichkeit: Die Aktion lief bereits 2013, doch nun, ermutigt durch ein dickes Lob der Vereinten Nationen, wollen Woerde und seine Kollegen die Agenturen auf aller Welt dazu motovieren, ihre Kreativität in den Dienst der Menschheit zu stellen und Lösungen für die Probleme unserer Zeit zu entwickeln.
Das Thema von Lemz war der Webcam-Kinder-Sextourismus, wie sie es nennen (Webcam Child Sex Tourism (WCST). Männer aus Industrienationen bezahlen Kinder in Schwellen- und Entwicklungsländern, zum Beispiel den Philippinen, für sexuelle Handlungen vor der Webcam. Wo kein Kläger, da kein Verfahren: Die missbrauchten Kinder erstatten keine Anzeige. Darum hat Lemz ein Computer-Kind erschaffen: Sweetie trat als zehn Jahre alte Filipina öffentlichen Chatrooms bei - und wurde mit Sex-Anfragen überschwemmt. Über die Spuren, die die Kinderschänder online hinterließen, konnte Lemz 1000 Täter in 71 Ländern identifizieren und übergab die Namen an Interpol.
Ein Engagement, das über eine übliche, leidenschaftliche Pro-bono-Arbeit weit hinausgeht. Und gern Schule machen darf. Die aktuelle Debatte in Deutschland ist der traurige Beweis, dass das wirklich notwendiger ist denn je.