Scholz & Friends:
F.M. Schmidt zur US-Wahl: "Das endgültige Ende der Nachkriegsgeschichte"
Scholz & Friends-CEO Frank-Michael Schmidt ist nicht nur Chef einer internationalen Agenturgruppe, sondern auch studierter Politikwissenschaftler. Im W&V-Interview spricht er über die Auswirkungen der US-Wahl auf Deutschland und mögliche Folgen für die Werbebranche.
"Wir dürfen Campaigning nicht den Populisten überlassen", hatte Scholz & Friends-CEO Frank-Michael Schmidt bereits kurz nach dem Brexit-Referendum im W&V-Interview angemahnt. Das enorme Mobilisierungspotenzial von "Anti-Kampagnen" werde immer wieder massiv unterschätzt. Schmidt ist nicht nur Chef einer internationalen Agenturgruppe, sondern auch studierter Politikwissenschaftler. Im Interview mit W&V Online spricht er über die Auswirkungen der US-Wahl auf Deutschland und mögliche Folgen für die Werbebranche.
Herr Schmidt, wer ist nach dieser US-Wahlnacht der größte Verlierer?
Frank-Michael Schmidt: Die gefühlten Globalisierungs-Verlierer sind jedenfalls die Gewinner dieser Nacht. Sie haben Donald Trump für vier Jahre zum Präsidenten gewählt. Er hat sie zumindest für die berühmten 15 Minuten zu Gewinnern gemacht. Die geografische Mitte der USA hat gewonnen, die politische Mitte verloren. Ob der Anstand und die politische Kultur, die im Wahlkampf hoch verloren haben, sich wieder davon erholen, wird zu beobachten sein. Die Meinungsforscher und ihre Methoden gehören zu den Verlierern, ebenso wie die Intuition der Börsen. Beide haben - wie schon im Brexit-Fall - dramatisch daneben gelegen. Aber natürlich darf auch Hillary Clinton nicht unerwähnt bleiben, die trotz aller Skandale Donald Trumps den sicher geglaubten Sieg nicht nach Hause bringen konnte.
Machen Sie sich jetzt Sorgen?
Schmidt: Die entscheidende Frage wird sein, welche Aussagen Donald Trumps sich als Wahlkampf-Taktik und Wahlkampf-Rhetorik entpuppen und welche zu künftigen Kernpunkten eines präsidialen Programms werden. Wenn den protektionistischen und isolationistischen Ankündigungen entsprechende Taten folgten, hätte das Auswirkungen auf die Weltwirtschafts- und Weltsicherheits-Ordnung, von denen auch Deutschland betroffen sein würde. Für den Moment steht ein großes Fragezeichen über den transatlantischen Beziehungen.
Welche wirtschaftlichen Auswirkungen erwarten Sie?
Schmidt: Politische Börsen haben kurze Beine. Ich erwarte kurzfristig einen ähnlichen Verlauf wie nach dem Brexit-Referendum: ein erster Schock und rasche Normalisierung. Mittelfristig entscheidend wird sein, welche gravierenden Veränderungen sich aus einem toxischen Schmelztiegel von möglicherweise protektionistischer und interventionistischer US-Wirtschaftspolitik, einem harten Brexit, der ungelösten Verschuldungskrise und dem permanenten Sauerstoffzelt einer extremen Niedrigszinspolitik ergeben.
Welche Risiken sehen Sie für Ihre Agenturgruppe und die Werbebranche?
Schmidt: Wenn die Weltwirtschaft weint, werden wir nicht lachen.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation als Politikwissenschaftler?
Schmidt: Wir erleben jetzt vielleicht endgültig das Ende der Nachkriegsgeschichte und ihrer klaren Koordinatensysteme. Dieses Ende wurde durch den Fall der Berliner Mauer und den Zerfall des Warschauer Pakts eingeleitet. Heute sehen wir die westlichen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bündnisse in ihrem Zusammenhalt herausgefordert. Das Konzept des Westens steht aber auch im Inneren auf dem Prüfstand. Dabei geht es im Kern um gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Liberalität. Scheinbare Selbstverständlichkeiten sind in diesem Jahr 2016 zur disponiblen Verhandlungsmasse auf dem Markt populistischer Positionen geworden. Der Bedarf an Selbstvergewisserung der westlichen Welt in Bezug auf ihre Fundamente, Werte und Spielregeln war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch niemals so hoch.
Interview: Markus Weber