Fünf Punkte, mit denen Agenturen sich auseinandersetzen müssen, um das Thema Schrift wieder auf die Agenda heben können und zwar dorthin, wo es hingehört. Ganz nach oben.

1. Kein Verbraucher erkennt die Unterschiede

Zugegeben: die Feinheiten des Schriftdesigns können nur Experten erklären. Dies trifft aber auf jedes Handwerk zu. Wer – außer Musiker – kann die Magie des Rhythmus von Michael Jacksons "Billie Jean" erklären, das Zusammenspiel von Schlagzeug, Drum-Computer und einem Basslauf, an dem Jackson drei Wochen bastelte? Niemand! Aber alle können sofort darauf tanzen. Ähnlich verhält es sich mit Schriftbildern. Laien können ihre Charakteristika nicht erklären, gleichwohl nehmen sie unterbewusst Qualität und Unterschiede wahr. Ein unausweichlicher Prozess und unbestreitbar die Basis für die Identität von Marken und Unternehmen.

2. Unserem Auftraggeber ist die Schrift egal

Das kann eigentlich nicht sein, wenn er sich an eine professionelle Agentur wendet, die seinen Markenauftritt in die Hand nehmen soll. So wie ihm die Visuals für eine Kampagne nicht egal sein werden, so darf ihm auch die Schrift, als Stimme seiner Marke oder seines Unternehmens, nicht egal sein. Ihr Timbre, die Sprachmelodie, Lautstärke und Tonlage kann man nicht dem Zufall überlassen.

3. Die Marke benutzt seit Jahrzehnten dieselbe Schrift

Das ist ganz wunderbar, wenn diese unverwechselbar ist und über die Jahre zur Markenidentität beigetragen hat. Dann wäre eigentlich nur noch zu prüfen: Entspricht (1) ihr Zeichenvorrat noch dem einer global kommunizierenden Wirtschaft, ist sie (2) für alle Kanäle gerüstet (z. B. Website, Apps, Digital Apps, Print…) und sind (3) Kommunikationsmittel hinzugekommen, wofür die Schrift ergänzende Schnitte braucht. Lassen sich solche Hürden mit der bewährten Schrift nicht nehmen, oder nur mit erheblichem wirtschaftlichen Aufwand, dann empfiehlt sich eine zeitgemäße Konfektionsschrift oder ein exklusiver Neuentwurf.

4. Es gibt keinen Etat für Schrift

Dieses Argument taucht immer dann auf, wenn ein Branding- oder Corporate-Design-Projekt bereits fortgeschritten ist -, ohne einen Gedanken über das Element Schrift verloren zu haben. Erfahrene CI-Agenturen dagegen setzen das Thema »Schrift« von Anfang an auf Top-Priority. Das ist nicht nur für die Etatplanung wichtig, sondern auch für die reibungsfreie Integration einer Marken-Typografie ins Branding. Nur dann fallen Stolpersteine wie Mac/Windows-Kompatibilität, responsive Type, Webfonts und die unternehmensweite Implementation der Hausschrift nicht unter den Tisch. So manches Corporate Design wurde zur ewigen Baustelle, und damit zur Kostenfalle, weil Font-Fragen nicht gleich zu Beginn der Entwicklung geklärt waren.

5. Exklusiv-, Konfektions- oder Systemschrift?

Bei der Wahl einer Marken- oder Hausschrift für Marken oder Unternehmen bieten sich mehrere sinnvolle Wege an. Der günstigste ist die kluge Wahl aus über 40.000 Konfektionsschriften, wobei sich klug auf die Qualität und die Originalität bezieht. Falls eine fertig angebotene Schrift sich nicht hundertprozentig eignet, kommt eine technische oder ästhetische Anpassung in Frage, natürlich nur in Absprache mit dem Schriftherausgeber bzw. ihrem Designer. Die hohe Schule der typografischen Markenpflege ist eine Exklusivschrift, die kein anders Unternehmen haben wird. Maximale Eigenständigkeit ist dann auch das Argument gegen Systemschriften (haben alle, sind nur für die Benutzung im Computer optimiert) und gegen Free-Fonts.

Christopher Kollat leitet seit 2015 als Managing Director die Geschicke des Technologie- und Schriften-Anbieters Monotype in Bad Homburg/Berlin für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Davor war er 15 Jahre lang beim Datenspezialisten Teradata tätig, zuletzt als Bereichsleiter der Teradata Marketing Applications für Großbritannien, Irland und Indien, sowie als Managing Director der Teradata Interactive (Großbritannien, Deutschland, Italien). Er setzt sich seit Jahren für die Aufwertung von Schriften in der Markenkommunikation ein.


Autor: W&V Gastautor:in

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