Lukas-Pierre Bessis:
"Kill Your Agency": Wer den Allrounder spielt, hat verloren
Bis heute sehen sich viele Agenturen immer noch gern als Allrounder. Das kann nicht gut gehen, sagt der Werber Lukas-Pierre Bessis. Er rät den Häusern zu einer Konzentration aufs Wesentliche, nämlich die Kernkompetenz Kreativität: "Andernfalls schafft sich die Branche selbst ab."
"Kill Your Agency - denn top-kreativ kann jeder sein", heißt das jüngst erschienene Buch des Stuttgarter Werbers Lukas-Pierre Bessis (Agentur BPPA - Bessis Pink Pony Advertising). Darin empfiehlt der Autor Agenturen dringend die Konzentration auf ihre Kernkompetenz Kreativität. Wer sich heute immer noch als Allrounder aufspiele, trage dazu bei, "dass sich die Branche selbst abschafft."
Herr Bessis, vor wenigen Wochen erschien Ihr Buch "Kill Your Agency - denn top-kreativ kann jeder sein". Haben Sie etwas gegen Agenturen?
Selbstverständlich habe ich nichts gegen Agenturen im Allgemeinen. Ganz im Gegenteil. Ich finde Agenturen als kreative Unternehmensberatungen, die laterale und ungewöhnliche Lösungen liefern können, großartig.
Was stört Sie dann an den Agenturen heute?
Viele Agenturen ignorieren wider besseren Wissens die Möglichkeiten, die uns der technologische Fortschritt bietet. Stattdessen versuchen sie, ihre eigentlich überflüssigen Agenturapparate am Leben zu erhalten. In einer digitalisierten und vernetzten Welt können sie aber nicht mehr die Rolle des Allrounders spielen. Die Komplexität ist zu groß. Sie sollten sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und mit Kreativität und Einzigartigkeit punkten. Aber die Agenturen spielen lieber Vogel Strauß. In Wahrheit schafft sich die Branche so ab.
Ein hartes Urteil. Welche Rolle spielen dabei denn Ihre Kurse und Workshops zu Kreativthemen, die von Agenturen wie Unternehmen gebucht werden können?
Dank der Digitalisierung ist das Wissen über Trends und Innovationen für jeden zugänglich. Viele Unternehmen haben sich mittlerweile emanzipiert und sind nun weiter als ihre Agenturen. Das ist peinlich, aber bittere Realität. Bleiben die Werbeideen, die allerdings oft generisch sind. Mit Hilfe meines Ideenprozesses entmystifiziere ich nicht nur das Bild vom beseelten Kreativen, sondern vermittle eine Vorgehensweise, wie in kurzer Zeit herausragende Ideen entwickelt werden können, die auch funktionieren. Das müsste alle Akteure interessieren. Auf Begeisterung stoße ich damit aber nur bei den Unternehmen. Sie können damit eine eigene Ideenkultur entwickeln und die Zusammenarbeit mit den Agenturen optimieren. Doch diese reagieren verhalten. Dabei könnten sie mit der Methode ihre Arbeitsweise entschlacken, verbessern und rentabler gestalten.
Stimmt es, dass verstärkt Firmen aus dem Investitionsgüterbereich nachfragen?
Auch wenn ich selbst nicht zwischen B2C und B2B unterscheide: B2B-Unternehmen bringen eine höhere Affinität für den Ideenentwicklungsprozess auf. Weshalb? Man könnte es damit erklären, dass diese Unternehmen generell prozessbegeisterter sind. Aber das ist zu einfach. Ich glaube, es liegt eher daran, dass diese Branche mit kleineren Budgets arbeitet und sich weniger Fehlversuche leisten kann. Da kommt ein wissenschaftlich erforschter Ideenprozess gerade richtig. Vor allem Fullservice-Agenturen wissen nicht mehr genau, was die Kunden von ihnen erwarten.
Was raten Sie diesen?
Ich würde ihnen raten, mit ihren Kunden zu sprechen und anschließend ihre Organisation zu verändern. Wir reden zu oft über die Unternehmen anstatt mit ihnen. Die Agenturen der Zukunft müssen flexibel skalierbare Einheiten sein, welche sich als gute Berater adäquat mit externen Fachleuten ergänzen können, um so immer ein mehrwertstiftender Partner der Unternehmen zu sein.
Immer mehr Auftraggeber aus dem B2B-Bereich verabschieden sich vom Thema Fullservice. Für die Agenturen bedeutet das: Mit der Umsetzung lässt sich immer weniger Geld verdienen. Bleibt als letzte Hoffnung: die Beratung. Lesen Sie in der aktuellen W&V-Ausgabe (Nr. 38/2015) unsere Geschichte zum Thema "B2B-Kommunikation 4.0"