Kommentar von Norbert Möller:
Designkritik: Das Uber-raschungsei
Fast zwei Jahre lang hat ein kleines Team um Uber-Gründer Travis Kalanick über dem neuen Markenauftritt gebrütet. Jetzt ist das Geschrei groß. Zu recht? Eine Designkritik von Norbert Möller.
Uber hat ein neues grafisches Erscheinungsbild: Seit dem 2. Februar ist das vertraute App-Icon verschwunden. Schnell habe ich Bewertungen gelesen, wie gut oder schlecht das Design sei, fand jedoch: Das ganze ist so vielschichtig, dass ich es lieber über das Wochenende sacken lasse und mir in Ruhe meine Meinung bilde.
Gute Einblicke lieferte hierfür der ausführliche "Wired"-Artikel von Jessi Hempel. Diesem habe ich entnommen, dass sich ein kleines Team um Unternehmensgründer Travis Kalanick fast zwei Jahre um die Design-Entwicklung gekümmert hat. Das hört sich nach einem sehr zähen Prozess an, nachdem man sich vorher schon nicht für eine Agentur entscheiden konnte. Der Artikel macht aber auch deutlich, dass dies eher ein Selbstfindungsprozess für den Gründer war. Man hätte mich natürlich nie gefragt – aber wenn, bin ich mir nicht sicher, ob ich hätte dabei sein wollen.
Dass sich Uber mit dem alten zu dünnen und zu weit gesperrten Schriftzug überhaupt in der digitalen Welt durchsetzen konnte, ist ein kleines Phänomen. Daher ist die Überarbeitung Pflicht gewesen und sieht ja auch passabel aus. Mikrotypografen könnten noch anmerken, dass die Buchstabenzwischenräume nicht optisch ausgeglichen sind. Aber diese Fähigkeit geht sowieso immer mehr verloren.
Der Aufschrei bei den Usern, dass man die neuen App-Icons ja so gar nicht mit Uber in Verbindung bringt, weil man ja das "U" nicht mehr erkennt – es sah ja auch vorher eher wie eine Gürtelschnalle aus – wird sehr schnell verstummen. Denn entweder ist die App ja schon installiert oder wenn man sie installiert, weiß man auch von wem. Hier hat Uber verstanden, was ein Icon ist, nämlich ein vereinfachtes Sinnbild. Und das ist perfekt gelungen. Laut Uber soll ich hier Bits und Atome erkennen, das ist eine tolle Herleitung, aber mehr nicht. Ich erkenne eher ein Symbol mit einem Mittelpunkt und beziehe es natürlich auf mich, also den User, der mitgenommen werden möchte. Und das App-Icon für den Fahrer ist ebenfalls eine einfache Form, ein Hexagon mit einem Mittelpunkt, der zu zwei Seiten offen ist: Logisch, denn er muss ja auch fahren.
In vielen Artikeln und Kommentaren tun sich die Schreiber schwer, App-Icon und Logo klar voneinander abzugrenzen. Dies soll aber keine Kritik an den Autoren sein, sondern eher ein Beweis dafür, dass das althergebrachte Verständnis von Design im digitalen Raum überholt ist: Es geht nicht mehr darum ein und dasselbe Logo ständig zu wiederholen, sondern ein System zu entwickeln, das für jeden Touchpoint und jede Zielgruppe eine markengerechte Ansprache ermöglicht.
Wenn bei Uber nun jede Region eine spezifische Musterstruktur und Bildsprache erhält, so ist das strategisch genau das, was modernes Corporate Design leisten muss. Pattern sind natürlich sehr einfältig klischeemäßig und aus den Neunzigern, aber die grundsätzliche Idee dabei ist für Uber der nächste eigentliche Schritt: global und lokal gleichzeitig zu sein. Denn das Geschäft ist nicht mehr der exklusive Chauffeurdienst in San Francisco, sondern umfasst Dienstleistungsangebote in 400 Städten und 65 Ländern.
Wenn man jetzt ganz ehrlich ist, darf man sich nur noch fragen: Muss man für diese Erkenntnis zwei Jahre brauchen? Nicht unbedingt. Ich finde, dass das Ergebnis überzeugt, aber nicht überragt. Auf der anderen Seite habe ich auch kein Startup gegründet, das heute 46 Mrd. Dollar wert sein soll, deshalb bin ich jetzt still und mache mit meiner Arbeit weiter.
Der Autor: Norbert Möller ist Executive Creative Director der Peter Schmidt Group. Die international tätige Agentur für Marken- und Designstrategie mit Hauptsitz in Hamburg gehört zur BBDO-Gruppe. Auf der Kundenliste stehen u.a. Bertelsmann, Boss, Lufthansa, Rewe, die Postbank und das ZDF.