Ethische Grenzen der PR-Arbeit: Der Wirbel um die Atom-Kampagne
Der Atomausstieg ist längst beschlossen, da werden plötzlich alte Strategiepapiere der Pro-Atom-Lobbyisten publik. Die von der "taz" veröffentlichten Dokumente können Insider allerdings kaum schocken. Es handelt sich um gängige PR-Methoden. Ist deswegen alles gut? Beileibe nicht.
Der Atomausstieg ist längst beschlossen, da werden plötzlich alte Strategiepapiere der Pro-Atom-Lobbyisten im Internet publik. Die am Wochenende von der "taz" veröffentlichten Dokumente können Insider allerdings kaum schocken. Es handelt sich um gängige PR-Methoden. In diesem Fall geht es um die Pro-Kernenergie-Kampagne im Vorfeld der letzten Bundestagswahl, die im Herbst 2009 stattfand.
Lediglich der "taz"-Vorwurf einer angeblich in Auftrag gegebenen Gefälligkeitsstudie bei einem Professor der Berliner Humboldt Universität hat eindeutig Skandal-Potenzial. Hierzu liegt eine Stellungnahme der PR-Agentur Deekeling Arndt Advisors vor, in dem sie den Vorwurf vehement zurückweist. Die Studie war nie erschienen. Laut "taz" offenbar deshalb, weil die Ergebnisse dem Deutschen Atomforum am Ende doch nicht gefielen. Ursprünglich, so berichtet die "taz", sollten 135.000 Euro auf das Konto der Ehefrau des Professors fließen.
In dem Case-Papier von Deekeling Arndt Advisors ist unter anderem die Rede von der Positionierung prominenter Pro-Atom-Testimonials in reichweitenstarken Medien. Die "Bild" brachte damals etwa eine große Geschichte zum Thema "Der Irrsinn mit dem Atomausstieg". In der Hochschulzeitschrift "Unicum Beruf" erzählten Young Professionals in der Titelgeschichte "Branche mit Zukunft" unter anderem davon, wie toll es ist, in einem Kernkraftwerk zu arbeiten. Die PR-Agentur kritisiert in ihrem Papier dennoch die "mangelhafte grafische Umsetzung durch Unicum Beruf". Am liebsten hätten sich die Lobbyisten sogar auch noch selbst um das Layout gekümmert.
Neu sind die meisten der beschriebenen Arbeitsweisen freilich nicht. Es handelt sich um gängige PR-Methoden. Dennoch stellt sich immer wieder auch die Frage nach den ethischen Grenzen - nicht nur im Lobbyismus.
W&V beschrieb bereits vor fünf Jahren in einer Titelgeschichte ("Manipulierte Multiplikatoren", Ausgabe 9/2006), dass etwa in der Pharma-Kommunikation mit teilweise fragwürdigen Methoden gearbeitet wird. Hier wurden von PR-Profis Krankheiten wie der "Helle Hautkrebs" buchstäblich erfunden, um den Menschen Angst einzujagen und damit den Absatz bestimmter Produkte zu steigern. Und gerade in der Medizin sind Gefälligkeitsstudien seit langem ein großes Thema.
Es gilt deshalb sauber zu trennen: zwischen einer sehr künstlichen Aufregung - gerade von Politikerseite - über die legitime Vertretung von Lobby-Interessen einerseits, und einer bewussten böswilligen Täuschung der Öffentlichkeit andererseits.