Kommentar:
Effiegate: Mit einem blauen Auge davongekommen
Nach Veröffentlichung des Rechtsgutachtens zum Astra-Case wird jetzt die Frage diskutiert: Hat der GWA bei der Aufarbeitung der Effie-Affäre versagt oder mit Erfolg größeren Schaden von sich und der Branche abgewendet? Dazu ein Kommentar von W&V-Redakteur Conrad Breyer.
Nach der Veröffentlichung des abschließenden Rechtsgutachtens zum Astra-Case wird jetzt die Frage heiß diskutiert: Hat der GWA bei der Aufarbeitung der Effie-Affäre versagt oder mit Erfolg größeren Schaden von sich und der Branche abgewendet? W&V-Online-Redaktionsleiter Frank Zimmer findet, der Agenturverband habe eindeutig zu wenig zur Aufklärung beigetragen. Conrad Breyer, Ressortleiter Agenturen, sieht es anders. Sein Kommentar zum Thema:
Die Effie-Affäre um den Astra-Case wird in der Branche kontrovers diskutiert. Der GWA habe spät und wenig transparent gehandelt, Jung von Matt amoralisch. Das mag zutreffen. Dennoch hat der Gesamtverband Kommunikationsagenturen es geschafft, größeren Schaden von sich und der Branche abzuwenden. Denn mit dem Ergebnis der juristischen Prüfung, die der Verband vergangene Woche veröffentlicht hat, können jetzt offenbar alle Seiten leben.
Die juristische Prüfung des umstrittenen Astra-Effies hat Klarheit geschaffen. Philipp und Keuntje darf seinen Preis behalten, die Nachnominierung Jung von Matts auf dem "Evergreen" Astra war nicht rechtens und der Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA zieht Konsequenzen. So dürften der GWA und sein Effektivitätspreis am Ende sogar gestärkt aus der Affäre hervorgehen.
Mit einem solchen Ausgang konnte niemand rechnen. Blicken wir zurück: Frank-Michael Schmidt war es, der CEO der Scholz & Friends-Gruppe, der im November einen Brief veröffentlichte, in dem er Thomas Strerath anging. Dem damaligen Effie-Jury-Präsidenten warf er "Täuschen, Tricksen und doppeltes Spiel" vor. Was war passiert?
In seiner Replik auf Schmidts öffentliche Kritik räumte Strerath ein, Jung von Matt für den "Evergreen"-Case Astra nachnominiert zu haben – allerdings nicht ohne zuvor mit dem GWA-Präsidenten Wolf Ingomar Faecks und der einreichenden Agentur Philipp und Keuntje gesprochen zu haben. Strerath sitzt im Vorstand von Jung von Matt. Hatte er eigenmächtig gehandelt? Den offensichtlichen Interessenkonflikt ignoriert?
Strerath argumentierte, Jung von Matt habe die Astra-Kampagne, wie wir sie noch heute kennen, initiiert, mithin geprägt. Wenig später trat er von seinem GWA-Amt zurück. Der Werberverband fürchtete das Schlimmste. Würden Agenturen aus dem Verein austreten, die Effie-Sponsoren abspringen? Nichts von alledem ist passiert – im Gegenteil. GWA und Effie stehen nun besser da als zuvor.
Es war weise, mit Oppenhoff & Partner eine Kanzlei zu beauftragen, um den Sachverhalt juristisch aufzuklären. Das hat ein paar Monate Zeit gekostet, doch dafür haben alle Beteiligten nun ein Ergebnis auf dem Tisch, mit dem alle leben können.
Philipp und Keuntje, heißt es im Gutachten der Rechtsanwälte aus Köln, habe den Case fehlerhaft eingereicht, "weil sie fälschlich die Astra-Kampagne seit dem Jahr 1998 der Agentur Philipp und Keuntje zuschrieb, obwohl sie 1998 bei der Agentur Jung von Matt entstanden war". Trotzdem dürfen sie ihren Effie in Gold behalten. Das Vorgehen des GWA, namentlich des damaligen Effie-Jury-Präsidenten Thomas Strerath und des GWA-Präsidenten Faecks, die Agentur Jung von Matt nachzunominieren, sei schon "aus formalen juristischen Gründen nicht wirksam". Im Ergebnis hat Jung von Matt zu keiner Zeit einen Effie für Astra erhalten. Und Strerath selbst hat aus seinem Fehlverhalten längst die Konsequenzen gezogen. Sein Amt hat inzwischen Thjnk-Vorstand Michael Trautmann inne.
So bleibt ein von allen Beteiligten bekundeter Wille zum Frieden. Jung von Matt akzeptiert die Entscheidung in wohl inszenierter Großmütigkeit, will auch gegen Frank-Michael Schmidt nicht juristisch vorgehen, wofür es ohnehin keine Handhabe gäbe. Schmidt selbst hat erreicht, was er wollte. Jung von Matt bekommt keinen Effie für Astra. Und GWA-Chef Faecks, der anfängliches Fehlverhalten einräumt, will die Vertrauensfrage stellen.
Der GWA feiert Effiegate als Erfolg. Den Effie habe der Verband 2015 inhaltlich schon neu aufgestellt, ab 2016 werde er auch prozessual besser dastehen, sagt Ralf Nöcker, Geschäftsführer des Werberverbandes in Frankfurt. Sämtliche Vorschläge zu den Regularien, die Oppenhoff & Partner für das Verfahren gemacht hat, wie zum Beispiel "Regelungen über Interessenkonflikte" oder "mehr Transparenz", wolle man umsetzen. Das klingt nach einem Neuanfang – auch wenn Zweifel bleiben, ob dadurch das Miteinander in der von starken Charakteren geprägten deutschen Werbebranche ziviler wird. Der GWA jedenfalls, den viele seit jeher zu Recht als zu passiv erleben, hat – wenn auch spät – Führungsqualität bewiesen. Er sollte seine Chance nun nutzen.